Dienstag, 29. Januar 2019

Ungefragter Rat

"Es geht NUR so! Und NICHT anders!" - ich könnte kotzen...

YazzTazz hat jüngst bei Facebook einen Artikel über Die Müttermafia geteilt, und ich fand es sehr spannend, ihn zu lesen. Es geht mal wieder um typisch menschliche Verhaltensweisen, und wie sehr diese einem manchmal die Geduld rauben können. En detail geht es darum, wie es sich anfühlen kann, eine junge Mutter zu sein, im Kreis weiterer Mütter, egal welcher Generation. Da hagelt es gut gemeinte Ratschläge, Tipps, mehr als man je hören wollte, und leider nur selten in der etwas weniger aggressiven "Also ich würde..."-Formulierung, sondern im Lieblingston der großen Buba: "Du musst unbedingt..." (also, Lieblings- ist ironisch gemeint, sie hasst das).

Ich bin keine Mutter und werde mich mit dieser Situation vielleicht nie konfrontiert sehen. Sollte ich irgendwann ein Vater sein, werde ich mir vermutlich ab und an Sprüche sagen lassen müssen a la "Das Kind braucht Vater und Mutter...", aber ich werde mir nicht dieses Dauerfeuer an Beobachtung und Kritik gefallen lassen müssen. Und ich bin heilfroh darüber, und mir tun alle Mütter leid, die das jetzt mit ihren kleinen Goldstücken abbekommen. Denn, in einem anderen Kontext kenne ich das zumindest ein bisschen, nämlich als junge Lehrkraft.

Ich sehe aus, als wäre ich im nullten Semester. Als käme ich also frisch von der Uni und stünde zum ersten Mal vor Schülern - denn als richtiger Lehrer trägt man natürlich keine solchen Klamotten wie DrH. Und auch vom Gesicht her scheine ich jünger zu wirken, und das übt einen unüberwindbaren Reiz auf Kollegen aus, die bereits verbeamtet sind - den Reiz, mir Tipps zu geben, egal wo ich bin, egal was ich mache. Am schlimmsten sind die Tipps, die dann noch so entmündigend eingeleitet werden: "Du bist ja noch jung, da macht man solche Sachen noch, aber du solltest..." - egal was danach kommt, ich hasse es.

Es ist ja noch nicht einmal der Irrtum, dass ich nicht ganz so jung bin, wie ich aussehe. Sondern dieses Gefühl, das bei meinen Kollegen entsteht, dass ich noch gar nicht wissen könne, wie Schule funktioniert. Der Lehrerberuf bietet sich ähnlich wie der Junge-Mutter-Status an für ein Dauerfeuer von gut gemeinten Ratschlägen im Umgang mit Deinen Schülern. "So kannst du doch nicht mit ihnen reden!" (offensichtlich doch) "Die tanzen dir sonst auf der Nase herum!" (offensichtlich nicht) "Wer lernt denn bei dem Unterricht etwas?" (offensichtlich Einige) "Nein, das kann man so nicht machen."

Ich will damit nicht alle Kollegen unter das Rad schleifen. Aber ich habe nun wirklich im zweistelligen Bereich Kollegen miterlebt, die es vielleicht gut meinen, aber irgendwie aus dem Blick verloren zu haben scheinen, dass man Unterricht auch anders machen kann. Anders, als sie das tun. Vielleicht sind sie wirklich tolle Lehrer, vielleicht geben sie einen hervorragenden Unterricht. Aber ich bin ein anderer Mensch, und da ich viel von mir in den Unterricht einfließen lasse, ist auch mein Unterricht anders. Dass es nicht die richtige Unterrichtsmethodik gibt, sollte schon der Blick auf unzählige pädagogische, didaktische und menthodische Strömungen klarmachen. Alternativschulkonzepte, Suggestopädie, Ganzheitlichkeit, Rituale, Pestalozzi, Montessori, Steiner, Offener Unterricht, Demokratische Schule - diese Liste könnte sehr weit fortgeführt werden.

Wenn Kollege DrH in seinem Unterricht ein paar Dinge anders macht als Du, dann lass' ihn das doch ausprobieren, vielleicht klappt es ja. Sieh' Deinen Unterricht nicht als den einzig wahren Weg an, nur weil Du diensterfahrener bist als der vermeintliche Grünschnabel, der gerade von der Uni gekommen ist und noch gar nicht weiß, wie man mit Menschen umgehen muss.

Mich nervt das Wohlwollende manchmal ein wenig, weil es mir wieder das Modell der Ich-Zustände aus der Transaktionsanalyse (TA) vor Augen führt. Ich versuche immer wieder, im Umgang mit anderen Menschen "auf Augenhöhe" zu reden, vom Erwachsenen-Ich zum Erwachsenen-Du. Leider versuchen die ratgebenden Kollegen aber gern, sich in die Position des Eltern-Ich zu bringen, und sie hätten gern, dass ich im Kind-Ich darauf antworte. In diese Rolle mag ich mich aber nicht drängen lassen, versuche, im Erwachsenen-Ich zu bleiben, und im besten Fall haben wir eine gekreuzte Transaktion, die "nur" ein saures Gefühl hinterlässt, oder aber eine verdeckte Transaktion, die sich weiter fortziehen wird und unsere Kommunikationsbasis ernsthaft beschädigt.

Ich muss fair sein: Jene wohlwollenden Kollegen hatte ich bisher an jeder Schule. Aber, wenn man mir schon andere Ideen näher bringen wollte, warum macht man das nicht so wie mein derzeitiger Fachkollege: "Ja, das kannst du so machen. Ich mache das gern so und so, weil..." Ich-Botschaften. Mir ein Handlungsangebot machen. Möglichkeiten aufzeigen, aber nicht von mir einfordern, dass ich das alles umsetze (das hat sich meine Mentorin im Referendariat von mir gewünscht, und es hat gekracht). Ich suche mir selbst heraus, welches der Angebote ich im Kopf mit nach Hause nehme und überdenke selbst, was ich davon nutze.

Natürlich hinkt der Vergleich zur Mutter, die sich Hinweise zum Umgang mit ihrem Baby geben lassen muss. Aber wenn sich das nur ein kleines bisschen so scheiße anfühlt, wie von Kollegen belehrt zu werden, dann tun mir die jungen Mütter wirklich leid. Dickes Fell.

post scriptum: Ich weiß, dass ich darüber schonmal geschrieben habe. Aber der Artikel bei Facebook hat mir das mal wieder in's Bewusstsein gerückt, wie nervig es für junge Kollegen sein kann, das zu erleben...

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