Montag, 8. Juli 2019
Die Leiden des jungen Irren
vorweg: Dieser Beitrag ist nicht fiktional, daher nenne ich zur Anonymität keine Lehrernamen (nur L1, L2 usw.) und auch keine Schulen. Die folgenden Situationen haben genau so stattgefunden.
Okay, dieser Titel ist unpassend gewählt, denn das hat diesmal nichts mit Hochbegabung oder Autismus zu tun. Es geht um unser Schulsystem, von dem Karin Prien und Anja Karliczek (Landes- und Bundesbildungsministerin) sagen, dass es hochwertig und erfolgreich ist, dass nur die besten Lehrer eingestellt werden, auch Quereinsteiger - jeder, der für diesen Beruf qualifiziert und unsere Schüler möglichst gut fördern kann und will, sei hier mit offenen Armen willkommen geheißen.
Wir leben Inklusion (so heißt es). Aber die Realität sieht an manchen Stellen etwas grausamer aus.
Lehrkraft Eins
Vorfall im Unterricht
L1: "Die Kinder haben mir erzählt, dass du das und das im Unterricht gesagt hast. Ich will auch gar nicht die Gründe dafür wissen - wir alle werden irgendwann ungeduldig und lassen dann unseren Frust an den Schülern aus. Ich möchte nur mit dir klären, wie wir weiter mit dieser Situation umgehen."
DrH: "Ich bin etwas überrascht."
L1: "Wieso, dachtest du, dass das nicht herauskommt?"
DrH: "Nein, ich bin überrascht, dass du mich gar nicht nach meiner Sichtweise gefragt hast, und dass du nicht hinterfragt hast, ob das überhaupt tatsächlich passiert ist."
L1: "Naja, ich bin davon ausgegangen, dass du mich eh' anlügen wirst."
Lehrkraft Zwei
L2: "Du, ich muss mal mit dir reden, du bist zu nett mit den Schülern, das geht so nicht."
DrH: "Wieso bin ich zu nett? Bzw. wo ist denn das Problem?"
L2: "Du musst strenger mit den Schülern umgehen, auch mal laut werden. Das ist wie wenn man Hunde trainiert - wenn Du pfeifst, haben sie alle still zu sein, und wer das nicht ist, wird bestraft."
DrH: "Ich glaube nicht, dass ich das mit meiner pädagogischen Grundhaltung vereinbaren kann."
L2: "Ich will aber, dass du das machst. Sei streng, gib ihnen jeden Tag möglichst viele Hausaufgaben auf..."
DrH: "Aber ich dachte, an unserer Schule gilt die Richtlinie, dass die Schüler unter der Woche keine Hausaufgaben..."
L2: "Das ist mir egal, das sind meine Schüler und ich entscheide das. Und entweder, du richtest dich danach, oder ich werde dich bei der Schulleitung melden."
Lehrkraft Drei
L3: "Wie steht der Schüler bei dir im Unterricht?"
DrH: "Leider nicht so gut, das droht eine Fünf zu werden."
L3 lacht: "Ja, das glaube ich sofort. Ich weiß gar nicht, warum der überhaupt hier ist, der ist viel zu dumm für diese Schule. Dem müssen wir einfach noch ein paar Fünfen und Sechsen reindrücken, dann ist der schnell hier weg."
Lehrkraft Vier
DrH: "Ich hätte mich gefreut, wenn ihr mir irgendwann einmal mitgeteilt hättet, dass mein Vertrag nicht verlängert werden kann."
L4: "Wieso, ich dachte, das sei klar gewesen?"
DrH: "Nein. XY hat mich hier vor einem Jahr eingestellt mit den Worten Erstmal für ein Jahr, und dann haben wir die Möglichkeit zur Verlängerung. Wenn diese Möglichkeit nicht bestanden hätte, dann hätte ich gar nicht bei Euch angefangen, denn ich möchte langsam eine Perspektive haben."
L4: "XY hat das gesagt? Moment, das muss ich mal klären."
ein Telefonat und Bestätigung später
L4: "Wow, also bei dir muss man ja richtig aufpassen, was man sagt."
Lehrkraft Fünf
L5: "Naja, du hattest doch keine Probleme mit dem Referendariat, oder?
DrH: "Doch, die hatte ich, es ging mir monatelang richtig mies."
L5: "Aha? Aber das kann doch nicht sein, du bist doch immer lächelnd durch die Schule gelaufen. Ich finde deine Darstellung reichlich unglaubwürdig."
Keine Ahnung, warum ich das hier mal posten musste.
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