Klar, ein Déjà Vu, aber was für Konsequenzen hat es in diesem Fall? |
Es geht mal wieder um ein Gefühl. Es ist mitten in der letzten Nacht aufgetaucht und heute ist es besonders präsent. Vielleicht erkennt sich ja jemand wieder. Und ich versuche, diesen Beitrag möglichst ohne spoiler zu schreiben.
Vor Kurzem habe ich bei Facebook um Rat gefragt, ich war auf der Suche nach einem "Mindfuck-Movie", irgendwas in Richtung David Lynch, weil ich mal wieder etwas Neues erleben wollte. Ich bekam den Tipp, mir einmal die sechsteilige deutsche Serie Weinberg (2015) anzuschauen, da diese für deutsche Verhältnisse schön düster sei. Letzte Nacht habe ich mir also die erste Folge angeschaut - Zeit für ein bisschen Bewusstseinsstrom:
Okay, das ist also diese Serie... Tatsächlich düster, und diese Kamerawinkel... lustig, das ist fast ein bisschen wie bei "Twin Peaks"... ach sieh' an, die örtliche Weinkönigin ist ermordet worden? Sie war überall beliebt? Und es deutet sich an, dass sich hinter der ganzen schönen Fassade Abgründe verbergen, moment mal, das ist ja genau wie Twin Peaks! Oder kommt mir das nur so vor?
Ähnlich wie per Kursivschrift angedeutet, bin ich irgendwann während der Episode "rausgerissen" worden und fing an, meine Twin Peaks-Theorie weiter zu spinnen. Heute habe ich damit weiter gemacht, habe mir einen Zettel zur Hand genommen und mit "Ähnlichkeiten" überschrieben. Und die Liste wurde immer länger, immer länger, und dann konnte ich die zweite Episode irgendwann nicht mehr einfach so genießen, weil ich plötzlich völlig auf Twin Peaks gepolt war. "Ha, wetten, da kommt auch ein geistig beeinträchtiger Junge vor?" - solche Gedanken häuften sich, ich überlegte mir, was die Merkmale der amerikanischen Serie waren und ob sie im deutschen Weinberg auch auftauchen würden. Natürlich führte das auch dazu, dass ich zu Beginn der zweiten Episode meine Theorie zu Mörder und Hintergründen hatte.
Genug davon, keine spoiler. Kennt Ihr das? Ihr seht euch einen Film an und nach kurzer Zeit überkommt euch das Gefühl "...das kenne ich doch?"; mir geht es darum, was das Wiedererkennen mit der Zuschauerhaltung anstellt. Schon vor Ende meint man, alle Rollen zu kennen, man gleicht Musik, Optik und Charaktere miteinander ab. Das Genießen gerät ein bisschen in die zweite Reihe, weil unaufhörlich sämtliche Informationen des "Originals" durch den Kopf rattern...
...und manche Menschen, die vielleicht sowieso gern meckern, denken sich "Abklatsch!" und schalten ab. Kann ich sogar sehr gut verstehen. Denn ich gebe zu, mir fällt es selbst recht schwer, an den Rest der Serie objektiv, möglichst wenig voreingenommen ranzugehen. Sicherlich hat da auch die Hochbegabung ihren Anteil daran: Ich kann mein Gehirn nicht abschalten, Szenen der Originalserie laufen durch meinen Hinterkopf, während vorne die neue Version läuft, natürlich fange ich gleich an zu überlegen, was ich wohl besser finde, die Dialoge werden vergleichen, die Interaktionen der Charaktere, die Regiearbeit, das Ganze wird beinah zu einer wissenschaftlichen Arbeit.
Es dauert wirklich lang, bis ich irgendwann die Augen schließe, den Kopf schüttele und mir sage: "Okay, jetzt akzeptier' es einfach, Weinberg ist sehr stark durch Twin Peaks inspiriert, fertig, das macht es nicht zu einer schlechten Serie, und jetzt lehn' dich zurück und genieße es, denn..."
...die deutsche Auflage ist wirklich hervorragend. Visuell und akustisch ein Genuss, fragmentarische Erzählweise, eine wunderbare Gudrun Landgrebe und viel Denkfutter für das Gehirn.
Kurz gesagt:
Wer Twin Peaks mochte, wird Weinberg genießen.
Wer Weinberg mochte, wird Twin Peaks lieben.
Ein großes Dankeschön an Cord für den Tipp, jetzt gibt es hier die zweite Hälfte, eine atmosphärische Weinberg-Nacht.
post scriptum: Über "Amazon Prime" kann man die Serie kostenlos anschauen.
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