Mittwoch, 1. Juni 2016

B76-Allegorie


Langsam gewöhne ich mich an die Strecke, entlang derer ich an meinen Arbeitsplatz komme. Auf dem Hinweg warte ich immer nur darauf, dass es einspurig wird, ich halte Ausschau nach dem "Play Dorado"-Schild, gewohnte Umgebung. Auf der Rückfahrt ist mir heute bewusst geworden, dass ich die Charakteristika eben jener Rückfahrt metaphorisch betrachten kann.

Wenn ich in Eckernförde auf die B76 abbiege, ist erstmal dreißig angesagt. Ampel wirkt behelfsmäßig, Funktion der Schranken am Bahnübergang nicht nachvollziehbar, manchmal bleiben die Dinger ewig unten und man kann sich während der Wartezeit eine Pizza liefern lassen. Es geht also nur holprig und langsam voran. So fühlt sich mein Gehirn oft an, wenn ich unterrichte. Leute, das müsste doch alles viel schneller gehen, mach' endlich hinne, ich werd' hier noch kirre! (Insider) Mit den Schülern etwas zu erarbeiten kann eine sehr zähe Sache sein und dauert gern mal länger, als man veranschlagt hat.

Dann endlich das Ortsschild, raus aus Eckernförde, Vollgas geeeeeeb.....remsen. Ich werde erstmal auf siebzig gedrosselt. Dann auf fünfzig, Baustelle. Symptomatisch für den Teil im Leben, in dem ich denke, ich hätte nun endlich Freiheiten - besonders nach den vorangegangenen Bremspartien.

Aber dann! Dann wird die Strecke plötzlich zweispurig und hundertzwanzig sind erlaubt. Plötzlich wird die Straße breiter, ich fühle mich freier, als würde ich jetzt tatsächlich etwas hinter mir lassen. Na klar trete ich auf das Gaspedal und genieße meine endlich zurückgewonnene Freiheit. Wo ich denn gefangen war? Nicht schwer zu erraten. Als Zeichen der Ungebundenheit öffne ich die Fenster, lasse die herrliche Sommerluft ins Auto strömen.

Ich komme in einen Rausch, den ich hier schon einmal beschrieben habe.

Dann geht es auch noch nach oben, hoch hinauf auf die Levensauer Hochbrücke. Ich fühle mich, als könne ich auf die ganze Welt herabsehen. Als hätte ich endlich etwas erreicht. Ich sonne mich im Glanz der Errungenschaften. Alles passt perfekt.

Alles... bis auf die komischen Aufbauten da am Straßenrand. Blitzkästen. Sie stehen da oft, an der Brücke bei der Abfahrt Suchsdorf. Im Bruchteil einer Sekunde werde ich wieder ganz klein mit Hut, ich habe nicht daran gedacht, dass hier mittlerweile nur noch hundert Sachen erlaubt sind. Wenn ich zu viele Freiheiten erhalte, werde ich übermütig, ich überspanne den Bogen und werde dann meistens unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

In der Konsequenz fahre ich das letzte Stück bis nach Haus absolut vorbildlich und nehme mir vor, das nie wieder zu tun. Zu übertreiben. Doch leider ist bei Gettorf immer die Fahrbahnerweiterung und immer das höhere Geschwindigkeitslimit. Meinen Vorsatz vergesse ich über Nacht, fahre am nächsten Tag ganz normal hin, fühle mich eingesperrt und möchte ausbrechen. Und das ist gar nicht so leicht, denn, wenn ich in Eckernförde auf die B76 abbiege, ist erstmal dreißig angesagt...

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