Samstag, 24. August 2019

Before the Cataclysm (HC I)

Nur ein Hauch von Science Fiction...

Alles ist still. Niemand hier. Die meisten Anwohner haben die Warnungen der Behörden ernst genommen, und nun wirkt die Hamburger Chaussee wie ausgestorben, wenn man von den wenigen Linienbussen absieht, die noch fahren. Und natürlich gibt es einige besonders beratungsresistente Bürger, die ihre Autos noch immer auf dem Seitenstreifen oder in zweiter Reihe parken. In regelmäßigen Abständen werden diese Wagen abgeschleppt, doch wie Fliegen auf Essensresten setzen sich immer wieder Fahrzeuge mit oder ohne Warnblinklicht dort ab, als würde das etwas ändern. Als hätten sie damit die Erlaubnis, dort zu stehen. Zeigt nur, dass sie die Dummheit haben, dort zu stehen, auch wenn der Kollaps bevorsteht, und sie ihre Fahrzeuge womöglich nie wiedersehen werden.

Sehen sie denn nicht die Warnschilder entlang der Straße? Sehen sie nicht die halbseitigen Sperrungen, haben sie denn nicht die Briefe der Stadtverwaltung bekommen? Manche Menschen scheinen für sich Sonderrechte herauszunehmen, nur weil sie einen IQ von hundertvierunddreißig oder achtundvierzig Zentimeter Oberarmumfang oder einen hochgetunten Mercedes haben. Sind wir das? Sind wir so? Nehmen wir uns das Recht heraus, selbst zu entscheiden, was wir dürfen und was nicht? Nehmen wir uns selbst die Klugheit heraus, zu wissen, was gut für uns ist und was nicht? Ist es tatsächlich so, dass wir nicht auf andere Menschen hören, auch wenn sie uns warnen?

Ein beliebter Topos in Katastrophenfilmen. Man neigt dazu zu denken, aha, da ist wieder jemand beratungsresistent, der wird definitiv vom Tsunami ergriffen oder wird in den Vulkan stürzen, oder er wird in einem zusammenstürzenden Hochhaus erschlagen. Es scheint tatsächlich so, dass jeder Katastrophenfilm solche Charaktere hat, und vielleicht sollte man sich darüber nicht aufregen, wenn man bei'm Blick in die Realität bemerkt, dass es wirklich solche Menschen gibt. Dumm - bin ich auch immer und immer wieder. Aber ich habe meinen Wagen nicht in der Hamburger Chaussee geparkt.

Jetzt ist es also soweit. Nacht. Ich sitze mitten auf der Hamburger Chaussee, einer der meistbefarenen Straßen Kiels, und ich muss mir überhaupt keine Sorgen machen, dass ich jetzt überfahren werden könnte. Die Straße ist abgesperrt, vor der Katastrophe, genau wie eine Blutstaubinde vor einer Operation angelegt wird, damit kein Blut durch die zu operierende Stelle gepumpt wird. Ich sitze mitten auf der Kreuzung. Vor mir, in einiger Entfernung, der Waldwiesenkreisel, links die Helgolandstraße, und rechts geht es zur großen Buba, die den Untergang der Hamburger Chaussee live miterleben wird, da hilft auch kein Teigen oder Spülen, es wird ernst. Ich drehe mich um, schaue auf den noch befahrbaren Teil der Straße, und lehne mich gegen die rot markierte Absperrung. Nichts zu sehen, doch... ein Motorengeräusch wird langsam immer lauter, und wenn ich vom Geräusch auf die Geschwindigkeit schließen kann, weiß der Fahrer noch nicht, dass es hier kein Durchkommen mehr gibt. Ich lächele, lehne den Kopf hinten an, und warte, dass das Auto hinter der Kuppe des Hügels auftaucht. Ich hole meine Kamera heraus und bin bereit... ich möchte sehen, wie er sich wohl verhält, wenn er merkt, dass es hier nicht mehr weitergeht. Wie eine Maus im Labyrinth; dort leuchten die Scheinwerfer auf. Der Autofahrer macht keine Anstalten, den Wagen herunterzubremsen. Er benutzt die Lichthupe, möchte mich wohl von der Straße verscheuchen, aber wo will er denn hin? Ich grinse über das ganze Gesicht, während das Geräusch immer näher kommt.

Wir wissen, dass die Katastrophe bevorsteht. Wir wurden vor Wochen gewarnt, dass es passieren wird, die Erde wird aufbrechen und nichts wird mehr so sein, wie es einst war. Wir werden von der Außenwelt abgeschnitten sein, denn heute war meine letzte Autofahrt, bevor ich den Wagen in sicherer Entfernung abgestellt habe. Wie geht man damit um, wenn man weiß, dass die Welt untergehen wird? Jeder findet dafür seinen eigenen Weg, der eine verzweifelt, der andere geht in aller Ruhe auf das zu, was kommt. Und ich schließe meine Augen...

Fortsetzung folgt...

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