Marlene Dietrich in Agatha Christies Witness For The Prosecution (1957) |
Ich werde engstirnig, ich setze mir Scheuklappen auf. Ich sage mir "Meine Lieblingsgenres sind Horror oder Science Fiction, also möchte ich auch bitte nur Filme aus diesen Kategorien sehen" und beraube mich dadurch einer Vielzahl toller Kunstwerke. Immer wieder merke ich, wie ich zur Engstirnigkeit tendiere, und immer wieder muss ich mich öffnen gegenüber Neuem.
Wobei, so neu ist das gar nicht. Gerichtsfilme haben mich schon früher interessiert; im Englischen nennt man sie courtroom drama. Ich finde es faszinierend, wie dort mit Beweisen ganz logische Zusammenhänge erstellt werden, ich finde flammende Plädoyers großartig, ich bin total begeistert davon, ein und denselben Fall aus zwei völlig unterschiedlichen Blickwinkeln zu erleben, wie zum Beispiel in Primal Fear (1996). Das hält mir immer wieder vor Augen, wie unterschiedlich Sachverhalte sich darstellen können, und wie wichtig es ist, dass et altera pars audiatur, dass auch die andere Seite angehört werden soll. Und vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich freue, wenn in diesen Filmen die Gerechtigkeit siegt. Gerade wenn es im eigenen Leben vielleicht nicht so sein mag, so kann einem das etwas Mut machen.
Manche Gerichtsfilme gehören zu den besten Filmen aller Zeiten, und das nicht ohne Grund. Und nun mag jemand sagen "Ja, aber es ist doch immer das Gleiche - Verbrechen, Anhörungen, Kreuzverhör, Plädoyers, Urteil", aber manche Filme nutzen ganz unterschiedliche Schwerpunkte. So konzentriert sich zum Beispiel Sidney Lumets 12 Angry Men (1957), ein Lehrstück für Filmdramaturgie, allein auf die Sitzung der zwölf Geschworenen, die ein Urteil über einen Jungen fällen sollen, der des Mordes angeklagt ist. Neunzig Minuten in einem einzigen Raum, hochspannend.
Oder im beeindruckenden Michael Clayton (2007), der auf Pharmaskandale in den USA anspielt, bzw. die Glyphosat-Geschichte, wo es gar nicht zur Gerichtsverhandlung kommt, sondern es um die Bemühungen des Anwalts geht, die Wahrheit herauszufinden. Heute gab es ein courtroom drama, das von der Struktur her ganz klassisch war - Verbrechen, Anklage, Urteil - aber seinerzeit einen sehr mutigen Schritt gegangen ist, weil es um eine Vergewaltigung ging, explizit, und mit der Frage, ob sich Dabeistehende, die den Täter anfeuern, auch strafbar machen. Jodie Fosters erste große Erwachsenenrolle, nicht ohne Grund mit dem Academy Award ausgezeichnet worden, damals in The Accused (1988).
Mein erster Film dieser Art war damals A Few Good Men (1992), Jack Nicholson in seiner Paraderolle als Bösewicht, und ich weiß noch, wie spannend ich es fand, der Beweisführung zu folgen, und wie ich selbst im Kopf mein eigenes Plädoyer durchgegangen bin. Das scheint mich zu faszinieren, und das ist mir spätestens dann wieder bewusst geworden, als ich den Sohn einer Kieler Richterin unterrichtet habe.
Ich bin froh, dass ich mal wieder aus meinen Horror-/SciFi-Scheuklappen ausbrechen kann.
post scriptum: Ob der olle Cicero wohl seinen Anteil an meiner Begeisterung für Rechtsfälle hat?
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