Montag, 6. März 2017

Schauriger Einflussreichtum


Angeregt durch neulichen Beitrag möchte ich heute anhand einer Episode der Twilight Zone zeigen, wie einflussreich diese Serie war - nachdem ich am Wochenende einfach mit Superlativen um mich geworfen habe. Es geht um die Geschichte The Hitch-Hiker, zu deutsch "Der Anhalter".


ACHTUNG! SPOILERWARNUNG!
Wer die Episode genießen will, sollte das jetzt tun und erst später weiterlesen, denn in der Besprechung wird das Geheimnis um den Anhalter aufgelöst.

Nan Adams hat eine Autopanne, der Reifen ist geplatzt, aber sie findet zum Glück schnell einen Helfer. Der Reifen wird gewechselt, noch einen Kaffee trinken, und dann kann die Fahrt weitergehen. Könnte - denn ein kleiner Mann mittleren Alters bittet darum, mitgenommen zu werden. Nan beachtet ihn nicht weiter und fährt fort.

Als sie dann bei der nächsten Tankstelle ankommt, steht dort eben jener Anhalter und wartet schon auf sie. Nan ist verwirrt, wie kann das sein, dass er vor ihr an diesem Ort ist? Zunächst nur etwas verstört, führen weitere Begegnungen mit dem Anhalter dazu, dass Nan langsam, aber sicher die Fassung verliert. Sie versucht, vor dem Anhalter zu fliehen, hat mittlerweile kein Reiseziel mehr, einfach nur weg von diesem seltsamen Mann.

Irgendwann glaubt sie, ihn abgehängt zu haben, aber sie fühlt sich verloren. Sie weiß nicht, wo sie ist, sie fühlt sich vollkommen fremd. Um wenigstens eine bekannte Stimme zu hören, ruft Nan ihre Mutter an. Sie möchte ihre Stimme hören, um sich selbst zu versichern, dass sie noch bei Verstand ist. Die Stimme, die ihr antwortet, klingt allerdings unbekannt. Eine fremde Frau am anderen Ende klärt Nan darüber auf, dass ihre Mutter im Krankenhaus ist, weil sie den Unfalltod ihrer Tochter nicht verkraftet hat.

Wow.

Und alle Puzzleteile fallen an ihren Platz: Nan ist bei der Autopanne ums Leben gekommen, der Reifen ist geplatzt und der Wagen hat sich überschlagen. Alles, was wir in dieser Episode beobachtet haben, ist Nans Seele, die nicht weiß, dass sie tot ist. Der Anhalter ist der personifizierte Tod, vor dem sie immer wieder geflohen ist.

Sie legt das Telefon auf und fühlt sich plötzlich ganz befreit, sie hat keine Angst mehr. Sie steigt in ihr Auto, der Anhalter sitzt auf der Rückbank und sie fahren zusammen in seine Richtung...

Zur Abrechnung: Dieser Plottwist ist nicht neu. Es handelt sich um einen der bekanntesten und effektivsten überhaupt - kein Wunder, dass er so oft in verschiedenen Medien umgesetzt wurde, zum Beispiel in Ambrose Bierce' Kurzgeschichte An Occurrence At Owl Creek Bridge (1890), in Herk Harveys Film Carnival of Souls (1962, auch hier mit Autounfall, direkt inspiriert von der Twilight Zone?), in der Folge The Tale Of The Dream Girl (1994) der Jugendserie Are You Afraid Of The Dark und im direkt daraus abgeleiteten Kinofilm M.Night Shyamalans, The Sixth Sense (1999).

Der Fairness halber sei gesagt, dass all diese Geschichten wirklich gut umgesetzt sind. Die Serienfolge für Jugendliche wurde altersgerecht aufbereitet und fantastisch gespielt (sie gilt als eine der besten der Serie), Harveys Kinofilm arbeitet genau wie TZ mit ganz einfachen Tricks, bedient sich allerdings eines besonders unheimlichen Settings, einem verlassenen Badehaus, das seine eigene Geschichte erzählt.

Der "Impact" des Plottwists ist meiner Meinung nach bei Bierce' Kurzgeschichte am stärksten, da er ihn nach zwei hochemotionalen und actionreichen Akten in einem einzigen, kurzen Hauptsatz ans Ende der Story stellt. Als Leser liest sich jener Satz wie ein Guss eiskaltes Wasser - unglaublich genugtuend.

Zurück zur Twilight Zone, deren Episode mit einem fantastischen Satz endet, dem einzigen Satz des Anhalters, der von der Rückbank aus zu Nan Adams sagt: "I believe you're going my way?" als Feststellung einer Gewissheit, die im Verlauf der Episode immer düsterer über Nan und ihrem Wagen dräut und doch durch clevere Kameraarbeit und manipulative Musik von Zuschauer möglichst weit ferngehalten wird.

Das Franchise Final Destination lebt zu einem großen Teil von Einflüssen der Twilight Zone, deswegen auch obiges Bild vom FD-Poster. So ist die Prämisse des ersten Teils, die Vision vom Flugzeugabsturz, direkt aus der TZ-Episode Twenty Two abgekupfert worden, die Szene, in der das Auto mitten auf den Bahnschienen stehen bleibt, während ein Zug heranrast, wurde 1:1 aus der oben besprochenen Episode The Hitch-Hiker kopiert. Es handelt sich hierbei um Hommagen an die Serie, nicht um dreisten Ideenraub.  

Unbedingte Schau-Empfehlung!

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