Körperlich auf Augenhöhe zu sein, bedeutet noch lange nicht, dass man den Anderen gleichwertig behandelt... |
Vorwort: Manchmal sind die Pausen zwischen zwei Beiträgen länger. Oft liegt es daran, dass ich "viel" an einem Tag zu tun habe und mein "Sozialkonto" abends aufgebraucht ist, dann möchte ich nur noch meine Ruhe haben und nichts mehr schreiben. Oder aber, wie in diesem Fall, ein Beitrag braucht einfach länger; das ist völlig unabhängig von der Länge des Textes, sondern davon, wie lange ich über den Inhalt nachdenken muss. Und das hat bei diesem Beitrag ein wenig länger gedauert.
Wir begegnen Menschen. Das gehört zu unserem Alltag dazu. Es gibt unzählige spannende Studien zur "Ich und das/der/die Andere"-Thematik; ich möchte heute einen Pädagogen-Bingo-Begriff beleuchten, den jeder in seinem Referndariat schon einmal gehört haben wird: Augenhöhe. Bzw., "auf Augenhöhe miteinander umgehen". Ich habe das Konzept irgendwann bei den Gesprächen mit der großen Buba fallengelassen, neulich hatte sie ihn selbst benutzt. Scheint gezündet zu haben, da scheint also etwas dran zu sein.
Natürlich hat das nichts mit der wörtlichen Augenhöhe, bedingt durch die Körpergröße, zu tun. Da gibt es zwar auch einen Effekt (große Menschen, größer als man selbst), aber mir geht es um Anderes: Selbst wenn wir miteinander reden und uns dabei in die Augen schauen können - wenn man sich setzt, fallen die Größenunterschiede gar nicht mehr so auf - selbst dann kann es erhebliche "Höhenunterschiede" geben.
Man stellt sich vielleicht höher als der Andere. "Ich habe mehr Erfahrung. Ich habe den höheren Posten. Ich bin dein Vorgesetzter." Und jetzt wird's eklig zu tippen, denn jetzt wird es persönlich. Ich probier's trotzdem. Denn mir passiert das sehr oft, dass ich mich im Bewusstsein meiner höheren Lebenserfahrung über meinen Gesprächspartner stelle. "Ja, das habe ich auch schon mal durchgemacht, das ist echt schlimm." - "Ah, ich kenne das, du solltest das vielleicht lieber so und so machen!" Ich gefalle mir viel zu oft in der Lehrer- oder Mentorrolle. Und trage damit Einiges dazu bei, dass ich Probleme habe, gleichberechtigte Beziehungen einzugehen. Zum Glück habe ich nicht viele Freunde, so kann das nicht allzu oft passieren.
Man kann sich natürlich auch unter seinen Kommunikationspartner stellen. Zu ihm aufblicken. Mache ich zum Beispiel bei Jay, habe ich von Anfang meines Studiums an gemacht. Zu ihm hochgeschaut. Er hat mehr Lebenserfahrung, mehr Bücher gelesen, da gehe ich dann gern in die Schülerrolle. Allerdings passiert das eher selten - ich tendiere zum Mich-Höherstellen.
Was hat das nun mit Liebe zu tun? Und wann kommt Er in's Spiel?
Fangen wir mit der Liebe an: Reflektiert mal ein wenig, ob Ihr mit eurem Lebenspartner auf Augenhöhe seid, oder ob Ihr zum Bemuttern neigt, oder vielleicht zum "Unterwerfen" (mal von sexuellen Tendenzen abgesehen). Ich behaupte einfach mal, und da dürft Ihr mich sehr gern widerlegen und/oder aufklären: Eine "ideale" Liebesbeziehung oder Partnerschaft für's Leben kann es nur geben, wenn man es irgendwann geschafft hat, sich auf Augenhöhe einzustellen. Wenn das nicht möglich ist - ist er oder sie dann wirklich der/die Richtige? Ich schaue gerade mal wieder Twin Peaks und mir werden zu Unterhaltungszwecken diverse Beziehungskonstellationen präsentiert, das regt zum Nachdenken an. Zum Kommentieren: "Shelly, warum lässt du es zu, dass dein Mann dich schlägt und als Haushälterin sieht?!"
Zurück aus der Fiktion in das reale Leben, die Zeit um sechs Jahre zurück gedreht, und nun kommt Er. Unser Kennenlernen war von Augenhöhe meilenweit entfernt, wenn ich ihm glauben darf. Ich war damals noch Teil der Saturnalien-Crew, Theater, Sketche, Musik, und "leider" die perfekte Möglichkeit für mich, die absolute Rampensau zu werden (oder besser rauszulassen, weil sie scheinbar immer schon da war). Und dabei war es meine letzte Aufführung, und ich hatte mich schon möglichst zurückgenommen, ich habe es wirklich versucht. Und dann kam Er neu in die Theatergruppe. Und seine erste Wahrnehmung von mir hatte mit Augenhöhe nichts zu tun: "Du standest im Mittelpunkt, du hattest immer alles im Griff, du warst im Examen, du hast das alles geleitet, ich hab zu dir aufgeschaut. Dr Hilarius war das Mastermind, irgendwie, und das hat mich beeindruckt." (meinte Er Jahre später zu mir)
Er hat zu mir aufgeschaut. Und ich bin dann irgendwie wieder in die Mentorrolle gekommen. Das passte zusammen, auch wenn es keine gleichwertige Freundschaft zu sein schien. Und ich hab' das auch noch genossen! Ich habe es nicht mitbekommen, wie ich ihn bevormundet habe, ich habe es nicht gemerkt, dass Er alles Mögliche mir zuliebe gemacht hat. Wie sich das dann weiter entwickelt hat, möge Privatsache bleiben. Es geht mir nur darum, aufzuzeigen, dass diese Freundschaft zwar wunderbar geklappt hat (wir haben uns damals nie beschwert), weil wir uns beide in unseren Rollen wohl gefühlt haben.
Aber kann das eine Grundlage für eine lebenslange Freundschaft sein? Kann das ewig gut gehen? Ich bin mittlerweile bei der Meinung angekommen, wie eingangs beschrieben, dass eine ernste, enge Partnerschaft Umgang miteinander auf Augenhöhe beinhalten muss.
Und ja, mir ist bewusst, dass es da ja einen Unterschied gibt zwischen einer Freundschaft und einer Partnerschaft. Aber wie gesagt, ich möchte hier nicht seine weitere Gefühlswelt preisgeben. Schaut Euch einmal Die Verurteilten (The Shawshank Redemption, 1994) an. "Freundschaft oder Liebe" ist totaler Unsinn...
post scriptum: Das Thema für morgen steht bereits und wird definitiv leichter verdaulich - wenn alles glatt läuft!
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