Samstag, 9. Dezember 2017

"Die Schüler sind echt saudumm!"

Aber es betrifft nicht nur Lateinschüler...

Vorwort: Aus diesem Text wird man ein wenig Gegenwind gegen die eine oder andere Schule herauslesen können. Falls Du dich von dem Text angegriffen fühlst, falls Du dich im ganz konkreten Beispiel unten wiederfindest: Shame on you! Das ist nicht mein Problem, denn dann scheinst Du einen Fehler zu machen, den ich im heutigen Text einmal aufzeigen möchte. 

Es geht schon wieder um Schule. Sorry, aber über diesen Punkt möchte ich seit über anderthalb Jahren schreiben, und nun nutze ich die Gelegenheit dazu. Der Aufhänger ist der Satz im Titel des Beitrags. Es geht mir nicht darum, dass irgendeine Lehrkraft ihn so gesagt haben könnte (würde natürlich NIE jemand machen...), sondern dass im Kopf einiger Schüler der untilgbare Eindruck entsteht, dass sein Lehrer derart über ihn denkt. Dass ein Lehrer seinem Schüler das Gefühl gibt, dumm zu sein. Und das geht unglaublich einfach, unglaublich schnell, und ganz oft bekommen wir es nicht einmal mit. 

Vielleicht zuerst ein Beispiel aus meiner eigenen Lebenswelt, noch gar nicht auf die Schule bezogen. Wer braucht schon Prädikate. Eines Tages habe ich meinen besten Freundinnen von den Inhalten in der Uni erzählt, muss in der Nähe des Examens gewesen sein, und habe ihnen gesagt, dass ich mich so dumm dabei fühle und dass ich das Examen versemmeln werde. Dieser Eindruck sei entstanden, als ich mit meiner Englischprofessorin Inhalte meiner Examensarbeit besprochen habe. Sowohl die Sannitanic als auch die große Buba haben dann unabhängig voneinander zu mir etwas gesagt wie: "Ja, jetzt weißt du mal, wie man sich fühlt, wenn man sich mit dir unterhält. Da fühle ich mich manchmal auch sehr dumm."

Bitte?!? Das habe ich nicht verstanden und habe mir das dann erklären lassen. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, dass ich hochbegabt bin, aber meine Art zu sprechen scheint wohl symptomatisch gewesen zu sein, und auch die Art und Weise, wie ich Inhalte aus Lehrveranstaltungen gelernt habe. Das hat also zu einem "Gegen dich komme ich nicht an"-Gefühl geführt. Und ich habe das nicht einmal bewusst wahrgenommen.

In unseren Unterrichtsfächern sind wir Lehrer fast immer fitter als unsere Schüler. Schließlich haben wir sie irgendwann einmal im Rahmen einer Fachwissenschaft studiert, bevor wir dann alle Inhalte auf ein Schulniveau herunterbrechen mussten. Und weil wir fitter sind, fällt es uns nicht schwer, unsere Schüler sich dumm fühlen zu lassen: Wir stellen Fragen, auf die wir natürlich die Antworten wissen, während manche Schüler auch nach langem Grübeln nicht auf die Lösung kommen. Für uns ist in unserem Fach (so gut wie) alles klar, während es Schüler gibt, die auch nach stundenlangem Lernen einfach gewisse Zusammenhänge nicht verstehen. Und so schaffen wir es, dass sie sich dumm fühlen, und ganz oft bemerken wir es nicht einmal. Nein, eher kommt es vor, dass eine richtige Antwort seitens des Schülers von uns nicht einmal gelobt wird, sondern als selbstverständlich hingenommen wird, womöglich noch mit einem "Na, das hättest du aber auch schneller wissen können".

Das zweite Beispiel eines Angriffs auf das Selbstwertgefühl eines Schülers liegt in den Erwartungen, die von allen Seiten an ihn gestellt werden. Nehmen wir eine Schülerin in der Oberstufe eines Gymnasiums. Alle Welt scheint zu erwarten, dass Schüler eines Gymnasiums das Abitur machen - ob sie es nun für ihren Lebens- bzw. Berufsweg brauchen oder nicht. Nun frage ich die Schülerin im Rahmen einer Vorstellungsrunde, was sie denn einmal machen möchte, wenn sie das Abitur bestanden hat. Sie antwortet mir, dass sie das Abitur nicht machen wird, sondern mit der Fachhochschulreife abgehen und eine Ausbildung machen wird. Ich antworte ihr, dass ich das großartig finde. Dass sie so einen konkreten Plan im Kopf hat und auch, dass sie sich entschieden hat, eben nicht das Abitur zu machen und noch mehr Zeit an der Schule zu verschwenden.

Nach der Stunde meint die Schülerin auf dem Weg nach draußen zu mir: "Ich wollte nochmal danke sagen. Sie sind der einzige Lehrer, der das gut findet, dass ich mit der Fachhochschulreife von der Schule gehe." Ich sage ihr, dass ich mir das nicht vorstellen kann und sie erzählt mir, horribile dictu, dass tatsächlich von allen Seiten, auch im familiären Umfeld, Gegenwind kommt, weil alle von ihr einen "vollwertigen Gymnasialabschluss" erwarteten und die FHR da anscheinend nicht zählt.

Ich weiß nicht, ob ich dieses Beispiel noch weiter kommentieren muss. Ich hoffe einfach, dass beide kleinen Geschichten erklären, warum ich aus dem Titel des Beitrags ein Zitat in Anführungszeichen gemacht habe, auch wenn vielleicht niemand ihn expressis verbis gesagt hat. Er steckt in den Köpfen vieler Schüler, und zwar oft unabhängig von deren tatsächlicher Intelligenz und unabhängig von der Schulform.

Lasst uns mal etwas dagegen tun, damit die Schule nicht noch mehr zu einem Ort der Erniedrigung wird, den die Schüler fürchten.

post scriptum: Das geht heute an Herrn Leinhos, der mir ein grandioses Beispiel für die Besessenheit der Japaner mit deutschen Namen gegeben hat (ein Typ, der "Frau" heißt...); ich spiele derzeit ein Spiel, in dem zwei Figuren "Adam" und "Eva" heißen. Natürlich zwei Männer. Und um es noch absurder zu machen, stellt Eva irgendwann beim Blick in ein Buch über die Menschheit fest, dass Eva ja eigentlich ein Frauenname ist. Und natürlich sind Adam und Eva spindeldürr, mit den üblichen hervortretenden Hüftknochen und die einzige Bekleidung besteht aus schwarzen, eng anliegenden Lederhosen, die just unter den Hüftknochen enden. Herrlich, wie sich sowas immer wieder findet!

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