Donnerstag, 9. November 2017

Fünfhundert Beiträge: Ein Résumé

Wie sehen die Dinge knapp zwei Jahre später aus?

Wenn ich diesen Artikel veröffentliche, befinden sich auf diesem Blog fünfhundert Artikel online. Ich habe einige mehr geschrieben, manche sind wieder vom Netz genommen worden, manche noch unveröffentlicht, aber es ist eine gute Gelegenheit, um mal Bilanz zu ziehen. Wie hilarious sind diese times noch?

Ich habe vor knapp zwei Jahren angefangen, in diesem Blog zu schreiben, um mich vor totaler Perspektivlosigkeit in meiner letzten Phase ohne Arbeit zu schützen (es ist schade, dass diese Phasen für mich mittlerweile einen Wiedererkennungswert haben, aber so ist es nun mal, und ich trage ja auch selbst dazu bei, indem ich der Voreingenommenheit der Menschen aktiv Futter gebe). Ich habe mir gedacht, wenn ich jeden Tag einen Artikel schreibe, egal, worüber, egal, für wen, dann habe ich eine Regelmäßigkeit. Etwas, wofür es sich lohnt, wach zu werden, etwas, worauf ich zufrieden beim Einschlafen zurückblicken kann. Das Gefühl, etwas geschafft zu haben.

Deswegen waren mir die Klickzahlen auch vollkommen egal. Man kann ja hier immer sehen, wie oft ein Artikel angeklickt worden ist. Und ich fand es faszinierend, damals zu sehen, wow, meine ersten paar Artikel sind innerhalb eines Tages sechsmal aufgerufen worden! Und ich habe mir überlegt, wer diese sechs Menschen wohl sind, und was sie wohl gedacht haben, als sie diesen Gedankenoutput gelesen haben. Und als dann nach einigen weiteren Tagen sogar mehr als zehn Klicks angezeigt wurden, musste ich einfach grinsen. Das war das Gefühl von "Naja, egal ob positiv oder negativ, irgendwas scheint es ja zu bringen" - das war irgendwie ein Antrieb, weiter zu machen. Mittlerweile sind es mehr Klicks, das geht schneller, und ich schwanke zwischen Verwunderung ("Das ist doch meistens nur normaler Alltag, warum will irgendjemand das lesen?") und Freude ("Hey, es bringt ja doch irgendwas!").

Und hin und wieder bekomme ich ein Feedback - so wie gestern von einer ehemaligen Tutantin vor langer, langer Zeit an der Uni. Und wenn ich sowas lese, geht im Kopf schon wieder alles rund: Gedanken, ob der Blog nicht irgendwann zu redundant wird und ich es einfach lassen sollte, sind weggeblasen. Ich staune, wer alles diese Texte liest - das sind ganz enge Freunde, aber mittlerweile auch Menschen, mit denen ich vielleicht nie so viel zu tun hatte, aber mit denen mich scheinbar ein gemeinsames Interesse verbindet, sei es nun die hochbegabte Sichtweise, oder Begeisterung für ungewöhnliche Filme, oder die Liebe zu unserem Beruf - auch wenn ich sie momentan eben nicht ausleben kann.

Und das lässt mich daran denken, dass ich durch den Blog auch häufiger als früher gezwungen werde, mich mit Dingen auseinanderzusetzen, die für mich vielleicht erstmal unangenehm sind. Ich habe es immer geliebt, solche Situationen zu vermeiden: Wenn ich vor etwas Angst habe, na dann gehe ich einfach nicht dorthin. Wenn ein Thema Konfliktpotential bieten könnte, na dann rede ich einfach nicht mit der betreffenden Person darüber. Die Sannitanic hat mir irgendwann einmal erklärt, dass es tatsächlich so etwas wie eine Vermeidende Persönlichkeit gibt. Mir ist das besonders deutlich vor Augen geführt worden im Umgang mit jemandem, der genauso gern wie ich früher jegliches Konfliktpotential zu vermeiden sucht.

Was bedeutet das konkret im Hinblick auf diesen Blog? Ich muss mich auseinandersetzen mit anderen Sichtweisen und anderen Meinungen. Endlich sagen bzw. schreiben mir Menschen hier "Nein, ich glaube, das siehst du vollkommen falsch!" oder "Hast du darüber überhaupt schon einmal nachgedacht?"; während ich früher immer schnell eingeknickt bin und den Anderen beschwichtigt habe, weil es sich für mich unschön angefühlt hatte und ich das nicht länger als nötig ertragen wollte, stelle ich mich mittlerweile der Auseinandersetzung. Ich stelle mich den anderen Meinungen. Ich stelle mich den selbstschädigenden Aspekten meines Verhaltens. Ich stelle mich dem Umstand, dass Er immer noch in meinem Kopf ist. Ich stelle mich der Frage, warum ich keinen Job habe.

All' diese Auseinandersetzungen sind durch die Arbeit mit dem Blog angestoßen worden, und auch wenn es unangenehm ist, bin ich sehr dankbar dafür. Denn das bringt mich weiter, und zwar erheblich mehr als die Augenwischerei mancher Menschen, die es oberflächlich gut mit mir meinen. Erheblich mehr als das Feedback jener Mitmenschen, die mir nach dem Mund reden. Ich habe hier ab und an über Buddhismus berichtet und über Pema Chödrön; eines ihrer Bücher heißt Geh' an die Orte, die Du fürchtest, und mittlerweile verstehe ich die Denkweise dahinter vollkommen.

Ich lerne zuzugeben, dass mein Können und Wollen seine Grenzen hat. Ich lerne, zu sagen "Es tut mir leid, das kann ich nicht." "Das schaffe ich nicht allein." "Nein, das möchte ich nicht." "Kannst du mir dabei helfen?" Und ich lerne, dass ich anders sein darf. Dass ich mich damit nicht verstecken muss.

Ich stehe sozusagen im Dialog mit diesem Blog - ich gebe meine Gedanken hinein und werde auf vielerlei Weise zur Reflektion und Weiterentwicklung gebracht. Diese Arbeit ist mittlerweile weit mehr als nur die "Regelmäßigkeit in meinem Alltag", und genau deswegen ist es auch keine ernsthafte Frage mehr, ob die times noch hilarious genug sind, um weiter geführt zu werden.

Auf die nächsten fünfhundert! Und danke... Ihr helft mir manchmal mehr, als Ihr vielleicht denkt.

Euer Dr Hilarius

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