Freitag, 27. Juli 2018

Lass' mal den Aspi ärgern!


Würdest Du in einer I-Klasse unterrichten?

Ich bin mir sicher, der eine oder andere Leser hat diese Frage schon einmal gehört, besonders, wenn er Lehrer an einer Gemeinschaftsschule ist. "I-Klasse" bedeutet Inklusionsklasse, und auf die Inklusion ist unser Bildungsministerium sehr stolz, auch wenn bisher nur erste Schritte gegangen wurden und noch viel gemacht werden muss.

Inkludiert werden sollen Schüler mit einem festgestellten Förderbedarf, und ich habe die Arbeit in I-Klassen immer als sehr bereichernd empfunden, auch wenn es anstrengend ist. Meine erste I-Klasse hatte ich in St.Peter-Ording, es saß dort unter anderem ein Schüler mit dem Asperger-Syndrom, der auf eine Schulbegleitung angewiesen war. Das kannte ich vorher noch nicht, fand es sehr spannend und ich bin froh, dass es so etwas gibt (also, die Schulbegleitung).

Warum ich davon erzähle - ich hatte vor einer Weile einen Beitrag geschrieben über die Darstellung von Hochbegabung im Film und ihn links in die Linkliste gepinnt, mit der Idee, immer mal wieder neue Filmbesprechungen hinzuzufügen. Filme, von denen ich der Meinung bin, dass sie - auf verschiedenste Weise - das Erleben von Hochbegabung veranschaulichen.

Es geht hier zwar um Asperger, aber es gibt große Schnittmengen zwischen beiden Diagnosen. Das ist mir heute wieder sehr bewusst geworden, als ich den Film Ben X (2007) gesehen habe. Es geht um einen Asperger-Schüler in der Oberstufe; der Film ist an einer wahren Begebenheit orientiert, in der in Folge starken Mobbings ein Jugendlicher sich das Leben genommen hat.

Und es wird von Anfang an deutlich gemacht, dass auch Ben sich am Ende das Leben nehmen wird, also spoilere ich hier niemanden. Was hat mir an dem Film gefallen?

Verhaltensmuster wiederzuerkennen - Ben lässt sich nicht gern anfassen, seine Mutter kann ihm nur per Hand Küsschen geben. Ben hinterfragt alles. Er ist hypersensibel und kann zwischendurch starke Wutausbrüche erleiden. Emotionen sind für ihn ein Fremdwort.

Mir hat gefallen, wie ein Mädchen mit ihm spricht, nachdem er ihr von seinen Selbstmordplänen erzählt hat: Sie versucht nicht, ihn krampfhaft davon abzubringen, sondern schlägt ihm im Gegenteil verschiedene Suizidmethoden vor. Sie nimmt ihn ernst und spricht das alles sachlich mit ihm durch. Ich würde es wohl genauso gemacht haben.

Der Film kommt ohne unnötigen Kitsch aus - sachlich eben - und das fand ich gut. Das Erleben eines Aspergers wird geradezu greifbar, und auch ich als "nur" Hochbegabter habe mich in so Vielem wiedererkannt. Besonders die Mobbingszenen haben unschöne Jugenderinnerungen wachgekitzelt, und gleichzeitig habe ich mich erinnert gefühlt an die Wutausbrüche, die meine "Aspis" hatten, und mit denen viele Mitschüler nicht umgehen konnten. Ich hatte einen Asperger in meinem Rollenspielprojekt an der Schule in Neumünster - es war toll zu erleben, wie intensiv diese Menschen in andere Welten eintauchen können.

Besonders die letzte Szene fasst das Plädoyer des Films zusammen: Diese Menschen sind anders - lasst sie doch einfach sein, wie sie sind! Der Film mag seine Schwächen haben, aber die Einblicke in die Gedankenwelt eines Aspergers fand ich sehr überzeugend.

Der Film ist auf Amazon prime kostenlos.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen