Freitag, 15. September 2017

Kein Internet

Quelle: http://aliljoy.com/wp-content/uploads/2014/01/Beth-.jpg

Vorwort: Nachdem ich nun ein paar Tage von der Außenwelt abgeschnitten war, habe ich dennoch über die Tage einen Blog-Text angelegt und fortgeführt, den es nun hier zu lesen gibt. Er beginnt mit den Notizen, die ich ursprünglich zu Anfang der Woche hier posten wollte.
 
Heute ist Dienstag. Seit Montagnachmittag habe ich von meinem Router aus keinen Zugang zum Internet mehr. Da ich kein Handy nutze, bin ich also momentan von der Welt des WWW abgeschnitten. Interessant, was das so für Empfindungen mit sich bringt: Zunächst einmal die panische Angst, dass ich nun keine Emails abrufen kann, dass ich nun nicht mehr einfach mal schnell mit Freunden kommunizieren kann – okay, für SMS benutze ich mein Handy dann doch. Trotzdem fühlt es sich an wie ein Weltuntergang, gerade im Kopf eines Hochbegabten, der sofort alle möglichen Katastrophenszenarien durchgeht.

Nach der Panik der Handlungsdrang. Woran liegt es, was kann ich tun, alle Schalter umlegen, alle Stecker rausziehen und alle Systeme neustarten – bringt alles nichts. Dann erst die Erinnerung: Sowas gab es schon mal, geh’ einfach noch mal in die Meditation, schau’ Dir einen spannenden Film an, in ein paar Stunden läuft alles wieder.

Gesagt, getan, doch in ein paar Stunden lief gar nichts. Und so hieß es dann Bettruhe, auch wenn es schwierig war, nicht die ganze Zeit darüber nachzudenken. Keep calm, morgen fragst Du erstmal Deinen Nachbarn, ob der das Problem auch hat, das kam schließlich auch schon mal vor, und dann rufst Du mal bei Vodafone an und klärst das.

Doch wie anders sieht das Vorhaben heute aus! Ich möchte diesen einen Tag ohne Internet genießen. Der Luxus der Unerreichbarkeit, ich muss mich nicht dafür rechtfertigen, dass ich nicht sofort auf Mails antworte, ich habe nicht den Drang, immer wieder nachzuschauen, ob es Neuigkeiten gibt – ich kann ja nicht nachschauen! Und so erledige ich erstmal in aller Ruhe die Hausarbeit, Wäsche aufhängen, Geschirrspüle ausräumen, einkaufen. Für meinen Nachbarn habe ich noch ein Paket angenommen, da kann ich heute Abend fragen, ob bei ihm alles läuft.

Festina lente, wie der olle Römer zu sagen pflegte, und so genieße ich jetzt erstmal die Sonne. (…)

…oder den Regen, denn gerade, als ich einmal in die Stadt musste, ging ein ordentlicher Schauer nieder. Jetzt scheint es wieder trocken zu sein – wollen wir mal nicht meckern, in Florida haben sie es mit Hurrican Irma weitaus schlimmer getroffen. Eigentlich geht’s uns gut.

Interessant, wie sich dieser Text langsam in Richtung eines klassischen Tagebucheintrags entwickelt. Es ist jetzt spät am Nachmittag, siebzehn Uhr. Mein Nachbar hat sich gerade sein Paket abgeholt und ich hab vergessen, ihn wegen des Internet zu fragen. Egal, das Ganze entspannt sehen, das würde mir auch das Buch empfehlen, das ich gerade lese. Oh, moment, mein Timer erinnert mich gerade dran, etwas zu trinken. Ja, es gibt Phasen, in denen das wirklich nötig ist, weil ich mit den Gedanken vollkommen irgendwo eingebunden bin.

Zum Beispiel, wenn mich ein Videospiel fesselt. Es gibt da draußen richtig gute, pädagogisch und psychologisch anspruchsvolle, wertvolle Spiele, ich will das gar nicht verdammen. Ich habe gestern das Spiel RiME beendet – und es hat mich komplett zerschmettert. Es kommt nicht oft vor, dass ich bei einem Spiel einen Heulkrampf bekomme (das war damals bei Final Fantasy X) – dieses Spiel hat es geschafft, weil es mich unglaublich immersiv in die Handlung, in das Setting eingebunden hat – ein grandioses Spiel, dem ich mich nicht mehr entziehen konnte. Ich wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht, mein Entdeckerdrang wurde befriedigt, denn da gibt es eine Menge zu entdecken.

Und bei solchen Spielen vergesse ich dann eben mal wieder, zu essen und zu trinken. „Hochbegabung ist eine Gnade“, yeah, fuck you, dieser Satz wird mich wohl noch eine ganze Weile begleiten. Ich kann nicht glauben, dass die Gemeinschaftsschule Hassee in der Hinsicht dermaßen unaufgeklärt ist. Whatever. Ich hab immer noch kein Netz, ich ruf' morgen bei Vodafone an und mache mir jetzt erstmal einen schönen Abend. Genuss mit allen Sinnen: Ein Entspannungsbad (naja, eher medizinisch, gegen den Neurodermitis-Schub), eine Meditation, Tomate-Mozzarella-Brot, Nachrichten schauen, irgendwie eine Verbindung zur Welt da draußen herstellen und dann wieder abschotten und ein weiteres Mal Cloud Atlas schauen und wieder ein bisschen mehr verstehen. (…)

So, nach Meditation und Essen, komme ich nicht umhin festzustellen, dass Er es heute wieder in meine Gedankenwelt geschafft hat. Aus purer Doofheit haben wir es nicht geschafft, vor Kurzem eine Chance wahrzunehmen, ein bisschen Zeit zusammen zu verbringen. Schön wäre es gewesen, die Gelegenheit war da, beide hätten wir es gewollt, aber da wir zwei drama queens sind, haben wir es nicht gemacht. Doof. Und hinterher sagen wir beide, dass wir es schade finden. Wie verklemmt muss man eigentlich sein, wie sehr kann man sich selbst im Weg stehen? Und dennoch waren die heutigen Gedanken schön. Positiv. Weil auch diese Episode mir wieder gezeigt hat, dass Er mich mag. Auch nach zwei Jahren Kontaktsperre, selbst auferlegt, quasi. Das gibt mir das gute Gefühl, dass das Warten sich lohnt. Dann lehne ich mich im Geiste zurück und versuche, das große Ganze zu sehen, und da sehe ich den Punkt, an dem Er und ich uns wieder sehen „dürfen“. Wie zwei Freunde das eigentlich tun. (…)

So, und nun ist Mittwoch, der Tag des Sturms. Bevor ich meinen Bewilligungsbescheid über das ALG bekomme, gibt es natürlich erstmal die Benachrichtigung über die Sperrfrist, weil ich bei der Arbeitssuchendmeldung vor fünf Monaten nicht dort angerufen habe. Alles bewusst, alles nicht überraschend, passt. Hauptsache, die Papiere sind alle vor Ort und bald bin ich zumindest endlich wieder autark. Draußen ist gerade Regenpause – daher ziehe ich mich jetzt warm an und springe einmal in die Realität, Einkäufe erledigen, bevor ich mich dann an die Internetklärung mache. Die Entschleunigung tut ganz gut. (…)

Und nun ist es schon wieder Mittwochabend, der Sprung in die Realität hatte einige Konsequenzen, wenn auch nicht funktionierendes Internet. So kam mit dem nächsten Schwung Post heute endlich mein Bewilligungsbescheid über das Arbeitslosengeld. Endlich muss ich mir zumindest um das Überleben in den nächsten zwölf Monaten keine Sorgen machen. Gleich den lieben Eltern Bescheid gegeben, allesamt einmal tief durchatmen. Dann ist endlich meine Gehirnbeschäftigung angekommen, damit ich in der arbeitslosen Zeit keinen Leerlauf habe: Videospiele! Es geht los mit The TALOS-Principle, wer hatte mir das noch gleich empfohlen, Herr Leinhos vielleicht! In jedem Fall grandiose Empfehlung, ich bin gefesselt, tja, und so schnell kann es Abend werden. Nun muss ich noch der großen Buba auf eine SMS antworten, und ich sehe gerade, dass die technische Hotline von Kabel Deutschland (gehört ja zu Vodafone) jeden Tag rund um die Uhr erreichbar ist! Also warum nicht jetzt direkt anrufen?

Wunderbares Beispiel dafür, wie der HB trainiert, sich in Geduld zu üben und ruhig zu bleiben. Wenn immer alles gleich sofort und ganz schnell klappt, dann führt das mit meinem Gehirn zu einer Eskalation der Denkgeschwindigkeit, das geht in der Regel schief. Deswegen zwinge ich mich jetzt, ruhig zu bleiben. Buba schreiben. Noch ein, zwei TALOS-Rätsel lösen, dann ab in’s Bett. Und morgen ganz entspannt das Internet regeln.

Alle schreien sie immer nach Entschleunigung, ja, aber für einen Hochbegabten kann das teilweise lebensnotwendig sein. Zumindest für diesen hier. (…)

Donnerstag. Es nimmt kein Ende. Jetzt ist der Fall also bei KD aufgenommen und wird bearbeitet. „Irgendwie ist das komisch, dass das bei ihnen nicht funktioniert, weil sie ja trotzdem telefonieren können.“ Nicht sehr beruhigend. Nun sitze ich hier, Handy und Telefon greifbar, und warte darauf, dass sich etwas tut. In der Zwischenzeit lenke ich mich ab mit Versicherungsschreiben, geht doch nichts über ein Tässchen Bürokratie zum Mittag. Und wenn das erledigt ist, retour Richtung Denkspiele. Okay, nun kommt doch langsam die Ungeduld wieder. (...)

Zwölf Uhr zweiundzwanzig am Freitag. Und was Ihr gerade nicht sehen könnt, ist, dass ich diese Zeilen nicht mehr auf meinem Word-Dokument am Rechner eintippe. Könnte ich auch gar nicht, denn ich habe momentan kein Word mehr, sondern arbeite mit OpenOffice. Allerdings schreibe ich jetzt gerade direkt auf Blogger, denn ich habe wieder Zugang zum Internet. Das war eine Odyssee... immer auf der Suche nach dem Fehler. Gestern Abend kurz nach zweiundzwanzig Uhr bekam ich dann eine SMS von Kabel Deutschland, dass es nicht am Netz liegen könne, denn das funktioniere. Soviel war mir eigentlich auch schon klar, wie hätte sonst zum Beispiel meine PS4 auf das Heimnetzwerk zugreifen können? Ich solle mal nachschauen, ob alle Stecker richtig eingesteckt sind. Kopf? Platzt fast! Aber ich versuche, ruhig zu bleiben.

Ich war also erstmal eine Weile extrem genervt von dieser Ernüchterung und habe dann meditiert. Okay. Es liegt nicht am Netz. Es liegt nicht am Router, den habe ich mehrfach ein- und ausgeschaltet, ein- und ausgesteckt, neugestartet - und dennoch konnte ich die Routeroberfläche von meinem Rechner nicht aufrufen. Blieb nur noch eine Möglichkeit: Es liegt am Rechner.

To cut it short: Rechner ist wieder zurückgesetzt auf Auslieferungszustand, persönliche Daten sind dabei glücklicherweise erhalten geblieben, nur eben alle Systemprogramme gelöscht und neu eingerichtet. Wo auch immer der Fehler lag, er ist behoben (und nein, es lag auch nicht am Virenschutz oder der Firewall), und ich verbringe einen wunderbar nervigen, aber erleichterten Freitag nun damit, alle nötigen Programme wieder einzurichten, Bookmarks zu setzen, Zugangsdaten für Internetseiten einzuspeichern - und diesen Artikel fertigzustellen. 

Und somit hoffe ich, dass er einigermaßen für Unterhaltung hat sorgen können; mir führt er mal wieder vor Augen, wie sehr ich auf das Internet angewiesen bin, und ich weiß nicht, ob ich das toll finde. Ich werde mich dem Umstand aber nicht länger widersetzen können: Sobald ich kopftechnisch die nötige gedankliche Klar- und vor allem Freiheit habe, wird es Zeit für ein vernüntiges, internetfähiges Smartphone mit Vertrag und so, und dabei werde ich wohl Eure Hilfe brauchen bei der Frage nach dem richtigen Anbieter und nach dem richtigen Telefon. Noch ist es allerdings nicht soweit. Puh, Dr Hilarius und das Handy, das dürfte ein unterhaltsames neues Kapitel auf diesen Seiten werden.

You two: Thanks for the concern! I'm back on track!!! #DieGroßeBuba #Sannitanic

post scriptum: An alle Leser - kommt gut in's Wochenende! Sorry für die lange Funkstille. Kann sein, dass ich jetzt noch etwas Zeit brauche, um das alles hier wiederherzustellen, aber bald gibt es wieder regelmäßigere Beiträge!

ps2.: Angesichts von LeZi und GeZi bin ich ganz froh, dass "Vollzeit" mit VZ abgekürzt wird! #VoZe

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