Mittwoch, 15. Juni 2016

Kärnan kriecht


So, das wird heute mal ein etwas klassischerer Blogeintrag mit Tagebuchcharakter. Zunächst eine interessante Erfahrung, die ich gemacht habe: Bei längeren Meditationen löst sich der Geist vom Körper, es entsteht ein Gefühl, als läge der Körper nur wie eine leere Hülle auf der Couch, während der Geist durch Gedankenwelten reist. Ein wunderbares Gefühl. Spannend wird es, wenn in diesem Zustand reale Dinge auf das Erlebnis Einfluss üben.

Wenn ich in der Tiefenentspannung bin, kann jemand an der Tür klingeln, aber ich gehe nicht hin. Bitte nicht die Meditation unterbrechen. Aber je nach Klingelsound fährt es mir wie ein Blitz durch Mark und Bein. Oder eher: Wie eine Bandsäge. Die Kunst besteht darin, diese unangenehme Erfahrung möglichst schnell auszugleichen und sich nicht rausbringen zu lassen.

Heute war das erste Mal, dass ein Gewitter während der Meditation aufgezogen ist. Ich liege also da, die erste halbe Stunde ist rum, die perfekte Musik malt mir meine Gedankenreisen aus und ich verarbeite die Ereignisse des Tages. Das Gewittergrummeln ist nicht so "sägend" wie die Türklingel. Es grollt ja schon aus der Ferne, ein tiefes Wummern, das sich mit der Musik vermischt und phasenweise nicht mehr von der Musik zu unterscheiden ist. Doch dann wird es lauter - es fühlt sich an, als würde eine U-Bahn unter mir hindurch fahren, alles wackelt, bebt, aufregende Szenen in der Gedankenreise! Aber es bringt mich nicht aus der Meditation raus, denn im Gegensatz zu der Türklingel ist das Gewittergrollen ein natürlicher Sound und ich konnte wunderbar dabei entspannen. Diese Gewittermeditation war sehr angenehm.

Dann muss ich nochmal etwas aufgreifen, was ich hier schon einmal beschrieben habe. Ich kenne es mittlerweile, dass Bauwerke mehr Zeit zur Fertigstellung benötigen als geplant. Ich kenne es, dass die Kosten explodieren. Die Elbphilharmonie war ursprünglich mit 77 Millionen Euro veranschlagt. Mittlerweile ist bekannt, dass das Bauwerk den Steuerzahler 789 Millionen kosten wird, ein kleines bisschen höher als gedacht - und ein Ende ist nicht in Sicht. Oder der neue Berliner Flughafen: Eine Milliarde Euro wurden eingeplant und der Flughafen sollte im Oktober 2007 seinen Betrieb aufnehmen. Nun ist es Juni 2016, auch hier kein Ende in Sicht, und die Kosten nähern sich heute der Sechs-Milliarden-Marke.

Okay, die jüngste Achterbahn im Hansa-Park spielt nicht in diesen Größenklassen. Aber Parallelen sind zu entdecken: Angedacht war es, 2015 zu bauen und 2016 zu thematisieren ("Thematisierung 2016"). Und dann kamen die Widrigkeiten. Schlechte Wetterverhältnisse, jemand, der vom Vertrag zurücktritt (ist nur ein Gerücht, kann falsch sein!), ich frage mich, ob das Team Leicht sich da übernommen hat ("Thematisierungsbeginn 2016")?

Mich stören die Drängler in Internetforen, die auf einmal nur noch über die Bahn meckern, weil sie noch nicht fertig ist. Leute, Zeit ist Geld und der Hansa-Park ist kein Disneyland, das mal eben EINHUNDERT MILLIONEN DOLLAR für eine Achterbahn verprassen kann (Weltrekord; Expedition Everest im Animal Kingdom). Das Vorhaben des Familienbetriebs ist gigantisch - allein die Planung hat fünf Jahre gebraucht. Ich würde all diesen Meckerern gerne sagen, dass niemand sie zwingt, mit der unfertigen Bahn zu fahren. Einen 80m hohen Turm komplett zu verkleiden, das dauert, und einen kompletten Darkride in der Burg zu installieren - das ist eine andere Größenklasse als der Fluch von Novgorod.

Nach meiner Einschätzung wird das Ergebnis ein echtes Erlebnis, und wir coaster junkies sollten uns einfach in Geduld üben. Ich finde toll, was die da machen, und es tut mir Leid, wenn jetzt tatsächlich der Betrieb, der für die Turmfassade verantwortlich zeichnet, zurückgetreten sein soll. Durchhalten, es wird irgendwann vollendet sein!

post scriptum: Drollige Beobachtung für die Leser - in der Regel wird ein Beitrag von der Publikation bis zum folgenden Tag hier dreißigmal aufgerufen. Der gestrige Beitrag zu meiner Jobperspektive wurde fünfhundertmal geöffnet. Ich finde die Blog-Statistiken immer ziemlich spannend.

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