Dienstag, 14. März 2017

Ein epileptischer Anfall

Das Gewitter im Gehirn

Vielleicht hat der eine oder andere Kollege schon mal Epileptiker unterrichtet und kennt sich daher mit den Umgangsweisen im Fall eines epileptischen Anfalls bei einem Schüler aus. Er kennt vielleicht die jeweils relevante Medizin und wie er sie zu applizieren hat. Aber wie fühlt sich so ein epileptischer Anfall an? Was passiert da mit dem Menschen, der sich plötzlich krampfend unberechenbar gebärdet? Bekommt er das alles mit? Kann er sich danach daran erinnern? Wie fühlt sich ein epileptiformer Anfall für einen Menschen an (ich benutze den etwas unhandlicheren Ausdruck, weil ich z.B. kein Epileptiker bin, aber zweimal einen Anfall hatte)?

Ich versuche mal, so gut es eben geht, mich zu erinnern. Und zwar nicht an jenen Fall, als ich meine beiden Mitbewohner in der Wohnung hatte und somit recht gut betreut war, sondern an eine Solonummer eines Nachmittags vor etwa einem Jahr. Ich weiß noch, wie ich mich an der Playstation verlustiert habe, Atelier Escha&Logy, ich war dabei, durch ein Dorf zu flanieren und nach Aufgaben und neuen Zutaten für meine alchemistischen Formeln zu suchen.

Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich im Kreis gegangen war. Ich war mit den Gedanken vollkommen abgeschweift, glaubte ich - denn je mehr ich versuchte, mich an meine derzeitige Aufgabe zu erinnern, umso weniger gelang das. Und das war komisch - mir ist einfach nichts mehr eingefallen. Dann habe ich versucht, mich an den Tag und die Uhrzeit zu erinnern - nichts da. Wann hatte ich zuletzt auf die Uhr geschaut? Wo bin ich hier, was mache ich gerade?

Und passend dazu kamen dann Kopfschmerzen, als wolle jemand nicht, dass ich nachdenke. Und... warum stand der Couchtisch so schief da, der steht doch sonst immer parallel zur Couch? Und dann wurde mir übel und ich beschloss, mich aufs Bett zu legen, vielleicht hatte ich etwas Unrechtes gegessen.

Es hat lange gedauert, bis mir ein Licht aufgegangen ist - dass ich nämlich einen Krampfanfall hatte. Das Gehirn löscht umgehend jegliche Erinnerung daran, aber die Resultate lassen sich nicht immer verbergen: Ich muss mit Kraft gegen den Tisch getreten und ihn verschoben haben und mit aller Kraft auf meine eigene Zunge gebissen haben, denn beim Blick in den Spiegel war sie blauschwarz angelaufen. An den folgenden Tagen hatte ich ordentlichen Muskelkater in den Beinen und mein Unterkiefer tat weh, als hätte ich ihn zu stark belastet.

Das Unheimliche, Surreale war, dass ich mich wirklich an nichts erinnern konnte. Keine Ahnung, wie lange der Anfall gedauert hat, ich hab erstmal umhergeschaut, ob irgendwas beschädigt worden ist, zum Glück nicht. Auch dieses ungewisse Gefühl - irgendwas ist seltsam - macht das Ganze nicht gerade zu einer spaßigen Angelegenheit.

Ich bin sehr froh, dass das für mich Ausnahmeerlebnisse geblieben sind. Jetzt habe ich immerhin ein kleines Bewusstsein für Epileptiker - und bin froh in dem Bewusstsein, dass es mittlerweile Medikamente gibt, mit denen man die Anfälle sehr gut unter Kontrolle halten kann.

Manchmal bemerken wir gar nicht, wie gut es uns eigentlich geht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen