Dienstag, 24. Juli 2018

Fessel' mich

Who can forget...?

Unter all' den diversen Nachrichten, die dieser Tage eintrudeln, findet sich auch ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, der sich mit Freiheitsberaubung auseinandersetzt, und ich frage mich, ob dieser Beschluss eine Farce darstellt oder eine tatsächlich sinnvolle Maßnahme ist.

Ich habe ein paar Jahre lang Kinder aus jugendpädagogischen Einrichtungen unterrichtet. In dieser Zeit habe ich in Gesprächen mit Heimleitungen das Konzept der Fixierung kennengelernt: Manchmal kann es nötig sein, als Schutz eines Menschen vor sich selbst, oder um Andere zu schützen, einen Menschen bewegungsunfähig zu machen - zu fixieren. Zu fesseln.

Dabei muss es nicht immer zum Extremfall der Sieben-Punkt-Fixierung (Hände, Füße, Bauch, Brust, Kopf) kommen. Viele von uns haben in Filmen wie One Flew Over The Cuckoo's Nest schon einmal gesehen, wie das genau aussieht. Das Gericht hat nun beschlossen, dass so eine Fixierung ohne richterlichen Beschluss verfassungswidrig ist, da sie einen Eingriff in die persönliche Freiheit des Patienten darstellt.

In drei Bundesländern war es bereits üblich, diese Fixierung nur auf richterlichen Beschluss zu vollziehen, andernorts hat die Verordnung eines Arztes gereicht. Einhergehend mit dem neuen Urteil soll also nun bundesweit eine richterliche Bereitschaft installiert werden, damit man ohne lange Verwaltungswege die (hoffentlich notwendige) Fixierung eines Patienten durchsetzen kann.

Ich weiß ehrlich nicht, was ich von dieser Neuerung halten soll, gerade weil ich mich mit Heimleitungen unterhalten habe, und gerade weil ich das aus der Schule her kenne: Manchmal kann einem Pädagogen das Schulgesetz im Weg stehen. Ich will diesen Satz gar nicht weiter beleuchten oder kommentieren, das ist einfach nur eine Feststellung nach meiner bisherigen Schulerfahrung. Möge jeder für sich selbst entdecken.

Das heißt also, wenn ich in einer geschlossenen Psychiatrie einen akuten Notfall habe und eine Fixierung nötig ist, muss ich zuerst einen Anruf bei dem zuständigen Richter tätigen. Und der soll, entfernt, wie er nun mal ist, binnen weniger Sekunden oder Minuten eine Entscheidung fällen. Ich vermute, dass er das ist den meisten Fällen zulassen wird, weil ein Richter vielleicht kein ausgebildeter Psychiater ist, oder man wird dafür Spezialisten suchen.

Ich sehe diesen Beschluss tatsächlich als Hürde. Ich kann den Blickwinkel des Bundesverwaltungsgerichts verstehen. Es wird verhindert, dass Menschen ihre Machtstellung in Psychiatrien ausnutzen. Es fällt mir schwer, eine eindeutige Meinung dazu zu bilden. Wie seht Ihr das?

post scriptum: Unter das Bild oben habe ich geschrieben "Who can forget...?" - aber wer weder Buch noch Film kennt, wird sich nicht an Oberschwester Mildred Ratched aus Ken Keseys "One Flew Over The Cuckoo's Nest" erinnern. Lese- bzw. Schauempfehlung!

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