Poppy Z Brite ist ein Autor mit einem Auge für das Düstere |
Man kann es nicht glauben. Man will es nicht sehen - und schaut doch hin. Man weiß, dass man Alpträume bekommt - und nimmt es doch mit allen Sinnen auf. Ich finde das faszinierend, dieses Nicht-Wegschauen-Können, das sicherlich jeder der Leser schon einmal erlebt hat. Im gestrigen Beitrag hat sich das ja so ein bisschen angekündigt; die Faszination, wie weit die menschliche Fantasie reicht, in wie tiefe Abgründe man da blicken kann.
Purer Zufall, aber so kommt es eben: Heute war für mich die X-Files-Episode Home dran. Klassischer, grausiger Horror. Man will es nicht sehen - und schaut doch hin. Es geht um eine Familie, die durch Inzest stetig weiter degeneriert ist, bis schließlich ein nicht lebensfähiges Kind zur Welt gebracht wird. Man muss ein bisschen von Biologie verstehen, dann realisiert man, dass diese Folge sauber und vor allem lange durchdacht wurde. In dieser Episode wird alles gezeigt, was da so passieren kann - und ich gehe jetzt ganz bewusst nicht ins Detail, denn: Das gehört den Werken selbst. Schaut es Euch selbst an! Schaut Euch Staffel vier, Episode zwei der Akte X an. Es ist schwer auszuhalten, aber es ist unmöglich, wegzuschauen (...und in der Analogie: Lest die gestrige Geschichte bis zum Ende durch, das ist die einzige Möglichkeit, herauszufinden, was daran so ungewöhnlich ist).
Die Rezension solcher Kunstwerke ist immer unglaublich kontrovers. Widerlich! Abstoßend! Krank! Ekelhaft! Das mag alles stimmen - man macht es sich dann aber zu leicht, wenn man in der Konsequenz das Werk selbst verreißt. Denn die Tatsache, dass wir emotional so stark von dem Dargebotenen berührt werden, spricht für die Effektivität und die Qualität des Werks. Home ist eine total kranke Episode, die Familie wird am Ende richtig gezeigt und sie sind widerlich anzuschauen - aber vom künstlerischen Standpunkt muss diese Folge zu den besten der Serie gerechnet werden (ich kann nur für die bisher Gesehenen sprechen, also die ersten drei Staffeln).
Und in dieser Geschichte von gestern - sich gegenseitig verletzen, Blut ablecken, abstoßend, grauenhaft! Heißt aber nicht, dass die Kurzgeschichte als literarisches Werk schlecht ist. Ich empfehle jedem Menschen, seinen Horizont zu erweitern. Nicht nur dahin schauen, wo es schön und sonnig ist. Nicht nur dahin schauen, wo Wohlstand und Glück sind. Verschafft Euch einen Sinn für das Ausmaß des Panoptikums, das unsere Realität darstellt. Ihr müsst das nicht gut finden. Aber es gesehen zu haben, kann aufklären.
Also Augen auf, hinschauen!
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