Donnerstag, 21. September 2017

Nazis im Anzug

Rückkehr der Wirmer-Flagge...

Nazis in pinstripes, so werden sie im englischsprachigen Ausland bezeichnet, abgeleitet von deutschen Kommentaren zum Erscheinungsbild von Mitgliedern der AfD. Und sie sind nicht nur modisch im Anzug - sie kommen. Wir müssen uns der traurigen, erschreckenden, erzürnenden, verängstigenden, peinlichen, grausamen, wichtigen Wahrheit stellen, dass zum ersten Mal seit 1945 wieder waschechte Nazis in den Bundestag einziehen. "Nur als Teil der Opposition"? Das sollte niemanden mehr beruhigen. Es reicht, dass wir ab diesem Herbst mitansehen müssen, wie rechtsextreme Positionen und Parolen am Rednerpult des deutschen Bundestages verbreitet werden dürfen, mit einer ihnen zustehenden Redezeit. Mit einer ihnen zustehenden Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit.

Das kann nun niemand mehr verhindern. Es zeichnet sich seit Längerem ab, dass die Rechtspopulisten drittstärkste Kraft in Berlin werden. Leider sind bisher noch nicht viele Publikationen ehrlich und direkt genug gewesen, sie - so wie der Tagesspiegel - als das zu bezeichnen, was sie sind: eine rechtsextreme Partei. In der neuen Legislaturperiode werden sie ihre Parolen bundesweit über den Äther verbreiten und damit vor allem bei den Menschen auf offene Ohren stoßen, die nicht den nötigen Durchblick haben, nicht das nötige Verständnis, um zu durchschauen, wer da zu ihnen spricht. Ich frage mich, ab wann es dann wieder heißen wird, "wir haben von alledem nichts gewusst."

Und wenn ich über diese Frage nachdenke, werde ich wieder ein bisschen ruhiger. Denn zum Glück arbeiten alle demokratischen Parteien seit Monaten daran, die Parolen der AfD zu enttarnen und gegen den braunen Dreck aufzuklären. Und diese Aufgabe wird für uns alle, die wir demokratische Parteien wählen, mit dem neuen Bundestag noch viel wichtiger werden. Wir werden wachsamer sein müssen, und wir werden geduldiger aufklären müssen, und wir werden mit offenen Armen, ruhig und verständnisvoll auf die Menschen zugehen müssen, die die Nazis im Anzug nicht als solche erkennen. Nicht auf hochpolitischem Level, sondern im Lehrerzimmer, in der Kneipe, beim Fußballspiel. Wir dürfen uns von niemandem abwenden, nicht von Wutbürgern, nicht vom rechten Mob, nicht von schreienden Menschen, die sich abgehängt fühlen. Denn dadurch treiben wir all' diese Menschen, all' diese zwölf und mehr Prozent unserer Gesellschaft noch weiter in deren Arme, machen sie noch empfänglicher für nationalsozialistisches Gedankengut.

Auch die NSDAP hat die Menschen dort abgeholt, wo sie stehen (Phrasenbingo-Punkt!), hat ihnen gegeben, was sie sich wünschten und damit die Stimmen gesichert, und die Unterstützung, um ihre eigenen Pläne zu verfolgen. Auch sie waren einst "Nazis im Anzug", aber es hat ja niemand von nichts gewusst.

Es nützt nun nichts, angesichts der sich derzeit hochschaukelnden Weltkrisen in Angststarre zu verfallen, oder gar wütend auf irgendjemanden zu werden. Phrasenbingo-Teil 2, aber In der Ruhe liegt die Kraft, und wir müssen geduldig und beharrlich gegen rechte Propaganda aufklären. Nicht nur in gebildeten Haushalten. Wir müssen mit Menschen kommunizieren, die sich alleingelassen fühlen. Die wütend auf die Regierung sind. Die in sozial prekären Verhältnissen leben. Dorthin sollte unsere Energie gehen, und wir sollten sie nicht darauf verschwenden, über offene Kanäle gegen die AfD zu hetzen, denn genau daraus bezieht die Partei ihre Kraft.

"Zieht euch warm an", ich denke, dass muss man den demokratischen Parteien nicht mehr sagen. Höchstens ihren Wählern, damit sie ihre Anwiderung gegenüber der braunen Suppe endlich zurückstellen und anfangen, in der neuen Legislaturperiode zusammen gegen Rechts zu arbeiten.

Sonntag, der 24.09.2017, wird ein wichtiges Datum für die deutsche Geschichte. Es sind Nazis im Anzug. Wir werden viel daraus lernen können - aber wir werden auch um Einiges achtsamer sein müssen als bisher.

Geht wählen!

post scriptum: Bildquelle http://img.zeit.de/wissen/geschichte/2016-10/wirmer-fahne-pegida-deutschland/wide__820x461__desktop

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