Donnerstag, 8. Juli 2021

Zu Grabe getragen


Im Rahmen der Neuordnung der Regale habe ich heute alles, was mit Latein zu tun hat, in den Keller geräumt. Textausgaben, Fachdidaktik, Schulbücher. Das ist vielleicht etwas drastisch, aber realistisch: Ich brauche Platz in der Wohnung, und die Wahrscheinlichkeit, dass ich nochmal einen Lateinkurs unterrichten werde, ist sehr gering. Und falls es doch mal dazu kommen sollte, kann ich ja im Keller nach den Relikten stöbern.

Das ist interessant: Im Studium war ich eigentlich mit dem Herzen eher ein Latein- als Englischstudent. Englisch ist ein Massenfach, sehr anonym, Vorlesungen besuchen, Scheine abräumen, niemand kennt mich. Latein dagegen war schon immer sehr familiär. Radi ist so etwas wie mein Ziehvater am Institut für Klassische Altertumskunde geworden. Ich habe mich in die Saturnalien eingeklinkt, ich habe nicht für die Fachschaft Anglistik gearbeitet, sondern Klassische Philologie. Ich habe in Latein meine vier Hiwi-Jahre absolviert. Ich war mit dem Institut sehr eng verbunden - so eng, dass wir nachts ab und an den Teppich bügeln mussten. War 'ne geile Zeit.

Deswegen finde ich es faszinierend, dass ich nun ausgerechnet meine Lateinseite in den Tiefschlaf schicke. In St.Peter-Ording wurde ich zum ersten Mal mit dem Umstand konfrontiert, dass ich vielleicht nie wieder Latein unterrichten würde, und wurde gefragt, ob das okay für mich sei. Mittlerweile kann ich sagen, dass das vollkommen in Ordnung ist. Mir geht es um das Unterrichten an sich, um die Arbeit mit jungen Menschen, Fachrichtung egal. Dann bin ich nun also ein Englischlehrer, der immer mal wieder etymologische Bonmots in seine Lerngruppen wirft. 

Und so ist es nur ganz logisch, dass meine Lateinbücher in den Keller wandern. Ändert nichts an der Tatsache, dass das Fach mich für mein Leben geprägt hat.

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