Hochbegabte und ihre Kommunikation. Kein Wort zuviel. |
Er wartet.
Er sagt dem Kellner, dass er noch warten soll, bis die Verabredung eintrifft. Hochbegabter A sitzt in der Bar und wartet darauf, dass Hochbegabter B eintrifft, seine Verabredung zum Feierabendbier. Einfach mal ein bisschen abschalten. Die beiden kennen sich durch die Uni, sie kennen sich seit Jahren, und immer mal wieder wandert eine Mail vom Einen zum Anderen und zurück, und alle paar Jubeljahre sehen sie sich auf irgendeinem Event. Und nun haben sie sich also zu einem lockeren Gespräch verabredet.
A muss nicht lange warten, denn dort vorne kommt B angelaufen. Er geht langsam Richtung Bar, schaut sich um, ob A vielleicht irgendwo auf ihn wartet, und entdeckt ihn schließlich. A steht höflich auf und reicht B zur Begrüßung die Hand, die beiden setzen sich. A trinkt Bier, B trinkt Cola, und sie unterhalten sich ganz ungezwungen über die Ereignisse der vorangegangenen Wochen. Ganz unkompliziert. Sie lachen, schimpfen auf das System, erzählen von ihren Lebenswegen. Die Nachoschale leert sich zum Klang hochintelligenter Gedankengänge.
Und dann wird es Zeit zu gehen, denn sie sind schließlich berufstätig und brauchen etwas Schlaf. Wieder reicht A B die Hand - zum Abschied - doch diesmal zieht B ihn etwas heran und sie klopfen sich kumpelhaft auf die Schultern, bevor sie in getrennte Richtungen davonziehen. Der Kellner räumt die leeren Gläser beiseite, rückt die Stühle gerade und es wirkt, als wäre nichts Besonderes passiert. Ein ganz normaler Barbesuch.
Was der Kellner nicht weiß: Das waren zwei Hochbegabte, und auch wenn von außen alles ganz normal aussah, ist in den Köpfen der beiden Einiges passiert. Er könnte es sich erschließen, wenn er den Mailwechsel der beiden danach läse:
B: "Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, Dich mit einem Kuss zu verabschieden, so wie damals, nice and slow. Aber Du wirktest irgendwie so sachlich, ich konnte Dich nicht einmal zur Begrüßung umarmen, weil Du schon die Hand ausgestreckt hattest, fast wie eine Barriere. Und ich hatte irgendwie den Eindruck, als seiest Du nicht in der Stimmung dafür, deswegen habe ich es gelassen und gedacht, naja, vielleicht machst Du ja den ersten Schritt."
einige Zeit später
A: "Warum hast Du es nicht gemacht? Mich geküsst? Dabei habe ich mir doch extra Mühe gegeben, Dir Aufmerksamkeit zu schenken, habe mit Dir geflirtet, und immer wieder signalisiert, dass ich mit dabei wäre. Also warum? Es war doch so offensichtlich, dass ich nichts dagegen gehabt hätte."
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Was zeigt uns diese kleine Geschichte? Es scheint nicht allzu selten vorzukommen, dass Hochbegabte in ihren umfangreichen, verwobenen Gedankenbahnen, in ihrer reichhaltigen Fantasiewelt alles Mögliche machen, sagen, schaffen. Aber von außen sieht das keiner. Es ist eben in unserem Kopf, und auch wenn wir die Außenwelt gern daran würden teilhaben lassen wollen: Man kann uns nicht in unseren Kopf schauen. Und was wir als "auffällige Geste" machen, was für uns, in unserer Gedankenwelt doch "so offensichtlich" war, ist für den Anderen vielleicht nichts weiter als ein kleines Lächeln.
Sorry, HB, aber komm' mal in die Pötte!
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