Was sage ich nur? |
Gestern habe ich darüber geschrieben, wie ich Menschen mit meiner Art vor den Kopf stoßen kann. Dazu gehört auch die Wortwahl: Während ich das Wort asozial als reine Feststellung benutze (nicht sozial), fühlen sich jene Schüler, denen ich das in's Gesicht klatsche, getroffen, persönlich beleidigt und verstehen nicht, warum DrH, der doch eigentlich so nett ist, plötzlich so in's Porzellan langt.
Sprache dürfte für Asperger ein Kernthema sein. Ich habe mehrfach den Satz gehört "Bei dir muss man ja aufpassen, was man sagt", und gleichzeitig benutze ich meine Sprache uneindeutig. Es ist schon häufiger vorgekommen, dass der eine oder andere Blogeintrag bei Euch ganz anders angekommen ist, als es von mir gedacht war.
Ein schönes Beispiel von Wortwahl, bei der ich umdenken musste, ist hochbegabt. Ich hatte einst darüber geschrieben, dass Menschen oft gleich in eine defensive Rolle gehen, wenn ich sage, ich sei hochbegabt. Und dazu kommen dann die Vorurteile: Hochbegabte sind perfekt, Einserkandidaten, sie können alles, sie sind Genies. Ich hatte nach ein paar Monaten Plön dann endlich die Nase voll davon und habe den Begriff hochbegabt ersetzt durch anders im Kopf.
Eine neue Sache, die ich mir durch den Kopf gehen lassen sollte, stammt aus dem gestrigen Beitrag, in dem ich geschrieben habe, dass ich schon wieder vergessen habe, der Sannitanic zum Geburtstag zu gratulieren. Dabei habe ich es nicht vergessen. Ich weiß ja, wann sie Geburtstag hat. Oder noch anschaulicher: Ich habe vergessen, am ersten August zum Arbeitsamt zu gehen und mich arbeitslos zu melden: Das stimmt so nicht, denn dieser Tag war ja fett und rot in meinem Kalender notiert, ich habe ihn immer wieder vor meinem geistigen Auge gehabt, schließlich ist zu dem Zeitpunkt mein Arbeitsvertrag ausgelaufen und es geht immerhin um Geld.
Ich bin noch immer nicht arbeitslos gemeldet - morgen geht es los - aber ich habe das nicht vergessen. Ich habe einfach nicht daran gedacht. Genauso mit dem Essenvergessen - ich habe nicht daran gedacht. Ich denke nicht an den Ölwechsel, ich denke nicht daran, die Waschmaschine zu reinigen, ich denke nicht daran, mich nach neuen Jobs umzusehen. Denn es gibt in meinem Kopf immer wieder Dinge, die - in meiner Wahrnehmung - wichtiger sind. Das kann ein toller Film sein, oder die Kurzgeschichte, die ich schreibe, oder ein neues Rätselheft. Ich komme davon nicht los, und so verpasse ich alles Mögliche, teilweise Lebensnotwendige.
"Mach Dir Zettel, damit du daran denkst!" - ja, mache ich ja auch. Ich habe jetzt mehrere Tafeln in der Wohnung, die mich zum Beispiel an Wartungsarbeiten erinnern, und es werden noch weitere dazukommen. Ich brauche viele dieser Erinnerungshilfen.
Falls Ihr schon einmal einen Asperger-Schüler unterrichtet habt, ist Euch vielleicht aufgefallen, dass manchmal eine Schulbegleitung notwendig ist. Jemand, der mit dem Aspi zur Schule geht, um ihn daran zu erinnern, seine Sachen einzupacken, Schuhe zuzubinden, etwas zu essen. Ich frage mich, ob Frau Hebauf, damals in Brachenfeld, auch schon einmal einen Aspi betreut hat.
Ganz im Ernst, das ist keine Kleinigkeit. Wie oft bekomme ich als Antwort "Das kenne ich, geht mir auch so" - und es ist sehr schwer, Menschen klarzumachen, dass man in diesem Fall von einer Behinderung spricht.
post scriptum: Nach längerer Zeit bestelle ich mir mal wieder Bluray-Discs. Für gewöhnlich schaue ich Filme als "video on demand" im Internet, leihe sie mir digital aus und das war's. Manchmal aber bekomme ich das Gefühl, dass ein Film wichtig für mich sein könnte, und dann füge ich ihn meiner Filmtasche hinzu, um ihn immer wieder anschauen zu können. Diesmal geht es um "Ben X" (2007), weil ein Asperger-Film für mich vielleicht doch noch etwas relevanter sein könnte, als ich bisher dachte. Der andere Film ist "Europa Report" (2013), ein richtiger Nerd-SciFi-Film. Endlich geht es mal um Wissenschaft und um die Frage, ob da draußen im All Leben existiert. War richtig spannend!
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