"Erinnerungs-Selfie mit Schülern? Geht ja gaaaaaar nicht! Du hast keiner von ihnen zu sein!" |
"Nähe und Distanz."
Ich habe diese Postulat hier im Blog schon öfters erwähnt, es findet sich in der Broschüre für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst des IQSH und sicherlich auch in vielen anderen Veröffentlichungen zur Pädagogik, Fachdidaktik und jeglichem Aspekt der Lehrerausbildung. Ich empfinde es als weiteren Punkt im Phrasenbingo, als einen hingedroschenen Spruch, der in der PFDS-Aufgabe (Pädagogik, Fachdidaktik, Diagnostik, Schulentwicklung) oder im Portfolio-Gespräch der Prüfung zum zweiten Staatsexamen gern gebracht wird. Er scheint zu besagen, das ist zumindest mein Verständnis, dass wir als professionelle Lehrkräfte den Schülern zwar Nähe signalisieren sollen, um eine Vertrauensbasis und ein positives Lehrer-Schüler-Verhältnis zu schaffen, gleichzeitig aber eine professionelle Distanz wahren sollen, da wir nicht Freund der Schüler sein sollen. Wir sollen jederzeit als Autoritätsperson respektiert werden.
Ich bin nicht der Meinung, dass das durch ein krampfhaftes Aufrechterhalten von Distanz gewährleistet wird. Ich habe den Respekt meiner Schüler, auch wenn ich es oft nicht schaffe, diese Distanz zu wahren. Auch darüber habe ich hier schon mehrfach geschrieben.
Es fällt mir - nicht als Lehrer, sondern als Mensch - manchmal eben schwer, in meinen Schülern nicht bestimmte Verhaltensmuster wiederzuerkennen. In der Konsequenz denke ich dann wieder über Ursachen und Konsequenzen ihres Verhaltens nach und mein Gehirn sucht automatisch nach Wegen, die Situation der Schüler zu verbessern. Im Extremfall kann sich das zu einem Helfersyndrom entwickeln.
Dort sehe ich Klaus, der gerade dabei ist, in der Mittelstufe in einen handfesten Drogensumpf hineinzurutschen, und es wäre so einfach, meinen Zugang zu ihm zu nutzen und ihm ein wenig Werkzeug für das Leben mitzugeben, damit er sich jetzt oder später vielleicht selbst helfen kann. Gleichzeitig höre ich immer wieder die Stimme im Hinterkopf, die mir sagt, dass ich mich hüten muss, zu tief in die Schülerbiografie einzugreifen oder mich auch nur zu sehr von ihr einnehmen zu lassen.
Das hat auch praktische Gründe, denn ich habe zig, ja vielleicht Hunderte Schüler, und ich kann nicht allen diese Aufmerksamkeit zukommen lassen.
Und dort sehe ich Maria, die ein ernsthaftes Kommunikationsproblem mit ihren Eltern hat und Verhaltensweisen an den Tag legt, die auf irgendeine Form häuslicher Misshandlung schließen lassen könnten. Und auch hier muss ich mich zurückhalten, muss mich mit Experten, zumindest aber mit dem Klassenlehrer in Verbindung setzen, denn vielleicht liegt der Handlungsbedarf hier einfach nicht in meinem Verantwortungsbereich.
Und ich muss einsehen, dass mir das manchmal nicht leicht fällt. Ich möchte helfen. Und ich denke, ich könnte so viel bewirken, ich denke "Mann Kollege, ich könnte so viel besser mit XY reden, lass' mich doch einfach machen, du hast doch keine Ahnung", überschätze mich dann auch maßlos - weil es eben aber auch manchmal klappt, weil es manchmal auch heißt "Irgendwie sind sie der einzige Lehrer, der mit XY klarkommt".
Nähe und Distanz. Als wenn das so einfach wäre. Und ich tendiere lieber zu zuviel Nähe als zu zuviel Distanz, und dazu stehe ich auch. Und das hat mir an mehreren Schulen Probleme eingebracht. Sollte ich das also überdenken?
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