Mittwoch, 25. Juli 2018

"Der Kopf ist rund..."

Umdenken braucht Zeit...

Immer mal wieder habe ich diesen Spruch hier im Blog gepostet und verwende ihn tatsächlich auch da draußen. Ich muss mal schauen, ob ich ihn bei den Weisheiten links aufgeschrieben habe... nein, habe ich nicht - das wird dann umgehend geändert, denn gestern hatte ich wieder eine dieser Episoden, die mir die Bedeutung des Satzes vor Augen geführt haben:

"Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann."

Ein Plädoyer gegen Engstirnigkeit, gegen festgefahrene Meinungen, für mehr Blickwinkel, für neue Perspektiven und auch für neue Chancen. Einfaches Beispiel gefällig?

Vor ein paar Jahren hatte ich entdeckt, dass mein Fernseher 3D-fähig ist, hatte mir die dazu nötige Brille besorgt und wollte ein paar Filme dreidimensional erleben. Beim Bummeln durch einen nahegelegenen Supermarkt fand ich, im Preis drastisch reduziert, die 3D-Bluray von Mad Max: Fury Road (2014) [MM:FR]. Eingepackt und angesehen. Damals hatte ich noch nicht die Angewohnheit, den kritischen Konsensus über einen Film zu konsultieren, bin also vollkommen unvoreingenommen an diesen Film gegangen und saß zwei Stunden recht fassungslos vor dem Bildschirm.

Was war denn das für ein Scheiß?! Zwei Stunden lang fahren da ein paar Leute durch eine karge Landschaft. Fast ununterbrochen. Worum ging es da eigentlich? Sollte das auch eine Handlung haben oder nur pure Action? Wie ich so etwas hasste: Filme, die Action nur um ihrer selbst willen verwendeten. Immerhin, die Liste der Charaktere war bunt, wobei ich nicht verstanden habe, warum die sich Sprühfarbe auf die Zähne knallten, warum es da Blood Bags gab, warum diese einarmige Frau einen war rig fuhr und Unzähliges mehr... kurzum: Ich fand den Film extrem scheiße, war davon überzeugt, mir gerade ein neues Kapitel Trash-Geschichte angeschaut zu haben, und auch wenn ich hin und wieder Trash mag (Elvira anyone?), so war das absolut underwhelming.

Das musste ich mir nur noch einmal bestätigen lassen und habe also in der Wikipedia den Kritikerspiegel angeschaut und mir blieb der Mund offen stehen bei dem, was dort so stand: ...one of the greatest action films of all time...one of the greatest films of the 21st century...ten Academy Award nominations...six wins...97% positive reviews on rottentomatoes.com...Brian Tallerico for rogerebert.com gives 4/4 stars...best science fiction film of all time on rottentomatoes.com...

What the...?! Hatten die einen anderen Film angesehen als ich, der ich mich soeben noch um zwei Stunden Lebenszeit beraubt fühlte??? Never!!! Perplex und wütend legte ich die Disc beiseite, und an meiner ablehnenden Haltung diesem Film gegenüber änderte sich für lange Zeit nichts.

Das war vor ein paar Jahren. Ich habe meine Haltung zu Filmen im Allgemeinen und speziell zu Science Fiction geändert. Ich habe gelernt, eine offene Geisteshaltung anzunehmen für all' diese What If-Szenarien, mich darauf einzulassen und sie zu akzeptieren. Und es hat sich gelohnt: So halte ich mittlerweile den Blade Runner und seine Fortsetzung von Zweitausendsiebzehn für ein visionäres Meisterwerk und kann es in vollen Zügen genießen, mich in diese Welt fallen lassen. Vielleicht konnte ich ja auch MM:FR jetzt diese Chance geben und nachvollziehen, was die Leute daran finden?

Und so ging es dann gestern auf die Reise in diese postapokalyptische Dürre. Ich wollte schon vorgestern, hatte dann aber gemerkt, dass ich erst noch meine 3D-Brille aufladen musste und habe das dann während eines anderen Filmes gemacht. Das hat natürlich die Spannung auf gestern noch weiter gesteigert.

Es war, als ob ich einen anderen Film sah: Ein visuell extrem reichhaltiger Film, dessen mörderisches Tempo von einem tollen orchestralen Soundtrack unterstützt wurde, ungewöhnliche Frauenrollen, flexible character arcs, ein interessantes Schlaglicht auf Menschen mit Behinderungen, Farbcodierung in der Kameraarbeit, unterschiedliche Lebensphilosophien, ich habe endlich das Chromspray und die "Witness!"-Rufe verstanden, die Bedeutung von Wasser und guzzoline, die Trommeln und den Lautsprecherwagen...

...und ich hatte inzwischen endlich ein paar Vergleichswerte in anderen SciFi-Filmen angesammelt, und wieder blieb mir der Mund offen stehen - diesmal allerdings nicht nach, sondern während des Filmes, weil ich jede einzelne Kameraeinstellung, jeden einzelnen frame genießen konnte, und als der Film zu Ende war - genaugenommen bis jetzt gerade - schwebt mir der Gedanke im Kopf herum, dass ich ihn noch einmal schauen möchte, und wenn es nur ist, um all' die Anblicke und die Musik noch einmal zu genießen.

Und mir wird bewusst, was ich mir habe entgehen lassen wegen einer festgefahrenen Haltung im Kopf, und ich hoffe, dass mir das nicht mehr so oft passieren wird wie früher.

"Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann."

...und dabei gilt: Man kann die Richtungsänderung nicht krampfhaft beeinflussen wollen. Das geht so nicht. Thema Er: Sonst hätte ich ihm die Offenheit gegeben, seiner Freunden zu erzählen, dass es mich immer noch gibt, und den Mut, dass wir Dinge zusammen unternehmen. Das Ändern einer Denkrichtung braucht Zeit.

Viel Zeit.

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