Bei dem Namen James Bond musste ich an dieses Foto denken - wir hatten dabei eine Menge Spaß ;-) |
Ich liebe es, mir Horrorszenarien auszumalen. Nehmen wir mal Folgendes: Da hat einer - wir brauchen einen Namen. James Bond. James Bond hat gerade seinen Master-Abschluss an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gemacht. Er hat Englisch und Sport studiert, und so sieht er auch aus - das ist eine Feststellung, kein Lästern ;-) James ist extrem freundlich, hat ein sonniges Gemüt und eigentlich immer ein Lächeln im Gesicht.
James ist der reinste Fachwissenschaftler, hat sich mit englischer Literatur und Linguistik auseinandergesetzt, kennt jegliche Prinzipien der Sporttheorie und ist mit Stephen Greenblatt vertraut. Er hat einen ordentlichen Abschluss hingelegt, ist jetzt belesen und sportlich ausgebildet.
Zeit für ein wenig Realität.
James wird zum Nulltsemester an einer Gemeinschaftsschule. Mit einem Angestelltenvertrag des Landes, befristet natürlich, stellt er für Britta Ernst und ihr Bildungsministerium eine wunderbare Möglichkeit dar, Unterrichtsausfall zu vermeiden, flexibel und viel kostengünstiger als ein verbeamteter Kollege. Als fliegende Vertretung kann er jederzeit jegliche Klassenstufe in jeglichem Fachunterricht vertreten - zum Glück hat die Schule Filmräume und eine Gelegenheit für die Kinder, Brettspiele zu spielen. Aber es kommt noch besser!
Denn James Bond bekommt einen I-Kurs. Wir erinnern uns, dass es einige Schüler gibt, die von Mutter Natur mit etwas weniger Intelligenz bedacht wurden. Das ist vollkommen okay, so wie jeder Mensch vollkommen okay ist. Diese I-Kinder brauchen besondere Zuwendung. Man spricht vom zieldifferenten Unterrichten, sie nehmen alle zusammen am Unterricht teil, aber die kleinen Kläuschens brauchen vor allem Eines: erfahrene Pädagogen. Menschen, die das kennen. Die wissen, wie man mit I-Schülern arbeitet.
Für James Bond ist das alles neu, er kommt gerade aus seiner Examenswolke über den postmodernen amerikanischen Roman herabgeschwoben und freut sich schon darauf, mit Schülern über die Generation X zu philosophieren - auf Englisch, versteht sich. Doch daraus wird nichts, denn ein langsamer Englischkurs in 7 (äußere Differenzierung) ist eben kein Sprachprofil mit Profilfach Englisch, wo es vor leistungswilligen Schülern nur so wimmelt - das sind diese Kurse, in denen man einen stummen Impuls an die Tafel klatscht und die Schüler gestalten sich die folgenden neunzig Minuten selbständig.
Sorry, James Bond, aber solch' einen Kurs hast Du leider nicht. Du hast eine ganz kleine Runde, elf Schüler sitzen da und schauen Dich verträumt an, weil Du in ihren Augen einfach niedlich bist und sie verstehen kein Wort Deiner englischen Begrüßung, aber immerhin schiebst Du es auf Deutsch noch einmal hinterher. Okay, Du merkst, Du musst es ein wenig herunterbrechen. Shakespeare wird es wohl nicht, und auch keine Postmoderne. Aber das macht ja nichts, wir können ja auch schöne Bildbeschreibungen zusammen auf Englisch machen!
James Bond, ich fürchte, Du überschätzt Deine lieben Schüler, die kaum einen englischen Satz zustande bringen, die eine Blockade haben, fast schon Angst, etwas Englisches zu sagen. Du realisierst, dass für diesen Kurs Unterrichtssprache Deutsch gilt. Und Du realisierst, dass da noch jemand in Deinem Klassenraum sitzt: Eine Förderlehrkraft, speziell ausgebildet für diese Kinder mit besonderen Bedarfen. Du lernst, Dich mit ihr kurzzuschließen, damit bei den Kindern ein Licht angeht.
Es ist ein hartes Jahr für James Bond. Britta Ernst bekommt davon natürlich nichts mit, das Einzige, was Britta Ernst davon mitbekommt, ist: "Wie wunderbar, wir haben fast eine fünfundneunzigprozentige Unterrichtsversorgung. Das liegt daran, dass unser Bildungskonzept aufgeht!" Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.
Es ist ein verdammt hartes Jahr für James Bond, aber: Es entlohnt ihn in einem Umfang, wie es ein "einfaches" Gymnasialjahr nicht könnte. Er erweitert seinen Horizont, er lernt Schüler kennen, die nicht hochintelligent sind. Er lernt Vielfalt kennen. Er lernt, zu differenzieren. Er lernt, dass diese I-Kinder keine armen Schweine sind, im Gegenteil, und er lernt, sich ihnen zuzuwenden. Er lernt Menschlichkeit kennen, und seine Kiddies lieben ihn.
Ich habe Respekt vor Dir, James Bond!
post scriptum: Und wer es noch nicht mitbekommen hat, mit diesem Beitrag möchte ich wettern gegen eine Tendenz, junge, unerfahrene Lehrkräfte auf anspruchsvolle Lerngruppen anzusetzen, damit man selbst seine Ruhe hat.
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