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Endlich sind wieder ein paar Dinge von meiner To Do-Liste verschwunden, an diesem sonnigen Montagmorgen, so friedlich, dass nicht einmal die Bienen Lust haben, sich in meine Wohnung zu verirren und mich in den Wahnsinn zu treiben. Stolz wische ich die Aufgaben, die nun erledigt sind, von der Wandtafel ab, zickzack, schnell mit dem Schwamm hin und her, und die eben noch dräuenden nervigen Aufgaben werden pulverisiert. Pulver, a.k.a. Kreidestaub. Der nach unten fällt, wie ich bemerke, und meinen Blick nach unten schweifen lasse: In der Tat, das waren nicht die ersten Aufgaben, die ich jemals von dieser Tafel getilgt habe - auf dem Fußboden, am Übergang zur Wand, hat sich mittlerweile eine kleine Kreidedüne angesammelt.
Naja, die kann ich ja schnell wegsaugen, und hole den Staubsauger aus der kleinen Kammer. Stecker in die Steckdose, einschalten, sanft dröhnt das Gerät in die alltägliche Geräuschkulisse, es ist ein lautes Rauschen, aber nicht so ein Getöse wie damals, zur Zeit des großen Sturms. Nicht zu laut, eher sogar ein bisschen zu sanft, bemerke ich, denn der Kreidestaub ist auch in die Ritzen zwischen den Holzdielen gefallen und ich muss ihn von dort herausbekommen. Also drehe ich die Stärke des Staubsaugers von Stufe drei - glatte Fußböden, kleinste Partikel - auf Stufe sechs rauf - Teppiche, tiefe Teppiche, verlorengegangene Essensreste. Das Dröhnen schwillt an, wird lauter, umfassender, ich bekomme kaum noch etwas mit und sehe, wie gnadenlos der Staubsauger die Kreidedüne vernichtet, wegsaugt, und nur einen strahlend sauberen Holzfußboden zurücklässt.
Wie wunderschön... fasziniert blicke ich dorthin, wo eben noch eine Kreidewüste geherrscht hat... und ich realisiere die Macht, die ich in meinen Händen halte. Ich muss die Wohnung durchsaugen... reinigen... ich... staubsaugen... saaaauuuUUUUUUHHHHHH!!! Ich stoße ein wildes Geheul aus, kann nicht mehr an mich halten, stürze mich wie eine verhungernde Kreatur auf den Staubsauger zu meinen Füßen und greife nach dem Stellrad. Stufe sieben - Sand, Mikropartikel... Stufe acht, die Verankerung knackt... Stufe neun - verlorene Kindheitserinnerungen - das Gerät ist nicht auf eine solch' implosive Macht vorbereitet... und noch weiter, bis ganz auf Stufe zehn - radioaktive Teilchen, Krieg im nahen Osten, menschliche Seelen, verschüttete Cornflakes - alles wird weggesaugt, und ich fange an, manisch zu lachen...
Wie ein Hexenmeister schwinge ich den Staubsauger herum und sauge alles auf, was meine Wohnung verunstaltet - Dreck, Teppiche, Bücherregale... Klassenarbeiten, Lebensmittel, Emotionen... die Sannitanic, die große Buba, Er...Meine Augen beginnen zu glühen, Laserstrahlen schießen heraus und scannen jeden Winkel der Wohnung auf irgendwelche aufsaugbaren Partikel ab, da vorne liegt noch ein Stapel Klausuren, der durch seine Vernichtung nur noch besser werden kann, und da hinten liegen meine Nerven - nichts widersetzt sich meiner Macht!
Endlich ist alles aus meiner Wohnung verschwunden, nur noch weiße Wände und der Holzfußboden, alles ist weg... fast... fast alles... und ich hebe den Staubsauger hoch... und blicke mitten in seinen alles verzehrenden Schlund, schwarz wie die Nacht, und spüre, wie ganz langsam, aber sicher, meine Seele aus meinem Körper gesaugt wird. Ich schließe die Augen, und während mein Denken langsam versagt, höre ich ein Klingeln, verzerrt... und ich realisiere, wie angenehm es sich anfühlt, endlich all' diese Gedanken loszuwerden, das Klingeln wird lauter, mein Kopf wird leerer, und schließlich gebe ich jeden Widerstand auf. Ich wehre mich nicht mehr... ...mmmhhhh...
...und beschließe, dem Klingeln ein Ende zu bereiten, indem ich endlich aufstehe und dem Postboten die Tür öffne. Und dann sollte ich wirklich mal die Wohnung durchsaugen...
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