Echo and Narcissus (John William Waterhouse) - eines der bekanntesten Motive der Metamorphosen Ovids. |
Es gibt da diese Phasen in meinem Leben, in denen ich mich richtig toll finde. Wenn ich allein bin. Wenn andere Menschen dabei sind, versuche ich immer etwas bescheidener aufzutreten - was mir lang nicht mehr so gut gelingt wie noch vor einigen Jahren. Aber wenn ich allein bin, setze ich mich in Ruhe hin und denke nach: "Ach, das war ein geiler Schultag, und mein Unterricht ist sowieso viel besser als der von Kollege XYZ." - "Die sind ja nett und sicher auch gute Fachvermittler, aber bei weitem keine so guten Pädagogen. Darin bin ich echt gut." - "Ich glaube, ich schaue mir nochmal die alten Saturnalien-Aufnahmen an - natürlich nur die Szenen, in denen ich vorkomme, weil ich einfach nochmal sehen will, wie geil ich bin." - "Ich glaube, ich sollte einen Blog schreiben, damit ich regelmäßig Feedback bekomme, wie toll ich bin." (Zum Glück habe ich kritische Leser, das hilft mir, diesen Gedanken nie Ernst werden zu lassen.)
Wow, das so aufzuschreiben weckt in mir ein recht widerliches Gefühl. Ziemlich ekelhaft, diesen Narzissmus auch noch schwarz auf weiß zu sehen. Und da nützt es auch nicht, wenn Mr Egomaniac pur Präsident der USA ist und das Ganze noch wesentlich weiter auf die Spitze treibt (indem er sich auch offiziell und vor Publikum endlos geil findet). Ekelhaft, und trotzdem genieße ich diese Momente, und ich kenne mindestens einen Menschen, dem es auch so geht.
Eigentlich könnte das ja eine niedliche kleine Macke sein. Aber ich muss aufpassen: Gerade wenn es um Schule geht, kann dieser Narzissmus zu Engstirnigkeit führen, zu Borniertheit, dazu, dass ich meine eigenen Unterrichtsmethoden so geil finde, dass ich überhaupt keine Alternativen mehr gut finden kann. Das kann sich über die Jahre unglaublich verhärten und dazu führen, dass man diese Scheuklappen selbst gar nicht mehr wahrnimmt. Ich habe in den paar Jahren Schule, die ich bisher erlebt habe, relativ viele Kollegen kennen gelernt, denen es ebenso geht. Die vollkommen unkritisch von ihrer Methode überzeugt sind und z.B. die Bedürfnisse ihrer Schüler kaum noch wahrnehmen. Und wenn ich nicht aufpasse, werde ich ganz genau so werden.
Immer schön geschmeidig bleiben, Dr Hilarius!
Woher dieses Verhalten wohl kommt? Und ob es jedem Menschen irgendwann so geht? Ich führe das ein bisschen auf die persönliche Entwicklung zurück. Als Kinder sehen wir uns selbst als Zentrum des Universums, kein Wunder, als Baby und Kleinkind werden wir ja oft auch so behandelt. Das führt ohne ordentlichen Gegenwind dazu, dass wir recht überhebliche Teenager werden; ich denke, jeder Kollege wird solche Schüler schon einmal erlebt haben. Und wir sollten uns dann nicht über ihr Verhalten ärgern, sondern versuchen, subtilen Einfluss auszuüben.
Ich glaube, dass Jugendliche, die in unsteten, schwierigen Verhältnissen aufwachsen (müssen), diesen Egozentrismus viel schneller ablegen als Jugendliche in behüteten Elternhäusern. So kann ich mir einen Menschen in meinem Bekanntenkreis vorstellen, der diese "Ich bin so geil"-Phasen sicherlich nicht so intensiv erlebt wie ich. Aber vielleicht liege ich mit dieser Erklärung auch vollkommen daneben.
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Aber nein, ich bin ja so geil, ich habe natürlich Recht!
post scriptum: Liebe Kollegen, herzlich willkommen im wohlverdienten Wochenende!
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