Ich werde die Kirche einfach nicht los... |
Heute ein Beitrag, der eine Art Beichte darstellt, oder auch einfach nur eine Weiterführung des Artikels liegengelassen. Und diesmal hat es definitiv mit Hochbegabung zu tun - auch wenn wiederum Andere sich in diesen Zeilen werden wiedererkennen können.
Als HB ist man es gewohnt, dass Aufgaben schnell erledigt werden können. Kopfrechenaufgaben, Logikprobleme. Klassenarbeitskorrekturen, da fliegt man so durch. Manche können unglaublich schnell die Tonart eines einzigen Tons bestimmen (absolutes Gehör). Jedenfalls fühlt es sich für mich so an, dass das alles ganz schnell gehen kann: Für einen Satz Klassenarbeiten Englisch Sek I brauchte ich im Schnitt fünfundvierzig Minuten; für die Arbeiten in der Berufsschule - Oberstufe - brauche ich nun doch zwei bis drei Stunden. Unterrichtsplanungen gehen ganz rasant neben Abwasch und Staubsaugen. Aufschreiben muss ich nichts, denn ich habe es ja im Kopf - ich weiß, das klingt unglaublich arrogant, und trotzdem habe ich jeden Tag einen kleinen Notizzettel mit den Stichpunkten zum Ablauf meiner Stunden mit mir. Aber vielleicht würde es auch ohne gehen. Das ist wie mit den HB-Mathematikern, die zu faul sind, den ganzen Rechenweg aufzuschreiben, sondern einfach das Ergebnis hinpappen und fertig. Wozu soll man sich die ganze Arbeit machen? Mathelehrer werden diese Erfahrungen mit ihren HB-Schülern in ausreichendem Maße machen.
Faul. Denn das sind lästige Arbeiten, ich genieße keine Korrekturen - es sei denn, es sind "offenbarende" Textproduktionen, freie, kreative Schreibarbeiten, die mir Aufschluss über die Schüler geben können (Gedankenreisen auf Englisch niederzuschreiben ist eine wunderbare Kombination aus Lernstandserhebung Sprachfertigkeit und Hinweisen auf das Wesen eines Schülers, in manchen Fällen).
Auch im Studium habe ich für Latein keinen Handschlag mehr als nötig gemacht. Klingt fies, ist einfach so. Daran lässt sich für einen Hochbegabten das eigene Interessenspektrum erkennen: Wofür ist er bereit, seine wertvolle Denkzeit zu verwenden? Postmoderne amerikanische Literatur, Generation X, das waren so Dinge, die mich interessiert haben. Oder die Seminare Släsch Hausarbeiten bei Jay. Darin konnte ich mich stundenlang versenken.
Heute kann ich mich stundenlang in gute Filme versenken, in immersive Videospiele, in Logikrätsel. Nicht lange versenken kann ich mich in Wäscheaufhängen, Steuererklärungen, Staubsaugen, Blogartikel schreiben (manchmal, wenn ich nicht in Stimmung bin). Dauert alles so lange, dass ich lieber gar nicht erst anfangen will. Und wie der Kühlschrank Ellen Burstyn in Reqiuem For A Dream (2000) bedroht, wird die unerledigte Arbeit mit jedem Tag Wartezeit größer, fieser und böser und meine Abneigung, sie endlich zu erledigen, steigt immer mehr. Beispiel gefällig?
Ich bin vor einer gefühlten Ewigkeit aus der Kirche ausgetreten. Vierzehn Monate, um genau zu sein. Im Februar diesen Jahres habe ich dann einmal im Finanzverwaltungsamt (FVA) angerufen, weil ich fortlaufend weiter Kirchensteuer bezahlte. Von dort hat man mich an's Finanzamt verwiesen, dort hieß es dann "Jaja, wir sind mal wieder die Schuldigen, nix da, das haben die im FVA versaut." Das ist mir so auf die Nerven gegangen, dass ich das erstmal bis zu den Ferien liegenlassen wollte. Tja. Osterferien. Sommerferien, Schulwechsel, viel zu aufwühlend. Herbstferien, viel zu viel Chaos im Kopf. Und das dauert ja alles so lange!
Heute habe ich endlich mal die Sache in's Rollen gebracht; offensichtlich muss ich irgendwas an meinen Verhaltensmustern ändern, und Dinge sofort erledigen, damit sie sich nicht in psychologische Monster-Kühlschränke verwandeln. Ja, diese Sachen dauern, kosten Zeit, sind nervig. Aber vom Nichtmachen verschwinden sie nicht. Und wenn ich sie gemacht habe, und wenn es Zeit gedauert hat, dann bin ich wenigstens froh, dass da nicht mehr der Kühlschrank in der Ecke steht. Fein, Last liegt nicht mehr auf meinen Schultern.
Auf an die PS4! :-P
post scriptum, weil das gerade passt: Weil das Kopfrechnen so schnell geht, ist es für mich ein herrlicher Spaß, während ich beim Einkaufen die Artikel auf das Kassenband lege (oder schon beim Besorgen), die genaue Summe auszurechnen und mit Kleingeld abzuzählen. Dann sagt die Kassiererin (lang lebe Rollenverteilung) "Sechs siebenundfün..." und noch bevor sie zu Ende gesprochen hat, drücke ich ihr passend € 6,57 in die Hand. Das gibt dann ein verwundertes Gesicht, ich sage "Bon brauche ich nicht, schönen Tag noch!" und gehe. Das macht Spaß!
(wie armselig :D )
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