Als Lehrer muss man (zumindest sehr oft) in ein Raster passen, so scheint es... |
Mich verfolgt ein Paradox, mittlerweile an der vierten und wahrscheinlich auch an meiner nächsten Schule. Da sagen mir Menschen, die mich zu beurteilen haben, dass ich eine tolle Lehrerpersönlichkeit habe. Ich müsse sie nur ändern.
Die altsprachlich bewanderten Leser kennen das Wort (auch die Bergman-Fans), sie wissen, dass persona im Lateinischen "Maske" bedeutet. Abgeleitet von der Funktion bei Theaterspielen wurde daraus die Bedeutung "Charakter", dann schließlich "Persönlichkeit" und "Person" abgeleitet. Ich bin in vielen Hospistunden bei Kollegen immer wieder an die ursprüngliche Bedeutung erinnert worden.
Es scheint so: Viele Lehrkräfte legen sich eine Lehrer-Persona zu. Sie zeigen einen Charakter, ein Verhalten, ein Auftreten, das sich grundsätzlich von ihrem "privaten Ich" unterscheidet. Eine Kollegin hat es ihren Schülern gegenüber einmal so formuliert: "Ich bin in der Schule Frau XY. Und außerhalb der Schule gibt es mich nicht."
Außerdem scheint es so: Dass man sich als Lehrkraft eine "vorbildliche" Lehrer-Persona zulegt, wird an Regelschulen erwartet (z.B. Stichwort "Nähe und Distanz", eine der durchgekaut hingekotzten Phrasen, die jeglicher Substanz entbehren und letztlich nur ein Portfolio aufdreschen sollen). Da soll man nichts von seinem Privatleben in den Klassenraum mitnehmen, weil es
1. die Schüler nichts angeht
2. im Fachunterricht nichts zu suchen hat
3. die Schüler nur ablenkt
4. privat ist. (expressis verbis)
Das ist mir in jeder Schule früher oder später sehr deutlich klargemacht worden. Mittlerweile habe ich genug Rückgrat, um darauf zu antworten: "Das mag deine Ansicht sein. Ich vertrete einen anderen Standpunkt, und die Schüler haben sich darüber noch nie beschwert. Im Gegenteil, das schafft eine Vertrauensbasis (und nochmal ein random Hattie)" - Moment, ich tue jetzt der Nordseeschule in St.Peter-Ording Unrecht: Dort hat man mich akzeptiert für das, was ich bin, ohne dass ich mich verstellen und im Unterricht irgendeine Rolle spielen bzw. eine persona aufsetzen musste. Da ich aber in diesem Blog oft genug erwähnt habe, wie toll es an jener Schule war, werde ich das hier nicht ausführen.
Wie gesagt, ich lasse den Anderen ihre Meinung, aber ich werde mich nicht ändern, nur damit ich näher an der Lehrernormalität bin. Ich verstelle mich nicht, ich bin immer Dr Hilarius, egal ob in der Schule oder in meiner Freizeit. Und das bleibt so, weil es
1. die Schüler interessiert
2. ein Zeichen meiner Offenheit ist
3. mich den Schülern gegenüber glaubhaft und menschlich macht
4. die Schüler dazu bringt, mir persönliche Dinge anzuvertrauen.
Ich habe damit bei Schülern Positives bewirken können. In meiner jetzigen Schule haben einige Schüler das der Schulleitung sehr deutlich vor Augen geführt, mit teils herzzerreißenden Briefen. Aber wie bereits vor ein paar Tagen und auch davor berichtet: Um Qualität, Beliebtheit, Examensnoten oder eine Vertrauensbasis geht es hier nicht. Nur um die richtigen Fächer.
Immerhin signalisiert mir das, dass es nicht an meiner mangelnden Lehrer-Persona liegt, wenn ich wieder gehen muss. Mittlerweile muss man mir das System des Bildungsministeriums auch nicht mehr erklären; ich habe derzeit meinen elften Arbeitsvertrag. Langsam kenne ich das.
Vielleicht kann mir jemand von Euch dieses Problem mit dem "als Lehrer verstellen" ja so erklären, dass ich es verstehe. Nicht, dass ich es dann tun würde (mich verstellen), aber es würde helfen, wenn ich das nicht mehr einfach so hinnehmen müsste.
post scriptum: Hey, Frau Tretdrauf, wetten, ich schaffe es, meine Depression in der Schule besser zu maskieren als Du? ;-)
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