vorweg: Danke an Frau Gelbdreher und Herrn Gaius Iulius für den Denkimpuls!
Sollte man einen (nicht nur Asperger-)Autisten bei einer Gruppenarbeitsphase in eine Gruppe zwingen, oder für ihn einen Weg finden, wie er allein an der Aufgabe arbeiten kann? Sollte man von ihm erwarten, mit einem Partner ein benotetes Referat zu erarbeiten? Ich meine diese Frage ganz ernst und würde mich über Eure Blickwinkel freuen, denn ich glaube, ich stehe mit meiner Ansicht eher allein da.
Autisten haben ihren Namen ja nicht von ungefähr - Herr Leinhos hat die griechischen Buchstaben für "autos" - "selbst". Es hakt in sozialen Situationen, am besten kommen sie in vielen Kontexten allein zurecht. Gerade Aspis mit ihrem Starrsinn können für eine Gruppe eine Belastung sein: Entweder, es wird genau so gemacht, wie der Aspi sich das vorstellt, oder es gibt richtigen Stress, denn Aspis sind nicht gerade kompromissfähig.
Beispiel aus dem Berufsleben: Ich habe in meinem Referendariat nicht viel mit meinen Mentoren zusammengearbeitet. Hospis ja, reden ja, aber ich habe meinen Unterricht ziemlich selbständig geplant und durchgeführt. Dafür gab es dann eine Note schlechter in der dienstlichen Beurteilung - finde ich im Nachhinein ziemlich scheiße, aber: Teamfähigkeit muss ja sein! Das ist auch ein vorgebrachtes Argument der Aspi-Gruppenarbeit-Befürworter: Im Leben wird überall Teamfähigkeit erwartet, also muss der Autist das dann eben während seiner Schulzeit lernen.
Und genau da muss ich immer widersprechen: Teamfähigkeit lernen? Klingt schön, aber wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, dass eine Autismus-Spektrums-Störung (egal, ob Aspi oder normal ausgeprägt) als geistige Behinderung klassifiziert wird, inklusive Schwerbehindertenausweis. Ich denke, wir erwarten von diesem behinderten Schüler etwas, was er einfach nicht kann (beziehungsweise was für ihn eine Qual ist - ich habe immer unter Gruppenarbeiten gelitten, während der Schulzeit und auch im Studium; da hatte ich zum Glück nur zwei oder drei). Ich weiß, die folgende Analogie ist etwas bemüht, aber das wäre, als würde man einen Schüler, der ohne Arme geboren wurde, in eine Volleyballmannschaft stecken, er kann das ja nach und nach trainieren. Geht nicht.
Das Problem bei geistigen Behinderungen ist nun mal, dass man sie einem nicht immer ansehen kann. Ich wirke ziemlich "normal", nicht, als wäre ich behindert (hat mir ja netterweise auch die Psychiaterin aus dem ZiP erklärt). Dasselbe gilt für den Aspi-Schüler. Es ist für einen neurotypischen Menschen schlichtweg nicht möglich, nachzuvollziehen, wie diese Behinderung sich anfühlt - wo und wann sich die Probleme zeigen. Ich denke, wir müssen darauf vertrauen, dass eben manche Dinge für einen Aspi mit großen Qualen verbunden sind.
Was sagt die Fachliteratur dazu? Dass viele Aspis in Berufen landen, in denen sie selbständig arbeiten können, Wissenschaft, Informatik und so weiter, wobei viele eben auch in sozialen Berufen unterkommen (Lehrer werden explizit genannt). Das tun sie nicht, weil sie gelernt haben, teamfähig zu sein, sondern weil sie zum Glück ein Team aus Mitarbeitern gefunden, die wissen, wie sie mit ihnen umgehen müssen.
Ich dachte immer, wenn wir Umgang mit einem behinderten Menschen haben, seien wir diejenigen, die sich anpassen müssen, nicht der Behinderte. Gerade weil ich da offensichtlich etwas starr denke, würde mich Eure Meinung interessieren:
Soll man einen Aspi zur Gruppenarbeit verpflichten? Wenn er das von sich aus möchte, ist das okay, darum geht es mir nicht. Kann man sagen: "Autismus ist kein Freifahrtschein, um nicht an Gruppenarbeiten teilnehmen zu müssen?"
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