Samstag, 16. Dezember 2017

Gehirn sagt "Nein"

Ivor Novello in The Lodger (1927) - sind das nicht verführerisch sinistre Augen?

Heute ist Samstag, ein sonniger, wie ich feststelle. Und wie an so gut wie jedem dritten Samstag im Monat findet heute Abend die Lost Souls statt. Natürlich gehe ich dort hin: Ich liebe die Gelegenheit, mal etwas schwärzer als sonst auszugehen, die Nägel frisch lackieren und endlich mal wieder etwas Kajal und Lidschatten dazu. Und ein paar Runden zu tanzen mit anderen Kreaturen der Schwarzen Szene. Heute abend ist es also wieder soweit.

Aber das Gehirn sagt "Nein".

Weil da der gestrige Freitag mit drei schönen Filmen war, die einfach Lust auf mehr gemacht haben. Und weil ich momentan ein Interesse für Stummfilme hege; heute soll es Langs Metropolis (1927) geben, vielleicht auch einen anderen Hitchcock-Novello-Film, Abwärts (Downhill, 1927). Vielleicht auch etwas von Buster Keaton, wenn etwas humorvoller sein soll.

Das ist vielleicht wieder so eine HB-Sache. Dass mein Gehirn manchmal spontane Planänderungen vornimmt, obwohl ich sie eigentlich überhaupt nicht ausstehen kann, wenn sie mir von außen aufgezwungen werden. Da hege ich Plan A, und plötzlich kommt mir etwas Interessantes, Spannendes unter die Augen und mein Gehirn beschäftigt sich nur noch damit - übrigens eine herrliche Gelegenheit, mal wieder das Essen zu vergessen.

So ist es dieses Mal auch wieder. Die gestrigen Filme waren so großartig (auch die von davor), dass ich komplett im Film-Modus bin. Ich will heute Abend gar nicht ausgehen - auch wenn die nächst LS wieder einen Monat hin ist. Gehirn sagt "Nein" - und kann ich ihm das verübeln, angesichts The Graduate (Die Reifeprüfung - eigentlich hat mich der Film gar nicht soooooo sehr interessiert, aber die Musik von Simon&Garfunkel ist einfach zu großartig [wenn auch "eigentlich" nicht meine Musikrichtung] und für Anne Bancroft in der Rolle der Mrs Robinson würde ich zur Hete werden, und jetzt verstehe ich auch einige Szenen von Wayne's World wesentlich besser) - wobei vorletzterer Gedanke angesichts von Ivor Novello (s. ganz oben) wieder in den Hintergrund rutscht; deswegen will ich ihn auch heute wieder sehen, in einem anderen Film. Ein bisschen Eisensteins Battleship Potemkin - wow, echt klasse, mit einer ziemlich intensiven Szene (wer es kennt - die Odessa Steps, ziemlich beeindruckend), endlich, endlich Orson Welles' Citizen Kane - ziemlich genial, ich verstehe, warum viele diesen Film für den besten aller Zeiten halten. But I won't tell - findet es selbst heraus. Eine weitere Bildungslücke habe ich mit Forrest Gump abgeschlossen - ich bin ganz froh, dass ich den Film nach meiner Zeit an Gemeinschaftsschulen gesehen habe und dadurch Menschen mit einem niedrigen IQ kennenlernen durfte; dadurch konnte ich in dem Film besser mitgehen (wenn man irgendwie immer nur hohe Intelligenz "kennengelernt" hat, ist das nicht so einfach zu verstehen, und unbedarft hätte ich den Film vielleicht für übertrieben in Forrests Darstellung gehalten).

Zwei Stunden später...

Ich muss durchatmen. Und eine kleine Träne aus dem Augenwinkel wischen. Früher dachte ich immer, dass ich keine epischen Filme schauen möchte. Die sind so lang und unhandlich und immer das Gleiche, Gut gegen Böse, und noch ein bisschen Liebe rein, Kitsch blabla, fühlt sich an wie "alles schon gesehen", ich brauche Unkonventionelles.

Während es stimmt, dass ich immer auf der Suche nach Unkonventionellem im Film bin, stimmt das "alles schon gesehen" nicht. Warum rede ich mir ein, ich würde die Klassiker schon kennen, wenn ich sie nicht kenne? Entsteht daraus so ein starker Drang, anders zu sein? Ich habe eben einen weiteren Klassiker erlebt, Fritz Langs Metropolis (1927). Es ist irre, was man damals für Effekte zur Verfügung hatte. Es ist irre, wie sehr dieser Film mich packen kann. Es ist irre, wie sehr der Film nachwirkt. Das tut er jetzt, Zeit für eine Meditation. Meditation darüber, dass ich ein wenig reifer werde und aufgeschlossener gegenüber den Dingen.

Eigentlich eine recht coole Alternative zur Party.

post scriptum: Ich habe heute sehr viel Spaß mit dem "Amazon Fire TV Stick" gehabt. Das Teil lässt einen auf das Film-, Serien- and whatnot-Sortiment von Amazon zugreifen. Ganz einfach per Knopfdruck und Sprachsteuerung. Also suche ich per Sprachsteuerung "Metropolis" - nichts. Ich sage "Eraserhead" - nichts. Ich sage "The Wind" - und bekomme die Wettervorhersage für Kiel. Da platzt mir der Kragen und als nächste Suchanfrage pöbel ich das Gerät an - mit folgendem Suchergebnis, das mir herrliche Lachkrämpfe beschert hat:

 

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