Montag, 30. Januar 2017

Was haben Straßenbahnen mit Freizeitparks zu tun?


So auf den ersten Blick vielleicht nichts. Oder vielleicht denkt der geneigte Leser sich, nun ja, Straßenbahnen fahren auf Schienen, Achterbahnen tun das auch, vielleicht war die Straßenbahn ein Vorläufer für moderne Achterbahnen.

Wer das denkt, sollte allerdings nach Russland schauen; dort gab es schon verhältnismäßig früh Schnee- und Eisrutschen, bei denen man auf einen "Berg" (oder auch mal einen Turm) stieg und dann hinabrutschte. Eine Menge Spaß! Und ein Beweis dafür, dass es sich hierbei um einen spirituellen Vorläufer der Achterbahnen handelt, findet sich in der spanischen Bezeichnung für "Achterbahn" wieder: montanya rusa, russischer Berg. Ganz interessant in diesem Zusammenhang: Ausgerechnet in Russland nennt man diese Bahnen amerikanskiye gorki - amerikanische Berge. Doch zurück zur Straßenbahn.


Wir befinden uns knapp vor Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in Amerika; wie so Vieles haben wir uns auch die Vergnügungsparkwelle dort abgeschaut, wenngleich sie in Deutschland erst mit dem zweiten Goldenen Zeitalter der Freizeitparks in den Siebzigern begann. Das erste goldene Zeitalter fand in den Staaten in den Goldenen Zwanzigern statt. Freizeitparks gab es da bereits seit über dreißig Jahren. Und die Straßenbahn hat den Grundstein dafür gelegt.

Trolleys (so der amerikanische Begriff für Straßenbahnen) waren absolut unverzichtbar, wenn man sich kein Auto leisten konnte und einigermaßen bequem von den Vororten der großen Städte, wo man wohnte, zur Arbeit in die Stadt kommen wollte. Tatsächlich verdienten die Trolley companies den Großteil ihrer Einnahmen durch Fahrgäste aus der working class. Wer so weit folgen konnte, wird sich fragen, was am Sabbat, am Sonntag war: An freien Tagen hatte so gut wie niemand einen Grund, die Straßenbahn zu benutzen, und so mussten trotz reduziertem Fahrplan kaum besetzte Bahnen Verluste einfahren.

Ein geniale Überlegung war es, einen Anreiz zu schaffen, warum man am Sonntag unbedingt mit der Straßenbahn unterwegs sein sollte. Dass der Sonntag von den meisten Menschen zum Abschalten genutzt wurde, um ein bisschen Zeit mit der Familie zu verbringen, überrascht niemanden. Also dachten sich die Bahnunternehmen, dass es gut wäre, einen Ort für Freizeit und Entspannung zu erschaffen, für den die Familien mit ihren Bahnen fahren mussten.

Aus diesem Grund bauten sie an manch einem line terminus - Endhaltestelle - kleine Freizeitparks, die als Trolley Parks große Popularität erlangen sollten. Hier könnten Familien im Grünen entspannen, Spiele spielen oder mit Karussells fahren. Hier kamen einige der ersten Holzachterbahnen Amerikas zu großem Ruhm - es störte auch keinen, wenn sie damals noch sehr ruppig waren. Es sollte an "Tortur" für den Körper noch nichts gegen das sein, was in den Zwanzigern anstand.

Die amerikanischen Trolley Parks sind also direkte Vorläufer der modernen Freizeitparks und eine Idee der Straßenbahngesellschaften. Und da hätten wir den Link, der ausnahmsweise mal nichts mit den Schienen zu tun hat, auf denen beide Fahrzeuge unterwegs sind.

Achterbahnen waren in den USA sehr populär. Man kann sich das heute nicht mehr so gut vorstellen, gerade in Deutschland ist es schwer, sich in die Golden Twenties hineinzuversetzen (übrigens ein Grund, warum The Great Gatsby so berühmt geworden ist: Dieses Buch fängt den damaligen Zeitgeist sehr authentisch ein).

Achterbahnen waren so revolutionär, versprachen so viel Spaß und einfach ein ungewohntes Erlebnis, das wollte jeder einmal ausprobieren, sofern er den Mut aufbringen konnte, sich in eines der hölzernen Ungeheuer zu setzen. Mut war nötig, und das nutzten die Betreiber von Achterbahnen aus: Sie appellierten an die Angst der Gäste, an die Chance, den eigenen Mut zu testen, und das nicht nur mit großen Worten: Es war nicht unüblich, dass eine Krankenschwester im Bahnhof der Achterbahn bereitstand, um eventuelle Übelkeit oder Blessuren zu verarzten.

Ja, Blessuren - noch so viele Verletzungen haben niemanden davon abgehalten, Achterbahnen wie z.B. Harry Travers Terrible Triplets zu fahren, eine besonders brutale Kreation eines Freizeitpark-Pioniers.

Was nun also Harry Traver mit Achterbahnen und Krankenschwestern zu tun hatte, und warum so viele Achterbahnen den Namen Cyclone trugen, darum soll es ein anderes Mal gehen.

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