Donnerstag, 4. Juli 2019

Anders: Erste Eindrücke

Wer bin ich? Wie bin ich?

Ich fange heute mal mit einem Zitat von Klaus an; ich weiß, dass sie das hier liest, und sie weiß, dass ich ihr auch weiterhin wünsche, dass sie ihre mentalen Fesseln bald abschütteln kann. Sie schreibt: "Selbst wenn Du Autist bist, und davon bin ich teils schon ausgegangen, als Du am Pult saßt und in jeder Stunde wieder denselben Fineliner befummelt hast..." - und an dieser Stelle habe ich herrlich gelacht. Faszinierend, wenn Menschen, mit denen ich zu tun habe, sich denken, ich könnte Autist sein, aber niemand mir das mitteilt. Vielleicht auch aus Angst, ich könnte mich in Zukunft ausschließlich darüber definieren: "...bist Du nicht nur Autist." Und das ist natürlich vollkommen richtig. Ich finde es interessant, dass ich diesen Hinweis immer wieder bekomme, das ging damals los, als ich auf die Idee gekommen bin, ich könnte hochbegabt sein.

Liebe Leute, ich bin nach wie vor ich, und entweder, Ihr haltet das mit mir aus, oder Ihr lasst das. ;-)

Aber eine gesicherte Diagnose könnte mir nicht nur endlich Antworten geben, sondern würde mir auch neue Wege öffnen. Ich könnte endlich herausfinden, welche Hilfen ich in Anspruch nehmen kann - und ich wüsste auch endlich, welche Rechte ich damit habe. So haben Asperger zum Beispiel ein "Recht auf fernschriftliche Kommunikation" (dazu weiter unten), und auch arbeitsrechtlich könnte mir das ein wenig mehr Chancen geben.

Dazu brauche ich allerdings die Diagnose, und davon bin ich noch weit entfernt. Ein erster Schritt, den ich jetzt endlich gegangen bin, war ein Blick in die Wikipedia zu den Themen Autismus und Asperger-Syndrom. Erste Eindrücke möchte ich hier aufschreiben, indem ich einfach nur Passagen zitiere und meinen Kommentar dazu gebe. Sorry, spannender wird's heute nicht ;-)

Und, je mehr ich darüber nachdenke... eigentlich hätte ich schon an der Schule in Neumünster darauf kommen können. Am Ende des Schuljahres hatte ich bei der Schulleitung nachgefragt, wie es mit der festen Übernahme aussieht, da das zu Beginn des Schuljahres in Aussicht gestellt worden war. Daran konnte man sich nicht mehr erinnern, deswegen hatte ich aus dem Vorstellungsgespräch zitiert und bekam als Antwort: "Wow, bei dir muss man ja richtig aufpassen, was man sagt!"

Tja, das ist so eine Autismus/Asperger-Sache: Man nimmt seinen Gesprächspartner bei'm Wort. Und ich dachte immer, dass das ganz normal wäre und dass man das eben so macht. Ich habe auf etwas unangenehme Weise erleben dürfen, dass Menschen alles Mögliche sagen, um sich besser zu fühlen und für Harmonie in der Kommunikation zu sorgen. Wahrheitsgehalt egal. Finde ich unglaublich anstrengend.

Merkmale sind, neben Besonderheiten und Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation, Unterschiede bei der Wahrnehmung und Reizverarbeitung (dazu gehören v. a. sensorische Über- und Unterempfindlichkeiten und Schwierigkeiten bei der Reizfilterung) sowie häufig außergewöhnliche Interessen und Begabungen.

Ja, ich habe Probleme bei sozialer Interaktion, weil ich immer die Wahrheit sage und weil ich alles munter heraus sage, auch Dinge, die jemanden verletzen könnten. Frau Rösner hat damals an der Uni zu mir gesagt "Dr Hilarius, sie tragen ihr Herz auf der Zunge. Passen sie auf, das kommt nicht immer gut an!" Natürlich hatte sie Recht - aber so bin ich eben.

Das Asperger-Syndrom ist nicht nur mit Beeinträchtigungen, sondern auch mit Stärken verbunden (etwa in den Bereichen der Wahrnehmung, der Selbstbeobachtung, der Aufmerksamkeit oder der Gedächtnisleistung).

Selbstbeobachtung, oh ja, ich denke quasi ununterbrochen über mein eigenes Verhalten nach (was meine derzeitige Schulleitung mir niemals glauben würde). Und das mit der Aufmerksamkeit kann gefährlich sein; oft hat man mir gesagt, dass ich im Gespräch immer sehr genau zuhöre - so geht es mir mit allem, was mich wirklich interessiert, nur leider bekomme ich dann um mich herum kaum noch etwas mit.

Eine Studie der Autismus-Forschungs-Kooperation (AFK) mit 271 erwachsenen Probanden mit Autismus ergab, dass deren durchschnittliches Alter zum Zeitpunkt der Diagnosestellung 35 Jahre gewesen war und dass 87 % der Probanden ihre Diagnose erst nach dem 18. Lebensjahr erhalten hatten. Besonders Asperger-Autismus würde häufig erst sehr spät diagnostiziert, weil die Probleme der normal intelligenten Autisten weniger „offenkundig“ seien.

Okay, ich bin noch fünfunddreißig Jahre alt und passe da hinein, oder? Mir wird immer klarer, dass ich mich endlich mal auf das Asperger-Syndrom testen lassen sollte.

"Gerade bei den Autistischen sehen wir – mit weit größerer Deutlichkeit als bei den ‚Normalen‘ –, daß sie schon von frühester Jugend an für einen bestimmten Beruf prädestiniert erscheinen, daß dieser Beruf schicksalhaft aus ihren besonderen Anlagen herauswächst."

So sagt Hans Asperger; ich lasse das mal unkommentiert.

Danach wird der Autor aufgrund seines Asperger-Syndroms eher als Problemfall (der Widerstand hervorruft) und wegen seiner Stärken als Kapazität (Leistungsträger) wahrgenommen. Menschen mit Asperger-Syndrom, die anscheinend von Kindheit an für einen bestimmten Beruf vorherbestimmt (prädestiniert) zu sein scheinen, stoßen in der modernen Arbeitswelt, in der es immer mehr auf Mobilität, Flexibilität, Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit ankommt, auf große Schwierigkeiten. Inwieweit es ihnen gelingt, eine ihren Eigenarten entsprechende Nische zu finden, hängt sowohl von den Menschen, mit denen der Autist zusammenarbeiten muss, besonders den Vorgesetzten, als auch von den bereitgestellten Arbeitsbedingungen ab.

Genau das sind die Probleme, mit denen ich in fast allen Schulen immer wieder zu tun hatte, und ich suche immer noch ein Kollegium, das mich akzeptiert.

Autisten haben in Deutschland das Recht auf barrierefreie fernschriftliche Kommunikation. Das kann beispielsweise einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14. November 2013 entnommen werden, die von der Enthinderungsselbsthilfe von Autisten für Autisten erstritten wurde.

Ich hasse es, zu telefonieren - darüber habe ich auch hier schon oft geschrieben. Ich weiß nicht, wer mit mir sprechen will, ich weiß nicht, worum es geht, also gehe ich in der Regel nicht an's Telefon, wenn es klingelt.






Das reicht erstmal mit den Eindrücken. Der nächste Schritt besteht darin, herauszufinden, an wen ich mich für eine Testung wenden muss. Geht los.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen