Dienstag, 8. Januar 2019

Konsequenzen


Liebe KollegInnen, ich hoffe, Ihr hattet einen guten Schulstart. Es steht eine ganz interessante Zeit vor uns; die letzten Arbeiten müssen korrigiert werden - falls Ihr, so wie ich, das nicht schon vor bzw. in den Ferien gemacht habt - und dann werden die Zeugnisnoten entsprechend ausgewürfelt. Es stehen Zeugniskonferenzen bevor, die je nach Schule in unterschiedlichster Variation stattfinden; auch das eine faszinierende Beobachtung der letzten Jahre.

So gibt es Schulen, die die Konferenz pro Klasse mit nur zwanzig Minuten ansetzen, bei Klassengrößen um die vierundzwanzig. Es sind Kollegien, die ihren Gesprächsbedarf bereits im Lehrerzimmer abgefrühstückt haben; hier müssen nur noch ein paar organisatorische Fragen geklärt werden, und so kann man viele Klassen an einem einzigen Nachmittag abarbeiten. Andere Schulen nehmen sich für jede Klasse eine Dreiviertelstunde, auch bei Klassenstärken um die achtzehn. Es sind die Kollegien, die alles gern zwei oder dreimal sagen; Lehrkräfte, die alles gern auch noch einmal aus ihrem eigenen Mund gesagt hören wollen. Da gibt es viel pädagogischen Handlungsbedarf, und Ihr wisst: Was die Konferenzen in die Länge treibt, sind in der Regel pädagogische Überlegungen. Die Noten sind fair ausgewürfelt, da ist man sich einig.

Hoffentlich wurden die Noten im Verlauf des Halbjahres auch transparent vermittelt. Ich erlebe immer wieder Lehrkräfte, die es als Zumutung empfinden, dass Schüler ein Anrecht darauf haben, zweimal pro Halbjahr ihre Noten zu erfahren. Es gibt noch immer Lehrkräfte, die erst nach den Zeugissen mit ihren Schülern über die Noten reden. So etwas befeuert Selbstherrlichkeit und Notenwillkür und schadet intensiv dem Image von Schule.

Ich verfahre in der Regel nach dem Handbuch und teile den Schülern direkt nach den Herbstferien ihren Notenstand mit; genauer gesagt, ich frage sie, welche Note sie gern hätten und sage ihnen, was sie dazu machen müssen. Das ist fair, so wissen die Schüler um ihren Stand und wissen auch, was zu tun ist, damit im Zeugnis keine unerwünschte Note auftaucht (diese Einsen können ganz schön lästig sein).

Leider kommt es vereinzelt auch vor, dass Schüler keine Konsequenzen aus der ersten Notenrunde ziehen. Nehmen wir Schülerin Telse. Sie hat nach den Herbstferien erfahren, dass sie in Englisch auf Fünf steht, da so gut wie keine Beteiligung ihrerseits vorliegt und die erste Klausur ebenfalls mit Fünf benotet wurde. Telse wurde ein bisschen bleich im Gesicht, dann kamen die Beteuerungen, dass sie sich auf eine Vier retten möchte, und dann?

Nichts. Wochen-, monatelang nichts, bis heute. Und nun wird es Zeit, die Sechs herauszuholen, denn ich habe keinerlei Bewertungsgrundlage. Telse hatte lange genug eine Chance, ihre Englischnote zu verbessern, und hat sie nicht genutzt. Es wird Zeit, die Konsequenzen zu spüren bekommen und sie, eben als Konsequenz des eigenen Handelns, zu tragen. Wir bringen junge Erwachsene heran, und da ist es nicht geholfen, aus Mitleid doch noch eine ausreichende Note zu geben. Damit signalisiere ich Telse, dass es ja doch noch okay ist und dass es zum Abschluss bereits ausreicht, physisch anwesend zu sein. Damit ist niemandem geholfen.

Genauso wenig hilfreich ist es, wenn ich Elke sage, dass "Englisch ein Selbstläufer ist" - auch wenn es vielleicht so ist: Elke ist begeisterte Videospielerin, chattet mit Teilnehmern über die ganze Welt verteilt, und hat nicht die geringsten Probleme, Englisch zu verstehen oder sich in der Zielsprache auszudrücken. Ohne dass sie auch nur einen Handschlag tut, reicht es in Englisch immer für eine Zwei oder Drei aus. Also tut sie keinen Handschlag.

Ich habe dann allerdings als Lehrkraft die Konsequenzen zu verantworten: Im Abschlussjahrgang, in dem im Fach Englisch ein bisschen mehr erwartet wird, als einen Text lesen zu können, kann Elke so gut wie nichts. Sie hat keine Ahnung, was ein Einleitungssatz ist, sie weiß nicht, wie man einen eigenen Text vorstrukturiert, sie hat keine Idee, was Leserlenkung bedeutet. Sie hat von all' diesen Sachen nichts gelernt, weil "Englisch ein Selbstläufer" war und sie nie etwas tun musste.

Auch wenn ich das also nett gemeint hatte, habe ich Elke damit Signale gesetzt, die Konsequenzen zeitigten, und auch diese Konsequenzen müssen sich dann in den Zeugnisnoten widerspiegeln.

Ich frage mich, was so schwer daran ist, Noten transparent zu vermitteln und jedem Schüler die Chance zu geben, es besser zu machen? Mehr als nur ein paar tun es dann ja doch nicht... und umso wichtiger ist es, dass unsere jungen Erwachsenen verstehen, dass sie die Konsequenzen für ihr Handeln tragen müssen.

post scriptum: Mittlerweile verstehe ich dann auch, was ein Kollege mir vor einigen Jahren zu erklären versucht hat - wenn ich im Halbjahreszeugnis zwischen zwei Noten stehe, sollte ich lieber die schlechtere Note geben. Heute tue ich das dann auch meistens, weil viele Schüler sich auf der besseren Note ausgeruht haben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen