Samstag, 29. Juni 2019

Bis zur Perfektion

Schwarz, was sonst.

Ob es nun HB ist oder nicht, manche Dinge, Rituale im Alltag, versuche ich bis zur Perfektion zu optimieren. Ein schönes Beispiel ist das Zähneputzen, über das ich schon einmal geschrieben hatte. Weil ich zu verpeilt bin, um jeden Tag an das regelmäßige Putzen zu denken, und weil ich sowieso nie Interesse hatte, herauszufinden, wie das alles funktioniert - bis ich dann versucht hatte, mir einen Plan zu machen. Ich putze seit ein paar Jahren meine Zähne nur noch einmal täglich oder alle zwei Tage. Dafür nehme ich mir dann richtig Zeit und versuche, jedes noch so kleine bisschen Belag wegzubekommen. Total faszinierend, was man da alles machen kann, und mein Zahnarzt hat mir vor ein paar Tagen bestätigt, dass da wieder nichts zu finden war, alles in Ordnung. Dennoch habe ich jetzt endlich mal aufgerüstet - die Sannitanic hat mich schon mehrmals auf die Möglichkeit einer elektrischen Zahnbürste hingewiesen. Das wird jetzt ausprobiert. Mal schauen, ob die Zahnseide dann überhaupt noch nötig ist. Jedenfalls habe ich das Gefühl, näher an die Perfektion gelangt zu sein, und das fühlt sich ziemlich gut an.

Ebenso ging es im heutigen Film um genau das: The Perfection (2018) handelt von Musikern, genauer gesagt Cellisten in einer Musikschule, die versuchen, die perfekte Performance abzuliefern. Ich würde ja gern etwas schreiben, warum der Film richtig spannend ist, aber das würde dann Spoiler enthalten, also lasse ich das. Ein relativ kurzer psychologischer Thriller, der bei Netflix verfügbar ist, und dessen größte Stärke es ist, den Zuschauer lange Zeit im Unklaren zu lassen darüber, in welche Richtung der Film geht.

Immer wieder dieser Drang nach Perfektion, aber warum eigentlich? Gerade wir Menschen als vollkommen imperfekte Wesen, auf einer imperfekten Welt, sollten uns hin und wieder sagen: Scheiß' auf die Perfektion, immer locker bleiben und das Leben genießen! Muss ich mich dran erinnern, wenn ich mich mal wieder in etwas hineinsteigere...

Donnerstag, 27. Juni 2019

Eigentlich


Eigentlich sollte hier ein Beitrag mit dem Titel Ein perfekter Tag stehen. Ursprünglich wollte ich den gestrigen Tag beschreiben, einen der heißesten der Woche, mitsamt Vorplanung (wie zum Beispiel Handtücher stärken), und ich wollte schreiben, wie ich dank eines Motivationskicks der Sannitanic einfach mal ausgebrochen und in den Hansa-Park gefahren bin. Dort hätte stehen sollen, wie beeindruckt ich von den Neuerungen im Park war, zum Beispiel vom einer Kathedrale ähnlichen neuen Bahnhof für die Schwarzkopf-Achterbahn Nessie. Oder auch darüber, wie genial der neue Gyro-Drop-Tower Highlander in die Nessie-Helix integriert worden ist, und wie sagenhaft die Aussicht über die Ostsee in knapp hundertzwanzig Metern Höhe ist, bevor die Sitze dann nach vorne gekippt werden und der Blick nur noch direkt nach unten geht, bevor es dann zum freien Fall kommt. Und wie stolz ich darauf war, wie sich Der Schwur des Kärnan gemacht hat, mit der schnelleren Abfertigung, mit der neuen Videoprojektion im Turm vor dem Rückwärts-Freifall, und wie großartig ich überhaupt den Weg finde, den die Familie Leicht mit dem Park vor zehn Jahren begonnen hat, weg von einer Ansammlung beliebiger Attraktionen, hin zu einem echten Themenpark. Ich wollte schreiben, was ich für ein Glück hatte, dass ich genau in den richtigen Sitzreihen gelandet bin (Nessie ganz hinten, kann man sich aussuchen - Kärnan ganz vorne, wird zugelost). Dann wollte ich schreiben, dass es zwar tierisch heiß war, aber der Abend dann inklusive Tee und Meditation eine angenehme Erfrischung gebracht hat, auch wenn der Film Oblivion (2013) mit Tom Cruise doch sehr aus anderen Filmen zusammengestückelt war - trotzdem hübsch anzusehen - und wie ausgeglichen ich in die Nacht abgedriftet bin. Aber wie Ihr seht, schreibe ich das hier nicht.

Stattdessen gibt es den Grund, warum ich Euch das oben Beschriebene nicht beschrieben habe (sorry, der musste sein). Immer mehr erhärtet sich in meinem Kopf der Verdacht, dass ich Autist sein könnte, diese Gedanken wabern schon durch meinen Kopf, seitdem ich Rain Man (1988) gesehen habe, in dem Dustin Hoffman für seine Darstellung eines Autisten vollkommen zu Recht den Academy Award bekommen hat. Und wieder einmal dauert dieser ganze Realisierungsprozess in meinem Kopf sehr lange. Sicherlich hätte ich schon überall nach Hilfen schauen können, aber ich habe immer noch nicht verdaut, dass es tatsächlich so sein könnte. Aber von Tag zu Tag nehme ich das immer besser zur Kenntnis, und ich glaube, ich möchte diese Arbeitslosigkeit gern dafür nutzen, es herauszufinden. Wie man das testet, Autismus. Wer das macht. Wie viel das kostet, weil ich mir das vielleicht nicht leisten kann, und ob die gesetzlichen Krankenkassen so etwas übernehmen.

Das könnte mir vielleicht eine Menge offener Fragen beantworten, und ich werde Euch auf dem Laufenden halten.

Dienstag, 25. Juni 2019

Arbeitslos


Liebe Schülerinnen und Schüler!

Ich weiß nicht, ob es sich schon bis zu Euch herumgesprochen hat, aber wir werden uns im nächsten Schuljahr nicht wiedersehen. Das tut mir riesig leid, es war nicht mein Wunsch, dass es so kommt, und ich bin nun wieder arbeitslos. Ich weiß, dass ich nicht Euch alle für meine Art gewinnen konnte, ich weiß aber auch, dass es Schüler gibt, die nur meinetwegen ein weiteres Jahr an der Schule geblieben wären. Deswegen finde ich es nur richtig, Euch darauf hinzuweisen, dass ich nicht mehr dort sein werde.

Vielleicht erinnert Ihr euch an unseren Unterricht, vielleicht erinnert Ihr euch an die Unit The World of Work, in der wir genau gelesen und geübt haben, wie Jobsuche funktioniert: Ihr sucht eine Stellenausschreibung, dann schreibt Ihr einen letter of application, wenn Ihr Glück habt, geht es zu einem job interview und mit noch viel mehr Glück bekommt Ihr die Stelle. Es gibt aber eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass da Mitbewerber sind, die besser sind als Ihr - das klingt hart, aber so ist es einfach, genau wie es auch Mitbewerber auf Lehrerstellen gibt, die besser sind als ich.

Ich habe Euch im Unterricht erklärt, dass ich zum Beispiel sehr viel Angriffsfläche biete: Mein Erscheinungsbild, meine Ausdrucksweise, die Tatsache, dass ich einen Blog führe, all' das kann einer Schulleitung ein Dorn im Auge sein. Deswegen habe ich versucht, Euch klarzumachen, dass es bei Auswahlgesprächen in erster Linie um Oberflächliches geht; Ihr könnt ein toller, warmherziger, netter Mensch sein, aber das interessiert in der Situation nicht - und vielleicht auch später nicht.

Es gibt so Vieles, was bei der Kandidatenauswahl nur nachrangig berücksichtigt wird. Ob Ihr Ehrenämter ausgeführt habt, ob Ihr euch nachweislich jahrelang für andere Menschen eingesetzt habt, ob Ihr ein Einserschüler wart, ob Ihr womöglich mit Eurer Zielgruppe richtig gut arbeiten könnt, das ist manchmal nicht ausschlaggebend. Ich dachte, dass es so wäre, und vielleicht könnt Ihr aus dieser Sache mitnehmen, dass es nicht so ist.

Was zählt, ist der Eindruck, den Euer potentieller Arbeitgeber von Euch bekommt. Sehr Ihr gut aus? Seit Ihr freundlich? Schafft Ihr es, den Menschen das zu sagen, was sie hören wollen? Seid Ihr unauffällig? Könnt Ihr euch gut anpassen? Das zählt auf dem Arbeitsmarkt. In vielen Jobs müsst Ihr euch Eure Individualität für das Privatleben aufheben. Ich habe Euch von einigen Bewerbungsgesprächen berichtet, aus denen ich genau diese Erfahrung mitgenommen habe.

Wer weiß, vielleicht mache ich nächstes Mal alles anders. Ich werde kein schwarz mehr tragen, ich werde mir die Haare nicht mehr färben, ich werde mir die Fingernägel nicht mehr lackieren. Klar, das ändert nichts daran, wer ich bin, aber ein guter Mensch wird unter dieser schwarzen Maskerade nur von sehr aufgeschlossenen Menschen erkannt, und davon habe ich noch nicht so viele kennen gelernt.

Ich hatte überlegt, diesen Beitrag direkt zu schreiben, als ich meine Absage erhalten hatte. Denn ich war innerlich vollkommen zerstört, und wer mich kennt, weiß auch, wieso. Wer mich nicht kennt, der könnte denken "Naja, ich teile ihm das lieber persönlich mit als in einem Anruf oder einer Mail, das finde ich besser" - dabei kann ich mit solchen Situationen überhaupt nicht umgehen, weil ich heillos überfordert bin.

Diesmal habe ich also wenigstens daran gedacht, mir etwas Zeit zu lassen. Es gibt sehr viele Beiträge hier in meinem Blog, die aus einem Impuls heraus geschrieben wurden. Das kann positiv sein - total verliebt, etwas Wichtiges geschafft, einen tollen Baustein für mein Leben gefunden - oder auch negativ - Wut, Trauer, alles durch aktuelle Ereignisse ausgelöst.

Mit einigen wenigen Ausnahmen habt Ihr mich als Lehrer erlebt, der ruhig bleibt, auch wenn sich jemand in der Klasse vieleicht völlig daneben benimmt. Das war früher anders, da wurde ich schon eher mal laut. Das lag daran, dass ich mich noch sehr leicht von Sachen habe beeindrucken lassen. Ich interessiere mich seit ein paar Jahren sehr für den Buddhismus, denn die Denkweisen helfen mir, innerlich nicht mehr so leicht hochzukochen.

Es hat nichts daran geändert, dass ich auf meiner letzten Heimfahrt von der Schule geheult habe wie ein Schlosshund, weil ich mir in solchen Situationen leider immer wieder bewusst werde, wie unfair die Welt sein kann - und in der Regel auch ist.

Ich hatte oben von Ehrenämtern berichtet. Ich will Euch einen anderen Lebensentwurf beschreiben: Wenn ich nach meinem Abi mein Studium in den gut vier Jahren, der Regelstudienzeit, durchgezogen hätte, wenn ich nicht Zeit im Studierendenparlament, in der Fachschaft Klassische Philologie oder sonstwelchen Projekten verbracht hätte, um meinen Kommilitonen, meinen Mitstudenten zu helfen, wenn ich mich nicht entschieden hätte, meiner Andersartigkeit durch mein Erscheinungsbild Ausdruck zu verleihen, wenn ich nicht beschlossen hätte, nur noch zu hundert Prozent ehrlich zu sein, wenn ich nicht beschlossen hätte, authentisch zu sein - also ganz ich selbst, und nicht das, was Andere sehen wollen - dann wäre ich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit bereits verbeamtet, also unbefristet im Schuldienst beschäftigt.

Bin ich aber nicht.

Manchmal muss man sich entscheiden, wie wichtig einem die persönliche Authentizität, die "Echtheit" ist. Gerade in der Wirtschaft, in der man viele unbekannte Menschen trifft und es zuerst mal nur um Oberflächlichkeiten geht, muss man da ernsthaft überlegen - und ich muss zugeben, ich habe diese "Einschätzung eines Menschen nach seinem Erscheinungsbild" auch erst im Wirtschaftszweig explizit kennengelernt. Oder bin mir dessen zumindest bewusst geworden.

Man hält mich - und das ist kein Rumjammern, sondern nur eine sachliche Feststellung - für dumm, ohne Erfahrung, für asozial, eine Gefahr für die Schüler, für arrogant und überheblich. Vielleicht könnt Ihr das als meine Schüler, die mich jetzt ein Schuljahr lang erlebt haben, nicht nachvollziehen. Das liegt daran, dass es immer mehrere Blickwinkel für ein und dieselbe Sache gibt. Ihr habt mich in vier oder fünf Stunden jede Woche erlebt, während die Schulleitung mich nur aus vier Gesprächen direkt kennen gelernt hat. Dazu dann Beschwerden über das, was ich im Blog schreibe, und wie ich im Unterricht arbeite - und machen wir uns nichts vor, die gibt es jedesmal - man sagt dazu "ich polarisiere", da ergibt sich ein sehr negatives Bild für die Schulleitung.

Ich könnte natürlich der Schulleitung Eure Zettelchen aus dem Unterrichtsfeedback zeigen (Ihr erinnert Euch sicherlich an den Hut), und es haben auch schon Schüler "protestiert" für mein Verbleiben an der Schule, aber da muss man leider ehrlich sagen: Um die Schüler geht es der Schulleitung nicht - zumindest nicht immer. Es klingt seltsam, dass im Schulsystem nicht unbedingt der Schüler im Mittelpunkt steht, aber so kann es gehen. Eine Schulleitung stellt andere Anforderungen an eine Lehrkraft als ein Schüler - das ist leider so, und ich befinde mich weiterhin auf der Suche nach einer Schule, die mich akzeptiert, wie ich bin, und mit der ich Wege finden kann, wie ich gleichzeitig ich selbst und trotzdem angepasst sein kann. Das ist nicht leicht.

Es ist mittlerweile ein paar Wochen her, dass ich von meiner Schulleitung erfahren habe, dass man mich vor die Tür setzt. Ich habe niemandem davon erzählt, außer meinen Eltern. Ich bin es nämlich langsam müde, von allen Seiten Mitleid zu bekommen, ach mensch, und warum hat es denn diesmal nicht geklappt, ich möchte auf solche Fragen nicht antworten müssen. Meine Antwort lautet diesesmal: "Das wird dir die Schulleitung sicherlich besser erklären können als ich." Und dort wird man dann verweisen auf meine Verstöße gegen die Verschwiegenheit, durch all' die Interna, die ich hier in meinem Blog veröffentliche. Nur kurz vom rechtlichen Standpunkt: Es gibt Ausnahmen von der Verschwiegenheit, und ich habe meine Beiträge grundsätzlich abgetastet nach sensiblen Infos.

Ich glaube, ich bin ganz froh, dass ich rechtzeitig dort rausgekommen bin.

Montag, 24. Juni 2019

Der alte Mann und...

Nahrungsersatz?

...das Meer?! Glaubt hier ernsthaft jemand, dass diesem Blog ein Hauch literarisches Niveau zuteil wird? Keine Sorge, hier geht es wieder um ganz alltäglichen Wahnsinn, in diesem Fall um eine Tablettenbox aus dem Ein-Euro-Regal im rewe-Center, das früher irgendwann mal plaza war (die große Buba sagt "plaaaaahhhhhhsa" und veralbert damit die Busstimme, die "platzah" gesagt hat).

Jeder, der schon mal mit älteren Menschen zu tun gehabt hat, oder der auf regelmäßige Medikation angewiesen ist, kennt das - eine Box mit Fächern für jeden Tag der Woche, oder des Monats, wahlweise mit Unterteilungen in morgens - mittags - abends - nachts. Ich brauche keine Medikation, und sooooooooooo alt bin ich nun doch noch nicht (außer in den Augen einer gewissen fetten Schnecke).

Aber trotzdem alt genug und mit einem seltsamen Essverhalten, das mich dazu verleitet, Nahrungsergänzungsmittel zu futtern. Weil meine Nägel brechen, und was noch so alles auftaucht. Weil ich früher im Studium zu morgendlichen Beinkrämpfen geneigt habe, bin ich sowieso schon seit Jahren mit Magnesium und Calcium dabei.

Dennoch - genauso, wie ich gern das Essen vergesse, geht es mir auch mit der regelmäßigen Einnahme dieser Nahrungsergänzungsmittel. Gerade dreimal täglich an Kieselerde zu denken, das klappt bei mir nicht. Ist mir natürlich nie wirklich bewusst geworden, bis das große Splittern bei den Nägeln dann richtig losging.

Ich muss zugeben, dieser eine Euro für die Tablettenbox war eine großartige Investition. Durch diese kleinen Aufklapp-Deckelchen habe ich immer einen schnellen Überblick, ob ich eine Dosis veressen habe. Ich seh' schon, ich bin bald soweit für eine Schulbegleitung, und einen Tageszivi, und was weiß ich, was noch alles.

Ich könnte mich natürlich auch einfach ausgewogen ernähren...

Samstag, 22. Juni 2019

Fukte Drom

Gefangen in mir.

Ich baue mir meine Identität um mich herum wie ein kleines Haus. Ich ziehe Wände hoch, die heißen zum Beispiel "ich bin hochbegabt, ich darf komische Probleme haben" oder auch "ich gehe auf keinen Fall an eine Grundschule, mit den Kindern kann ich nicht arbeiten" oder "ich habe Angst vor Telefonaten". Kein Wunder, dass solche Wände aus einem Haus dann eher ein Identitäts-Gefängnis machen. Manchmal müssen solche Wände eingerissen werden, lieber einmal zuviel, als einmal zu wenig.

Vor etwas über zwanzig Jahren, Berlin, in der S-Bahn (Linie 45) nahe Schöneweide. Ich fahre mit meinem Cousin und meiner Cousine nach Hause, und wie bei so vielen anderen S-Bahnzügen auch, so ist auch an unserem Sitzplatz das Fenster mittels Münzen zerkratzt worden, um Botschaften an die Fenster zu bringen. Fuck the Norm! hat da ein kreativer Mensch hingekratzt. Meine Cousine liest das, kann aber noch kein Englisch, und erzählt, dass da "Fukte Drom" steht. Zugegeben, die Buchstaben waren auch noch etwas schräg, nicht leicht zu entziffern für ein Kind.

An genau diese Zugfahrt musste ich heute denken, als ich mir den Film American Beauty (1999) angeschaut habe. Eine amerikanische Kernfamilie, wie sie im (Horrordreh)Buche steht: Mutti absolut perfekt, fröhlich, aufgesetzt, künstlich, Vater innerlich tot, midlife crisis, Tochter möchte unbedingt normal sein und mit normalen Menschen zu tun haben (und spart für eine Brust-OP). Kevin Spacey sagt zu Beginn in einem voiceover, dass wir nun ihn kennenlernen werden, ein halbes Jahr vor seinem Tod - obwohl er eigentlich schon tot sei. Innerlich verkümmert, motivationslos. Erst, als er am Ende des Films erschossen wird, hat er wieder richtig gelebt.

Geht mir gar nicht um den Film hier, sondern um eines der Themen, die beleuchtet werden, nämlich das Ausbrechen aus der Norm, aus dem Identitätsgefängnis, das man sich gebaut hat, ausbrechen und zu der "wahren" Identität zu stehen. In meinem Fall könnte das zum Beispiel heißen, dass ich keine Stellenangebote von Grundschulen ablehnen sollte, nur weil es Grundschulen sind. Herr Leinhos kann da arbeiten, das kann ich bestimmt auch. Und auch die Wand der eigenen Probleme wegen Hochbegabung/Autismus-Verhalten, anstatt mir selbst leid zu tun, anstatt mir nichts mehr zuzutrauen, sollte ich einfach mal wieder Aktivität zeigen.

Am Ende des Films merken wir, dass die Charaktere allesamt nicht normal sind, und es wird die Frage gestellt, ob es so etwas überhaupt gibt. Und eine Botschaft ist, dass wir zu unseren quirks stehen sollen, wir sind nicht normal, und uns geht es wesentlich besser, wenn wir nicht krampfhaft versuchen, in unserem Leben eine künstliche Normalität zu erzeugen.

Der Film hat wirklich gut getan, manchmal braucht man solche Motivationshilfen. Norm? Fuck the Norm! oder genauer: Fukte Drom!

Donnerstag, 20. Juni 2019

Über Eck

Es ist heiß...

Die letzten Tage waren hier in der Wohnung unerträglich heiß. Moment, Korrektur: Ich habe es ja ertragen. Ich habe damit kein Problem mehr, ich habe gelernt, damit umzugehen. Trotzdem war es großartig, dass es gestern Abend ordentlich gestürmt und geknallt hat, Gewitter und Wassermassen da draußen, das hat die Luft gereinigt und deutlich abgekühlt. Das hat für eine sehr erfrischte Nacht gesorgt, großartig, so konnte ich fast komplett ohne Ventilator Twin Peaks (Season 3) (2017) zu Ende schauen.

Mir wird dieser Tage wieder deutlich bewusst, wie praktisch es ist, eine Eckwohnung zu haben. Wenn ich abends die Fenster gen Südosten und jene gen Südwesten weit öffne, zieht es oft herrlich über Eck durch die Wohnung, sehr erfrischend, und deswegen bleiben die Fenster auch die meiste Zeit geöffnet.

Ich hoffe, Ihr kommt gut mit der Hitze klar? Ich bin endlich wieder auf leichteres Essen umgestiegen, a.k.a. Tomate&Mozzarella&Ciabatta, das Ganze in Knoblauchöl ertränkt, und mir wird bewusst, wie sehr ich das vermisst habe. Ich könnte das jeden Tag essen. "Brauchst du nicht mal ein bisschen Abwechslung?" Nein, brauche ich nicht. So langsam frage ich mich immer mehr, wie stark meine autistischen Verhaltensweisen eigentlich ausgeprägt sind - aber das ist Thema für einen anderen Beitrag.

Interessant, dabei fällt mir auf, dass es immer der Mozzarella von Galbani sein muss, und immer Cherry-Rispentomaten, und unbedingt nur das rewe-Ciabatta, weil das zwar teurer, aber echt fantastisch ist. Und das Knoblauchöl von Mazola, nur leider finde ich das nirgendwo mehr. Egal, unser neues Rewe-Center sollte ab morgen Neueröffnung haben, mal schauen, ob es das da gibt. Es geht mir hier gar nicht um Schleichwerbung für Marken, sondern darum, wie wichtig mir das zu sein scheint, dass es nur diese Zutaten sein sollten.

Naja. Jetzt zieht der Knoblauchduft erstmal aus der Wohnung ab, und zwar über Eck.

Montag, 17. Juni 2019

Jederzeit bereit


Ihr seid herzlich eingeladen, diesen Eintrag als Selbstbeweihräucherung zu sehen (denn ich werde hier eine Schülerrückmeldung nach Absprache veröffentlichen), aber es geht mir um etwas ganz Anderes. Es geht mir für den heutigen Zweck gar nicht so sehr um den Inhalt jener Mail, die ich heute erhalten habe, sondern um die Art und Weise, wie sie geschrieben wurde.

Sie kommt von einer Schülerin, die ich vor Jahren unterrichtet habe. Wie Ihr lesen könnt, geht es wieder um einen "Eine neue Tür geöffnet"-Fall, Klaus liest das jetzt gerade und sie schmunzelt, denn sie kennt das.

Hochbegabte Menschen zu "entdecken", ist nicht ganz einfach, gerade wenn es sich um Underachiever handelt, die ihr Potential nicht nach draußen tragen - das kann unterschiedlichste Gründe haben, kein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Probleme mit dem Selbstbewusstsein, der Wunsch, bloß nicht auffallen zu wollen (weil man ja irgendwie anders ist). Dazu gehört, dass man ihnen Möglichkeiten gibt, zu strahlen, und dass man selbst jederzeit bereit ist, etwas Außergewöhnliches von einem Schüler zu bekommen. Jederzeit. Denn den perfekten Moment gibt es nicht.

Eine dieser Möglichkeiten - zu strahlen - ist die Gedankenreise, über die ich vor gut zwei Jahren einmal geschrieben habe. Denn da haben Schüler die Möglichkeit, einen eigenen Text zu kreieren, völlig ohne Vorgaben hinsichtlich Länge, Inhalt, Ausdruck, und für einen Underachiever ist das, als würde der Lehrer ihm die Hand reichen und sagen "Halte dich nicht zurück, zeig uns, was du drauf hast!" Es ist immer wieder ein tolles Erlebnis, wenn ich so etwas beobachten darf.

Und deswegen muss ich trainieren, jederzeit bereit zu sein. Unabhängig von der Jahreszeit, unabhängig von der Uhrzeit. Egal, ob ich müde bin oder wach. Egal, ob da ein Junge oder ein Mädchen sitzt. Egal, wie die Leistungen in den anderen Fächern sein mögen.

Bitte gebt jedem Eurer Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, etwas Herausragendes zu leisten!

Hallo Dr Hilarius,
Ich weiß nicht ob sie sich noch all zu gut an mich erinnern, aber sie sind mir dafür wie kein anderer Lehrer oder Lehrerin im Gedächtnis geblieben - und das im positivsten Sinne.


Damals als sie in unsere Klasse gekommen sind, befand ich mich in einer sehr schwierigen Zeit. Mich selber zu finden und zu wissen was, wer und wie ich bin hat mich viel Kraft und Selbstbewusstsein gekostet, doch dann kamen sie und haben dem ganzen tatsächlich einen Anstoß gegeben. Ich bin davor und auch danach nie wieder so gerne in den Unterricht gegangen wie bei ihnen. Nicht nur, weil sie mir das Gefühl gegeben habe, dass ich wirklich etwas kann und auch aufs Gymnasium gehöre, sondern auch weil ihre Lehrmethoden und ihr Charakter so anders waren, als all das, was uns die (meist) mittlerweile ihre Rente genießenden Lehrer*innen geboten haben. Menschlich war so viel mehr bei ihnen zu finden, als bei 90% der anderen Lehrer*innen. Ihr Unterricht war nie stumpf und langweilig, es hat sich immer mehr fast wie eine angenehme Freizeitbeschäftigung angefühlt, bei der man dann doch immer schlauer raus gegangen ist als man rein kam. Ich glaube auch nicht, dass ich solchen Spaß am Englisch sprechen haben würde hätte ich sie damals nicht im Unterricht gehabt. Sie haben da wirklich eine Tür für mich aufgeschlossen, wo ich den Raum der darauf folgt nur all zu gerne weiter erforschen möchte. Viel wichtiger, war für mich aber zu sehen, dass nicht alle Lehrer gleich sind. Man muss nicht so sein wie die anderen um trotzdem von den Schülern gemocht und respektiert zu werden, was mir so vorher gar nicht bewusst war, bzw etwas wovor ich viel zu ängstlich war um das auch nur mal in Betracht zu ziehen. Dahingehend, sind sie bis heute tatsächlich eine Art Inspiration für mich.


Es wird immer gesagt, dass Lehrer uns nicht nur unterrichten sollen, sondern uns auch aufs Leben vorbereiten sollen, uns mit Rat und Tat zur Seite stehen sollen, versuchen sollen, dass Beste aus uns raus zu holen, uns gewisse Sicherheit zu geben und uns anregen sollen unsere Talente/unser können zu vertiefen und auszubauen, und das hat in meiner Schullaufbahn niemand so geschafft wie sie. (Natürlich muss man da aber auch im Hinterkopf behalten, dass Lehrer auch nur Menschen sind und keine Superkräfte haben)


Ich erinnere mich immer noch all zu gerne an Sie und ihren Unterricht und habe sie auch immer im Hinterkopf gehabt, wenn ich nochmal Mulholland Drive geschaut habe. Sie waren einer der Besten Lehrer die unserer Schule je passiert sind und haben wahrscheinlich nicht nur meine Schullaufbahn so bereichert und geprägt. Ich habe tausende Dinge im Kopf für die ich mich bei ihnen bedanken möchte, jedoch finde ich kaum die passenden Worte, kann meine Gedanken nicht vernünftig ausformulieren und so tief soll die Thematik der Mail ja auch gar nicht gehen.


Ich hoffe, dass wo auch immer es sie hingetragen hat, sie glücklich gemacht hat und zufriedenstellend war/ist. Und vielleicht haben sie ja ab und zu an uns zurück gedacht.

Ich habe tatsächlich seit drei Jahren darauf gewartet ihnen das zu schreiben wenn ich mein Abi habe und jetzt ist die Zeit ja endlich da :D (das Abi hab ich zwar geschafft, aber Kommas sind immer noch nicht meine besten Freunde😄). Vielen vielen Dank nochmal für den besten Englischunterricht meines Lebens und alles was sie mir nicht nur im Unterricht sondern auch fürs Leben außerhalb der Schule mitgegeben haben.

Samstag, 15. Juni 2019

Zeugnisübergabe


Ich finde Schüler-Verabschiedungen toll.

Wenn sich die jungen Damen und Herren richtig aufbrezeln, besonders die Frauen, und man seine ehemaligen Schüler einmal ganz anders kennenlernen kann. Wenn sogar Kandidaten, die es nicht geschafft haben, erscheinen, um ihren Mitschülern zu gratulieren. Und erst von Seiten der Schule: Wenn Reden gehalten werden, die mit Herz geschrieben und vorgetragen werden. Wenn es in den Reden im Kern um die jungen AbsolventInnen geht, um nichts Anderes. Wenn diese Reden positiv formuliert sind, wenn man stets das Gute hervorhebt, auch wenn manche Phasen nicht leicht gefallen sind. Wenn diese jungen Menschen strahlend für die Fotos zusammenstehen. Wenn die Schulleitung ihre Schützlinge persönlich in die wilde, weite Welt entlässt.

Wenn das passiert, das finde ich ganz toll.

Justin, ich weiß nicht, ob Du das hier liest, oder ob sich der Beitrag per Buschfunk bis zu Dir durcharbeitet - in jedem Fall möchte ich Dir für die sehr persönliche Rede danken. Dass Du mich darin erwähnt hast, hat mich sehr gerührt; das gibt mir wieder eine kleine Versicherung, dass ich nicht alles falsch mache (und es war besonders schön, weil... naja, Du kennst ja die Umstände). Es war eine gute Entscheidung, zu Eurer Verabschiedung zu gehen.

Und eigentlich war es so geplant, dass ich heute gleich zum nächsten Event gehe. Haare frisch gefärbt, kurzer Besuch bei Tina unten ("Ab mit dem Kopf!"), tolles Outfit zurechtgelegt, Schuhe extra geputzt, Metallic-Haarspray, um nicht ganz so normal zu wirken, Schmuck... das war der ursprüngliche Plan, denn heute feiert meine damalige neunte Klasse der Nordseeschule in St.Peter-Ording ihren Abiball. Als mich einer meiner ehemaligen Schüler angeschrieben und eingeladen hat, die Schüler mir sogar die Eintrittskarte geschenkt und extra zugeschickt hatten, das hat mich mit Stolz und ein wenig Nostalgie (Heim-Weh, quasi, Herr Leinhos kennt das) erfüllt.

Und dann gab es den sinnvollen Tipp, vor der knapp zweistündigen Autofahrt heute etwas zu Mittag zu essen. Eigenlich eine sinnvolle Idee, aber wenn man sich so sehr an intermittierendes Fasten gewöhnt hat, dass man normalerweise erst ab achtzehn Uhr etwas isst, dann kann so ein Mittagessen den Körper überfordern, a.k.a. Übelkeit. Gibt ja diverse Mittelchen dagegen, Pfefferminz- und Ingwertee hatte ich hier, oder Iberogast - aber letztlich hat mir nur das gute alte Diphenhydramin geholfen. Blöd nur, dass es - wie so viele der Antihistaminika der ersten Generation - müde macht.

Kombiniert mit dem Umstand, dass ich vor ein paar Jahren zu genau dieser Jahreszeit und diesem Wetter einen Autounfall hatte, habe ich mich nicht getraut, mich an's Steuer zu setzen.

Die jungen Erwachsenen machen sicherlich gerade die Tanzfläche unsicher, und ich hoffe, das es viele Fotos gibt, weil ich sehen möchte, wie sie sich zurechtgemacht haben (siehe oben). Und ich versuche, mit einer ehemaligen Kollegin eine Art Get Together für die Schüler und uns zu veranstalten, an dem wir vielleicht alle nochmal grillen können. Und dann fahre ich einen Tag früher an die Westküste.

Stolz wie Mama und Papa, wenn die eigenen Schüler in die Welt hinaus ziehen.

Donnerstag, 13. Juni 2019

Don't talk to me!

Sorry, heteronormativ, ich weiß...

Ganz alltägliche Situation: Man geht durch die Stadt, Einkäufe erledigen, düt un dat. Doch plötzlich, da vorne, steht ein Bekannter. Vielleicht schon ewig nicht mehr gesehen, und man freut sich und nutzt die Chance, Updates auszutauschen. Das ist doch eigentlich ein schönes Ereignis.

Eigentlich. Uneigentlich sieht es in meinem wirren Kopf anders aus: Ich habe meinen Tagesablauf komplett im Kopf, rattere mein imaginäres Drehbuch ab, gehe zielstrebig von Edeka zur Bushaltestelle und so weiter. Im Kopf bin ich schon drei Schritte weiter. Läuft.

Und dann sitze ich im Bus, im hinteren Bereich, und entdecke jemanden, den ich seit Jahren nicht gesehen habe, eine damalige Kommilitonin. Ein ganz toller Mensch, der sich richtig für andere Studenten eingesetzt hat, und nun sitzt sie da, im vorderen Bereich, meine Blickrichtung, schaut aus dem Fenster. Ich könnte hingehen und Hallo sagen, und dann steigen wir aus und unterhalten uns ein bisschen darüber, was so alles in den letzten Jahren passiert ist.

Aber das greift in meinen Tagesplan ein. Ich möchte einfach nur mit dem Bus von A nach B kommen, schnell, und fühle mich nicht bereit für ein Gespräch. Soziopath und so. Ich schaue mehrfach zu ihr, versichere mich, dass sie es auch wirklich ist, und sobald sie den Kopf ein bisschen bewegt, schaue ich schnell woanders hin. Keinen Blickkontakt herstellen. Denn ansonsten wäre es unhöflich, trotz Wiedererkennens nicht kurz miteinander zu kommunizieren.

In meinem Kopf hämmert es "Schau nicht zu mir, steig an der nächsten Haltestelle aus, vielleicht stellen sich ja ein paar weitere Fahrgäste in die Blicklinie", und so bin ich plötzlich angespannt und nervös. Zu einem Anlass, der doch eigentlich nett ist. Und dann steigt sie aus, puhhh, erleichtert, ich bin drum herum gekommen. Und fühle mich ein bisschen schlecht.

Sorry, Catrin, bitte nimm' es nicht persönlich!

post scriptum: Meine Schüler sind zur Zeit im Praktikum, und so habe ich etwas mehr Zeit; fast schon wie vorgezogene Ferien. Aber nur fast, denn natürlich betreue ich ein paar der Praktikanten von Schulseite aus. Etwas mehr Zeit für Genuss, soll das heißen, und so habe ich letzte Nacht begonnen, mir die dritte Staffel "Twin Peaks" anzuschauen. Ich habe sie bisher erst einmal gesehen - und auch darüber berichtet - und wollte mich endlich mal wieder in die neue verrückte Welt des David Lynch fallen lassen. Achtzehn Stunden Kunstwerk, in handlichen Stundenportionen aufgeteilt. Großartig!

Mittwoch, 12. Juni 2019

Blau


ohne Worte







post scriptum: Entschuldigt, dass schon wieder so eine lange Pause im Blog herrscht. Und dann kommt ausgerechnet so ein komischer Eintrag - aber der wird vielleicht irgendwann Sinn ergeben, und bis dahin versuche ich mal wieder etwas regelmäßiger zu schreiben.

Freitag, 7. Juni 2019

Annie Kay Klaus Dingsens

Die Frau hat 'nen Knall - zum Glück!

Hey AKKD (nicht zu verwechseln mit der CDU-AKK),

Du schreibst, Du freust Dich drauf, von mir zu hören, egal ob per Mail, Blog oder was auch immer. Dann mache ich das jetzt mal hier. Ich weiß, Du wirst das witzig finden - genauso wie ich Deine Mails immer ziemlich witzig finde. Ich muss einfach nochmal feststellen, dass Du einen ziemlich genialen Schreibstil hast - ich könnte Dir empfehlen, das Buch Es gibt hier nur zwei Richtungen, Mister von Reinhold Ziegler zu lesen. Hat mich durch die Jugend begleitet, dann durch das Studium, die Geschichte eines Aussteigers, der eigentlich nur einen kurzen Urlaub in den USA machen will - und dann dort bleibt. Verdammt gutes Buch, und sogar jugendfrei.

Ich werde zur Zeit ansatzweise zugespammt von einer Schulleiterin, die eine volle Vertretungsstelle ausgeschrieben hat, mit nur geringer Einschränkung hinsichtlich der Fächerkombination. Mail Zwei hat dort noch ein Fach hinzugefügt. Mail Drei hat die volle Stelle dann zu Teilzeit korrigiert, Mail Vier hat die Ausschreibung dann komplett zurückgenommen, Mail Fünf hat sie erneut ausgeschrieben, mit einer Fächerkombi, die ich nicht habe, und heute kam Mail Sechs - "Da sie sich nicht gemeldet haben, gehe ich davon aus, dass sie kein Interesse haben und streiche sie von der Auswahlliste."

Warum war ich auf dieser Auswahlliste?

Whatever. nota bene: Absagen haben immer einen Vorteil: Man gewöhnt sich langsam dran. Oh, und ich habe einen Deiner Mitschüler neulich im Bus getroffen, irgendwie verliert man die Gesichter dann doch nicht so schnell aus dem Gedächtnis. Und ich finde Deine Gewandtheit mit der MiniSchreibtischlampe (sic) großartig, hin und wieder denkt man doch mal ganz pragmatisch.

Auf meiner Seite wenig Neues, allerdings habe ich heute einen tollen Film gesehen - der stand schon seit Jahren auf meiner To Do-Liste, dann habe ich herausgefunden, dass er sogar einer von Roger Eberts Great Movies ist, habe dann bei Amazon prime ewig danach gesucht, nie gefunden, gehofft, dass er doch irgendwann mal auftaucht, und heute kam das dann völlig überraschend: Der Film war verfübar - und so habe ich mich in Alejandro Jodorowskys Santa Sangre (1989) gestürzt, die Geschichte eines Jungen, der etwas Schlimmes mitansehen muss, und wie sich das auf ihn im Erwachsenenalter ausgewirkt hat.

Der visuelle Stil ist überwältigend, es gibt unglaublich viel zu sehen - passt auch, weil der Junge zu einem Zirkus gehört. Da gibt es Liliputaner, Drag Queens, Tattoo-Ladies, Zauberer, und der Film ist deswegen so faszinierend, dass er seine Geschichte fast ausschließlich durch Bilder erzählt, fast mit einer Traumlogik - es ist ein surrealer Film, und während der ersten Stunde habe ich verzweifelt versucht, die Teile in meinem Kopf zu einem Bild zusammenzusetzen - vergeblich - aber die zweite Stunde hat dann alles zurechtgerückt. Ganz toll, ich brauche die Bluray!

Um Deine Worte zu benutzen: Ich-liebe-Sommer-und-auch-das-ist-keine-Ironie-Grüße vom altbekannten Hügel! - auch hier, wobei ich nicht vom Hügel, sondern aus dem dritten Stock grüße. Danke für den netten Blogimpuls!

DrH

Donnerstag, 6. Juni 2019

Vor Gericht

Marlene Dietrich in Agatha Christies Witness For The Prosecution (1957)

Ich werde engstirnig, ich setze mir Scheuklappen auf. Ich sage mir "Meine Lieblingsgenres sind Horror oder Science Fiction, also möchte ich auch bitte nur Filme aus diesen Kategorien sehen" und beraube mich dadurch einer Vielzahl toller Kunstwerke. Immer wieder merke ich, wie ich zur Engstirnigkeit tendiere, und immer wieder muss ich mich öffnen gegenüber Neuem.

Wobei, so neu ist das gar nicht. Gerichtsfilme haben mich schon früher interessiert; im Englischen nennt man sie courtroom drama. Ich finde es faszinierend, wie dort mit Beweisen ganz logische Zusammenhänge erstellt werden, ich finde flammende Plädoyers großartig, ich bin total begeistert davon, ein und denselben Fall aus zwei völlig unterschiedlichen Blickwinkeln zu erleben, wie zum Beispiel in Primal Fear (1996). Das hält mir immer wieder vor Augen, wie unterschiedlich Sachverhalte sich darstellen können, und wie wichtig es ist, dass et altera pars audiatur, dass auch die andere Seite angehört werden soll. Und vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich freue, wenn in diesen Filmen die Gerechtigkeit siegt. Gerade wenn es im eigenen Leben vielleicht nicht so sein mag, so kann einem das etwas Mut machen.

Manche Gerichtsfilme gehören zu den besten Filmen aller Zeiten, und das nicht ohne Grund. Und nun mag jemand sagen "Ja, aber es ist doch immer das Gleiche - Verbrechen, Anhörungen, Kreuzverhör, Plädoyers, Urteil", aber manche Filme nutzen ganz unterschiedliche Schwerpunkte. So konzentriert sich zum Beispiel Sidney Lumets 12 Angry Men (1957), ein Lehrstück für Filmdramaturgie, allein auf die Sitzung der zwölf Geschworenen, die ein Urteil über einen Jungen fällen sollen, der des Mordes angeklagt ist. Neunzig Minuten in einem einzigen Raum, hochspannend.

Oder im beeindruckenden Michael Clayton (2007), der auf Pharmaskandale in den USA anspielt, bzw. die Glyphosat-Geschichte, wo es gar nicht zur Gerichtsverhandlung kommt, sondern es um die Bemühungen des Anwalts geht, die Wahrheit herauszufinden. Heute gab es ein courtroom drama, das von der Struktur her ganz klassisch war - Verbrechen, Anklage, Urteil - aber seinerzeit einen sehr mutigen Schritt gegangen ist, weil es um eine Vergewaltigung ging, explizit, und mit der Frage, ob sich Dabeistehende, die den Täter anfeuern, auch strafbar machen. Jodie Fosters erste große Erwachsenenrolle, nicht ohne Grund mit dem Academy Award ausgezeichnet worden, damals in The Accused (1988).

Mein erster Film dieser Art war damals A Few Good Men (1992), Jack Nicholson in seiner Paraderolle als Bösewicht, und ich weiß noch, wie spannend ich es fand, der Beweisführung zu folgen, und wie ich selbst im Kopf mein eigenes Plädoyer durchgegangen bin. Das scheint mich zu faszinieren, und das ist mir spätestens dann wieder bewusst geworden, als ich den Sohn einer Kieler Richterin unterrichtet habe.

Ich bin froh, dass ich mal wieder aus meinen Horror-/SciFi-Scheuklappen ausbrechen kann.

post scriptum: Ob der olle Cicero wohl seinen Anteil an meiner Begeisterung für Rechtsfälle hat?

Mittwoch, 5. Juni 2019

Neue Freunde


"Duschbrausen gibt's bei Rossmann, hab' da auch gerade erst eine geholt", so lautete der nette Rat der Sannitanic, als ich im Blog von meiner Unfähigkeit im Umgang mit Badarmaturen berichtet hatte. Daraufhin hat die große Buba geantwortet, dass das nicht für Citti gelte (diesmal richtig geschrieben), wo wir am Samstag auf der Suche waren. Seither habe ich noch drei weitere Rossmänner abgeklappert, im plaza, das bald nicht mehr plaza heißt, im Sophienhof und am Alten Markt, jeweils ohne Erfolg. Dabei war ich mir auch selbst so sicher, dass es dort sowas geben müsste.

Die Holtenauer Straße hat sich heute endlich wieder einmal ausgezahlt, denn dort habe ich nicht nur Duschkopf und Dichtungsringe für acht Euro bekommen, sondern noch einen weiteren neuen Freund in der Wohnung, der nach dem gestrigen Beitrag On Fire umso willkommener ist: ein kleiner, unauffälliger, aber herrlich erfrischender USB-Tischventilator, Acht Neunundneunzig. Macht sich wunderbar neben meinem Notebook, hilft, falls die Denkmaschinen mal wieder heißlaufen sollten. Die große Buba hat sowas natürlich schon längst, aber ich höre mal wieder nicht auf Tipps, die Andere mir geben, sondern muss wieder ganz allein in das Home Improvement stolpern.

Wär' ja auch sonst zu einfach.

Dienstag, 4. Juni 2019

On Fire

Da schmilzt fast das Bild von der Wand herunter...

Letztes Wochenende gab es grandioses Wetter, der Sommer naht. Das markiert eine Schwelle in meinem Jahr, denn ab jetzt wird meine Wohnung zu einem Backofen. Ich habe darüber auch schonmal geschrieben, Stichwort Dachschrägen und so, und dann fragen die Leute immer "Wie hältst du es da nur in der Wohnung aus?" - und ich antworte, dass es gar nicht so sehr um's Aushalten geht, als vielmehr um's Genießen.

Buddhismus lehrt uns, überall etwas Positives zu sehen, anstatt sich zu beschweren über Umstände, die vielleicht mal nicht optimal sind. Pema Chödrön hat das in ihrem kleinen Vortrag This Lousy World ganz gut beschrieben. Und da mich Extreme reizen, finde ich es immer wieder spannend, den Sommer in dieser Wohnung zu erleben.

Sicher, ich schwitze. Und ich könnte auf dem Fußboden eine Pizza backen. Und alle Sitzgelegenheiten sind mit Handtüchern ausgelegt. Aber gleichzeitig kehrt auch eine gewisse Freiheit in die Wohnung ein. In dieser Phase des Jahres trage ich zuhause keine Kleidung mehr, und das fühlt sich unglaublich befreiend an. Mehr jedenfalls, als ich es in Worte fassen könnte. Das verstärkt das Gefühl von "Das ist mein Zuhause, hier kann ich leben, wie ich es möchte", und weil es ein Dachgeschoss ist, geht das besser als in der Ludwig-Ohlsen-Straße in Husum, wo ich während meines Referendariats gewohnt habe. Das war eine Erdgeschosswohnung - oder Hochparterre? memoria me deficit - dort hätte ich mich nicht wirklich frei gefühlt, sondern einfach nur beobachtet. Das hat ja auch die Kronshagener Berge zu einem so tollen Ort gemacht.

Sicher, die Fenster stehen offen, fast vierundzwanzig Stunden am Tag, und dadurch dringt der Verkehrslärm nach oben, aber gerade in den letzten Wochen habe ich gemerkt, dass der Verkehr eine wunderbare Beschallung für mich ist, während ich lese. Kaum zu glauben.

Das Leben im Dachgeschoss fühlt sich im Sommer einfach unbeschwert an

Und die Handtücher sind schnell gewaschen.

Montag, 3. Juni 2019

Schattenseiten

Lernbegleiter der Schüler, schön und gut, aber nicht mehr so schön, wenn man schließlich den Strick knüpfen muss...

Schön wäre es gewesen, hätte ich Schattensaiten mit einem a schreiben können, denn dann würde ich Euch jetzt von einer kleinen originellen Hörspielserie erzählen, die als Uni-Projekt begonnen hat und einen großen Handlungsbogen über neun Teile erstreckt, ein Hauch Studenten, ein Hauch Fantasy, und ich könnte schmunzeln, wenn ich all' das schriebe. Aber es muss auch mal anders gehen.

Ich liebe die Arbeit mit Schülern, ich finde es ganz toll, wenn ich den Eindruck bekomme, dass Schüler sich weiterentwickeln und dass mein Unterricht nicht umsonst war. Es gibt Schulen, die nennen das Konzept Unser Ziel - Ihr Lernerfolg, und damit kann ich vollkommen mitgehen. Ich habe irgendwann im Referendariat gemerkt, dass ich eine Unterrichtsstunde dann für erfolgreich erachte, wenn die Schüler reicher aus dem Unterricht hinausgehen, als sie hereingekommen sind. Das passiert oft, und das macht mich glücklich.

Einer dieser Instanzen werde ich in Bälde erleben, denn ich bin von meiner damaligen Englischklasse an der Nordseeschule in St.Peter-Ording zum Abiball eingeladen worden. Nun könnte ich sagen, okay, ich mag ja nicht solche vollen Veranstaltungen, und außerdem ist ausgerechnet an dem Abend die Lost Souls in Kiel. Das kann ich aber alles beruhigt beiseite wischen, denn ich will unbedingt meine Schüler von damals wiedersehen - von der Schule, die den wohl wichtigsten Wendepunkt in meiner Laufbahn markiert hat. Ich möchte sehen, wie groß sie geworden sind. Ich möchte ihnen zum bestandenen Abitur gratulieren und ein bisschen in Erinnerungen schwelgen. Und ich möchte eine Freundin aus dem Studium wiedersehen, die dort unterrichtet.

Allerdings kann es durchaus sein, dass etwas weniger Schüler das Abi erreicht haben, als damals in die Klasse gegangen sind. Das bringt mich zu den Schattenseiten des Lehrerdaseins - nämlich Schülern mitzuteilen, dass ihre Leistungen nicht ausreichend sind. In Klausuren ist das nicht so schwer; da muss ich nicht (unbedingt) von Angesicht zu Angesicht mit den Schülern reden, ich kann da eine Fünf oder Sechs drunter schreiben und die Sache ist erledigt. Und ich habe mich langsam auch ein bisschen daran gewöhnt, mal eine Fünf im Zeugnis zu geben, oder eine Sechs, falls nötig. Es gibt ja immer diese wunderbare Chance für Schüler, Noten auszugleichen.

Aber was ist, wenn das nicht möglich ist? Was ist, wenn von Deiner Note abhängt, ob der Prüfling einen Schulabschluss schafft oder nicht? Mir geht das durch Mark und Bein, und belastet mich. Ich habe genau diesen Fall vor einigen Jahren an einer meiner ersten Schulen erlebt, als ich quasi die Schullaufbahn eines Kandidaten abgebrochen habe.

Das ist ein grausames Gefühl. Da kann ich mir noch so oft sagen, naja, es lag ja am Schüler, und nicht an meiner Vorbereitung, aber alles Rechtfertigen hilft nichts, es ist ein saures Gefühl. Ein Kollege hat es ganz treffend formuliert: Solche Prüfungsergebnisse sind ja in der Regel nicht vollkommen überraschend, da sind im Lauf der Schuljahre schon einige Dinge schiefgegangen, aber es ist mies, wenn man den Gnadenstoß versetzen muss. Wenn man das Ende einer Kette von nicht ausreichenden Leistungen darstellt.

Ein Horror, und wie schlimm ist es dann erst, wenn man es dem Prüfling in's Gesicht sagen muss? "Es tut mir leid, Detlef-Telse, aber die Leistungen in meinem Fach waren nicht mehr ausreichend. Und du weißt, dass du damit in diesem Durchgang keinen Abschluss erreicht hast."

Mag ja sein, dass es Lehrer gibt, die gern schlechte Noten geben oder Schüler niedermachen, oder aber einfach kein Problem damit haben, aber so abgebrüht bin ich dann doch nicht.

Kennt Ihr das Gefühl?

Samstag, 1. Juni 2019

Auf zu Titti-Tank!

Let's go shopping!

Ich realisiere, dass Titti-Tank wie ein Sexspielzeug klingt - dabei geht es heute um was ganz Anderes, nämlich eine weitere Episode aus der Reihe "Hochbegabung als Behinderung".

Seit ich in meine aktuelle Wohnung eingezogen bin, vor gut fünf Jahren, habe ich den originalen Duschschlauch und Brause im Bad. Das hat zwar hier und da mal geklemmt, aber hat ja funktioniert, wunderbar. Mit den Jahren kommt immer mehr Kalk hinzu (Kiel hat extrem verkalktes Wasser), setzt sich ab, und langsam wird der Gummischlauch dann brüchig. Das merke ich daran, dass eines Tages bei'm Duschen das Badezimmer Einiges an Wasser abbekommen hat: Der Schlauch ist kaputt, bricht langsam auf.

Kein Problem, sage ich mir, ich hole einfach neues Equipment aus dem Baumarkt. Gesagt, getan. Aber dann schaffe ich es nicht, den alten Schlauch von der Badewannenarmatur zu lösen. Ich versuche es mit diversen Zangen, zerstöre dabei aber nur die Oberfläche der Armaturen. Nun könnte ich natürlich einfach eine große Rohrzange nehmen, mit mehr Hebelwirkung und Grip, aber die habe ich nicht. Okay, okay, dreihundert Meter die Hamburger Chaussee runter ist ein Werkzeugfachmarkt, Der Neue Eisenhenkel. Dann gehe ich einfach mal dahin, hole mir eine neue Rohrzange, und schon kann ich den Schlauch austauschen, keine Überflutung mehr im Bad. Gar kein Problem...

...sollte man denken, aber ich bin nicht man. Ich müsste dazu in ein neues Geschäft hineingehen, das ich nicht kenne. Ich weiß nicht, wer dort arbeitet, und zu welchem Regal ich gehen muss. Und wahrscheinlich gibt es dann auch noch unterschiedlich große Rohrzangen, und ich stehe dann wie dumm vor dem Regal und mag nicht um Hilfe bitten. Und ich weiß auch gar nicht, wie teuer das wird und ob ich über's Ohr gehauen werde. In den Laden gehen kommt also überhaupt nicht in Frage.

Stattdessen nehme ich Klebeband und verklebe die offenen Stellen im Duschschlauch gründlich, mehrfach, bis der Schlauch fast doppelt so dick ist. Na siehste, geht doch, ich muss gar nicht in den Werkzeugmarkt gehen.

"Irgendwie klappt es ja" - der Dauerbrenner des Sich-Selbst-Im-Weg-Stehens.

Gestern habe ich es dann endlich mal geschafft, Initiative zu ergreifen, bin zum DNE gegangen, habe mir eine Rohrzange besorgt, und eine Stunde später ist der Schlauch ausgetauscht. WARUM muss ich es mir immer selbst so schwer machen? Immer diese ganzen Bedenken...

Ich könnte nun natürlich auch noch berichten, wie es zu dem Titel des Beitrags kam. Heute sind die große Buba und ich zu Citti gefahren, in der Hoffnung, eine neue Brause für das Bad zu finden (hat nicht geklappt). Als ich DGB angeschrieben habe, wollte ich eigentlich schreiben: "Hey, hast Du Lust, morgen einmal mit zu Zitti zu fahren?" Aus irgendeinem Grund spreche ich das Einkaufszentrum gern mit einem stimmlosen, alveolaren Affrikat aus. Dann allerdings hat mein Wurstfinger einmal neben das Z gelangt, und schon habe ich DGB zu Titti eingeladen. Und dann ist da diese Tankstelle, Citti-Tank, und natürlich können wir nichts Drolliges in Ruhe lassen, und so wurde daraus der Titti-Tank.

Ferienreif?