Pflaster sind momentan zum Glück noch nicht nötig... |
Die Schienbeine blutig gekratzt, die Nagelbetten ausgetrocknet und eingerissen, der Kreislauf heute im Keller. Das sind die klassischen Symptome für eine aufregende Zeit bei mir.
Dabei war das alles ganz anders geplant. Im letzten Sommer, als in meinem Kopf der Groschen gefallen war, dass ich eine Behinderung haben könnte, bin ich mit Die Tante durch die Graudenzer Straße in Heide spaziert und wir haben überlegt, wie nun wohl die nächsten Monate aussehen würden. Ich hatte zum Glück zwölf Monate am Stück gearbeitet und damit Anspruch auf Arbeitslosengeld I - deswegen sind wir gelandet bei "Okay, bis zum Termin in der Psychiatrie schiebe ich die Jobsuche erstmal beiseite, und ab Februar schaue ich dann, wo ich wieder Arbeit finden könnte."
Das klang strukturiert, das klang gut geplant und war für mich nachvollziehbar. Und ich hatte etwas Angst, dass das für mich zuviel wird - gleichzeitig bewerben und Diagnose erleben. Aber wie das nun mal ist mit der Arbeitslosigkeit - zumindest bei mir - es wird langweilig, ich bin unterfordert und werde kirre, und deswegen habe ich dann doch irgendwann angefangen, nach Stellen zu suchen. Ich war allerdings nicht davon ausgegangen, dass ich zum ersten Februar irgendwo anfangen würde.
Und dann hat es sich eben doch so ergeben. Auswahlgespräch, erster Psychiatriebesuch, erster Besuch an der neuen Schule. Das mag für viele Menschen problemlos sein, aber mich überfordert das. Okay, das bekommt man offensichtlich nicht mit - in meiner dienstlichen Beurteilung steht zur Belastbarkeit "...und all' dies gelingt ihm scheinbar mühelos." - und auch meine erste Schulleiterin hat mir Unglaubwürdigkeit in's Gesicht geurteilt, als ich ihr erklärt habe, wie ich unter dem Referendariat gelitten habe.
Die Konsequenzen sind eben nicht offen sichtbar: Ich vergesse das Essen und Trinken, weil ich mit dem Kopf vollkommen in der neuen Schule Släsch Psychiatrie sitze, dadurch schwankt mein Kreislauf, und wenn ich denn etwas esse, achte ich nicht darauf, was es ist; mein Zuckerkonsum schnellt in die Höhe und das führt zu einem Neurodermitisschub, und das bedeutet oft: Kratzen, bis die Haut blutet, weil es so juckt. Und ich denke auch nicht daran, regelmäßig meine Hände zu waschen und danach einzucremen, so dass sie austrocknen, die Haut spröde und rissig wird und die Nagelbetten einreißen.
Von außen erkennt man das alles nicht, und wenn ich das anderen Menschen erkläre, heißt es ganz oft "Ach, das geht uns doch allen so!" - und das stimmt auch, aber eben nur bis zu einem gewissen Grad (und dann bringe ich die Geschichte mit dem Kreislaufzusammenbruch wegen Essenvergessen an und die Sache hat sich erledigt).
Ich muss also jetzt mal wieder ein neues Regelblatt aufhängen, um diese Schäden einzudämmen. Aber immerhin sind es diesmal positive Anlässe für diese Symptomatiken, und das ist schon okay so. Der Einstieg in der neuen Schule wird auch wieder holperig werden, aber ich versuche das zu kaschieren, damit es dann wieder heißt, all' dies gelinge mir scheinbar mühelos.
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