Mittwoch, 22. März 2017

Bewegender Tag


Ich erzähle von einem interessanten Mittwoch, und wieder einmal wird der Hochbegabungsfilter über allem schweben. Und angefangen hat alles mit einer Postankündigung.

Heute vormittag sollte mich eine sehr wichtige Lieferung per Nachnahme erreichen und ich musste irgendwie sicherstellen, dass die Annahme abgewickelt werden kann. Also frage ich Dschennewjähf (Du hast mich darauf gebracht ^^) von zwei Etagen tiefer, sie müsste doch noch Semesterferien... oder... nein, shit, leider nicht, sie ist ab Vormittag aus dem Haus. Ich brauche einen Plan!

Das dachte ich dann gestern Abend. Ein Plan muss her, tausende Gedankenzüge rasen durch meinen Kopf, wie komme ich an diese Post? Scheiße, wo ist diese verdammte CD mit den Vorschlägen zur Leistungsmessung, ich soll doch morgen in allen Lerngruppen Tests schreiben lassen und einer ist noch nicht vorbereitet - die lag doch immer hier auf dem Boden, was mache ich jetzt nur? Keine Test-CD, keine Post, so ein Scheiß, ich geh' ins Bett und stell' mir den Wecker auf fünf Uhr, ich kann schnell denken, mir fällt schon was ein. Manchmal hat die Hochbegabung ihre Vorteile.

Mittwoch früh, Wecker klingelt und mir kommt die Idee: Im Friseursalon von Frau Kliewer und Frau Baumgart unten ist immer irgendjemand! Mist, es ist jetzt kurz nach fünf, ich muss um halb sieben los, damit ich noch genügend Zeit habe, die Tests zu kopieren. Um halb sieben ist beim Friseur noch nichts los. Okay, denken, denken, denken... ich renne runter zur Sparkasse und hole das Geld für die Nachnahme, ich stecke die Geldscheine in einen Briefumschlag, klebe ihn bei Frau Kliewer an den Türrahmen, wird schon klappen (nächstes Mal aber doch besser in den Briefschlitz!), schreibe einen Brief für Frau Kliewer mit der Bitte/Vollmacht, die Nachnahme anzunehmen. Wie kann ich sicherstellen, dass sie den Zettel auch wirklich rechtzeitig sieht? Alles klar, ich klebe ihn einfach direkt an die Ladentür, Geld klebt, Zettel klebt, jetzt nur noch einen Brief für den Postboten, den ich neben der Klingel an die Wand pappe. Alles präpariert, ich fühle mich, als hätte ich das Haus verwanzt oder vermint. Nach mir die Sintflut, ich werfe meine Sachen ins Auto und rase gen NMS.

Ja. Heute, nach wochenlanger 100-km/h-Fahrerei, düse ich mit hundertsechzig über die Autobahn, ich muss diese Tests noch zusammenschnippeln, und hoffentlich steht im Fachschaftsfach noch eine weitere Leistungsmessungs-CD, und im Kopf überlege ich gleichzeitig, ob der Friseur-Plan aufgeht.

Sonnenaufgang, ich rolle auf den leeren Parkplatz an der Plöner Straße, stelle mich schon wieder abfahrbereit hin und gehe zügig Richtung Stützpunkt, da ist das Fachschaftsfach, da stehen ganz viele CDs, bittebittebitte lass' sie dabei sein... Hörbeispiele, Digitaler Unterrichtsassistent, Action!UK-DVD, JAAAAAA, da steht sie, "Leistungsmessung... Klasse 7" - scheiße, ich brauche Klasse 5... aber jemand hat Erbarmen mit mir, da steht sie und zum ersten Mal seit Dienstagabend kann ich etwas entspannt durchatmen.

Die nächsten Tagespunkte laufen so, wie sie sollen, alle drei Tests werden geschrieben, drei Stapel Korrekturen zusätzlich zu den zweien, die zuhause noch warten, da habe ich eine Beschäftigung, wenn ich nach der OP mich zuhause schonen muss. Und die Tests waren auch bewegend, da flossen Tränen, da gab es einen Täuschungsversuch, da war ich SO froh, dass ich ein wenig Unterstützung hatte durch Frau Stegauf... ne warte, Steigauf, oder Stehauf? Das kann sich doch kein Mensch merken (und sie liest das jetzt und kichert ein bisschen) - doppelte Aufsichtsführung kann manchmal notwendig sein.

Dann sind die sechs Stunden endlich um. Endlich. Noch ein wenig Schülerberatung geleistet (in Brachenfeld darf ich das, in Husum durfte ich das irgendwann nicht mehr), ab an den Rechner im Stützpunkt, Sendungsverfolgung, na super, "Ihre Lieferung konnte nicht..." - ZUGESTELLT AN NACHBARN! Wie geil, es hat geklappt! Ein zweites Mal atme ich durch, diesmal noch tiefer, noch entspannter. Endlich sind alle Pläne aufgegangen. Endlich kann der Tag sich so entfalten, wie ich es mir gewünscht habe.

Es versteht sich von selbst, dass die heutige Meditation unglaublich positiv verlaufen ist - es gab allerdings wirklich viel zu verarbeiten. Und das kostet Zeit - aber die nehme ich mir, das muss sein. Hochbegabte brauchen Zeit zum Denken.

Und dieser Tag war auch auf eine andere Art bewegend, denn ich habe ein neues Paar Schuhe bekommen, zusätzlich mit der oben beschriebenen Lieferung. Meine alten Turnschuhe waren nach zehn Jahren komplett aufgelaufen, die Sohle nur noch zur Hälfte vorhanden und diese Hälfte hing herunter, gammelig, jeder normale Mensch würde diese Schuhe nicht mehr tragen. Aber hier kommt Dr Hilarius: Warum soll ich mir neue Schuhe kaufen? Die alten tun es doch noch, sie funktionieren doch noch, ich hab' jetzt wirklich andere Sorgen, und so habe ich die Schuhbestellung immer weiter vor mir hergeschoben. Ich glaube, das könnte ein Hochbegabten-Ding sein.

Und damit wäre auch das Foto erklärt.

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