Donnerstag, 15. Juli 2021

Die Eistreppe


Klingt ein bisschen wie der Name eines Krimis, oder eines Adventurefilms, ist aber psychologisch und mal wieder eine skurrile Wortschöpfung, wenn man den Ursprung des Wortes bedenkt. Tritt auf im Sommer. Also gerade jetzt - und das, seitdem ich hier wohne. 

Unten im Haus ist der Friseur Hair & Body, wo meine Tina mir regelmäßig die Haare macht (regelmäßig? Ich bin Aspi - ich denke nicht daran, zum Friseur zu gehen, bis mich irgendjemand darauf hinweist, dass die Haare länger sind oder die Naturfarbe erkennbar wird). Zwei Türen weiter ist eine Eisdiele, und da ist auch immer was los. Die Hamburger Chaussee hat nicht so viel Platz für Gäste, deswegen stehen draußen oft nur ein Tisch und ein paar Stühle, und drinnen ist eigentlich auch nur eine Eistheke. 

Nichtsdestotrotz kaufen dort viele Menschen ihr Eis. Ich wollte erst schreiben "genießen dort ihr Eis", aber gerade darum geht es ja, denn das tun sie mitunter nicht. Satzbau ist heute eine Wundertüte (und ich erinnere mich daran, wie meine Mutter nach dem Korrekturlesen meiner wissenschaftlichen Hausarbeiten mich mehrfach darauf hingewiesen hat, dass man sich bei'm Lesen wirklich konzentrieren muss). 

Es kommt öfters vor, dass die eisverschlingenden Zweibeiner sich einen anderen Sitzplatz suchen - also warum nicht die drei Stufen vor unserem Hauseingang, da hat man gleichzeitig noch Schatten und zwei Personen können da bequem sitzen. 

So kommt es also auch öfters vor, dass ich im Treppenhaus nach unten gehe, nur mal eben Speisestärke für mein Handtuchbrot einkaufen, und sehe durch das Glas der Tür, dass da vorne jemand sitzt und die Treppe blockiert. Whatever, die werden schon den Weg freimachen, wenn sie hören, wie sich die Haustür öffnet. Und das tun sie auch - also eigentlich kein Problem.

Eigentlich.

Denn mein kindliches Aspi-Ich hätte vor einem unlösbaren Problem gestanden: Da sitzen Menschen, ich komme da nicht durch. Also setze ich mich in den Flur und warte ("wachte" sagt die große Buba), bis die Menschen weg sind. Ich mache die Tür nicht auf. Ich bitte sie nicht, mich durchzulassen. Ich stehe oder sitze einfach da und warte, bis sie weg sind. Minuten. Viertelstunde. Oder gehe einfach wieder zurück in die Wohnung und lasse es bleiben.

DAS ist ein Grund, warum man das Asperger-Syndrom als geistige Behinderung bezeichnen darf - und ein weiterer Fall für ein genüssliches Glas Asperger Pur. Zum Glück habe ich mir das (einigermaßen) abtrainiert.

post scriptum: Liebe Eltern, ich rufe Euch am Wochenende an, keine Sorgen machen! :-)

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