Sonntag, 26. Juni 2016

Ich bin so geil!


Dieser wunderbar bescheidene Threadtitel leitet ein zu einer Beobachtung, die ich schon mehrfach machen konnte und die nun mit einem weiteren Beispiel anschaulich unterlegt wird. Es ist nämlich so, dass ich eine Selbstwahrnehmung habe, die sich mitunter drastisch von der Fremdwahrnehmung unterscheidet. Jemand meinte unlängst zu mir: "Ich frage mich, warum du in deinem Blog immer wieder dich selbst positiv darstellen musst, indem du andere Menschen runterputzt. Ich finde das, ehrlich gesagt, ziemlich feige."

Mein erster Gedanke war natürlich wieder: Aber so etwas tue ich doch nicht, würde überhaupt nicht auf die Idee kommen. Warum sollte ich mich selbst positiver darstellen, als ich bin? Dann habe ich in Ruhe nachgedacht. Tatsache ist, dass ich in meinen Blogbeiträgen manchmal versuche, anschaulich darzulegen, wie ich mich von anderen Menschen unterscheide.

Ich habe das zum Beispiel gemacht in dem mittlerweile indizierten Artikel über Gemeinschaftsschullehrer gegenüber Gymnasiallehrern. Ich habe der Arbeit eines Gemeinschaftsschullehrers unterstellt, dass sie pädagogischer sei als die eines Gymnasiallehrers. Ich hab das (meiner Wahrnehmung nach) nicht mit irgendwelchen Wertungen versehen, sondern aus eigenen Beobachtungen und Erlebnissen abgeleitet. Ich bin der Überzeugung, dass die Gemeinschaftsschule eine andere Art der Arbeit erfordert als das Gymnasium.

Das sollte nicht heißen, dass ich die Arbeit einer Schulform mehr wertschätzen würde als die der Anderen. Es war lediglich die Feststellung eines Unterschieds. Mir ist sehr wohl bewusst, dass viele Leser gleich in die Verteidigungshaltung gehen. Und dann kommen eben solche Reaktionen wie:

"Ich find das nicht in Ordnung, dass du alle Gymnasiallehrer da über einen Kamm scherst und behauptest, dass sie weniger Arbeit hätten." - "Wie kannst du zu so einem Urteil kommen, du kennst uns doch gar nicht." - "Naja, da hast Du die Gemeinschaftsschularbeit aber auch erheblich simplifiziert."

Ich bin eigentlich immer der Auffassung gewesen: Das, was Leser in meine Texte hineindeuten, ist deren Problem. Wenn sie sich dadurch angegriffen fühlen, ist das deren Problem - sofern kein expliziter Angriff beschrieben wird. Und die Leser, die sich angegriffen fühlen, sollten vielleicht mal überlegen: Entweder schreibt Dr Hilarius da völligen Unsinn, dann kanns mir auch egal sein, jeder kann sich ja selbst davon überzeugen, dass die Dinge nicht so sind, wie er schreibt. Oder aber es ist ein Körnchen Wahrheit in dem, was er schreibt, und dass ich mich auf den Schlips getreten fühle, liegt daran, weil ich mich selbst gerade ertappt habe.

Oder aber, man sagt einen der oberen Sätze und bringt als weiteres Beispiel zur Untermauerung an: "Nimm doch mal deinen Beitrag über die Schülerrückmeldungen. Du hast die ganze Zeit geschrieben, wie toll du bist." - "Ja, aber ich habe auch erwähnt, dass ich mir die Kritik zu Herzen nehme." - "Ja, aber da hast du nichts weiter aufgeführt. Siehst du?" Dass ich dann erwähne, dass ich die Kritik nicht ausformuliert habe, weil ich von den jeweiligen Schülern nicht die Erlaubnis hatte, das im Blog zu veröffentlichen, würde da vollkommen untergehen.

Weil es Menschen oft passiert, dass sie beginnen, in Schubladen zu denken. Sie sortieren jemanden schnell dort ein und jeglicher weitere Kontakt mit der Person wird durch die Maske der Schublade betrachtet. Da kann man sich noch so oft einreden "Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann" - das Bild im Kopf bleibt allzu oft unumstößlich. Wie schrieb Eugen Roth im Gedicht über die Tasche?

"Der Mensch hat meist den übermächtigen
Naturdrang, andere zu verdächtigen.
Die Aktentasche ist verlegt.
Er sucht sie, kopflos und erregt
und schwört bereits, sie sei gestohlen
und will die Polizei schon holen
und weiß von nun an überhaupt,
dass alle Welt nur stiehlt und raubt.
Und sicher ists der Herr gewesen,
der, während scheinbar er gelesen -
er ahnt genau, wie es geschah.
Die Tasche, ach, da ist sie ja!
Und all der Aufwand war entbehrlich,
und alle Welt wird wieder ehrlich.
Doch den vermeintlich frechen Dieb
gewinnt der Mensch nie mehr ganz lieb.
Weil der die Mappe, angenommen,
sie wäre wirklich weggekommen - 
und darauf wagt er jede Wette - 
gestohlen würde haben hätte."

Das ist nur allzu menschlich, dass man Menschen nicht "neu beurteilen" kann. Und wie schrieb Terenz, hätte er damals auf deutsch geschrieben? "Ich bin ein Mensch. Mir ist, so glaube ich, nichts Menschliches fremd." Und da dieser Satz sich in meinem Lebensskript (TA ftw!) wiederfindet, möchte ich damit ausdrücken, dass auch ich in Schubladen denke. Das heißt, ich möchte mit diesem Beitrag eben *nicht* ausdrücken, dass ich so geil bin. Und *nicht*, das mir so etwas nie passiert. Ganz im Gegenteil.

Und wenn es mir nicht vollkommen egal wäre, was andere Menschen von mir denken, würde mich immer noch der Gedanke plagen, dass man mir in dieser oder jener Situation im Leben keine Chance zur Bewährung gegeben hat.

Like I care!

post scriptum: Wenn du dich mit diesem Artikel tatsächlich persönlich angegriffen fühlst, ja, dann ist das dein Problem. Sei dir bewusst: Ich habe dich hiermit nicht angreifen wollen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen