Sonntag, 9. Oktober 2016

Ganz schwer auszuhalten: Markus Lanz


Ich habe mich gestern bei Youtube aus Versehen verklickt und bin bei einer Aufzeichnung von Markus Lanz' Talkshow gelandet. Ich mag Talks eigentlich, schaue immer mal wieder bei Anne Will, Maybrit Illner und Sandra Maischberger rein. Der nun angetroffene Moderator hat es mir allerdings sehr schwer gemacht, nicht sofort auf den Dislike-Button zu drücken. Woran kann das liegen?

Liegt es daran, dass er selbst der größte Star in seiner Sendung ist? Während die Gäste bei den oben genannten Sendungen nur in aller Kürze von einer Stimme aus dem Off vorgestellt werden, übernimmt Lanz in seiner Sendung die Aufgabe selbst, und zwar nicht in aller Kürze, sondern scheinbar gern inklusive eines detailgenau aufbereiteten Lebenslaufs, den er von seinen Moderationskarten verliest - man möge denken, dass in etwa ein Hektar Regenwald pro Gast für Anmoderations-Karten vernichtet wird. Führt dazu, dass nach Vorstellung der Gäste bereits ein Viertel der Sendung um ist.

Und selbst, nachdem er eine Frage gestellt hat, hält er sich noch nicht zurück, sondern wiederholt die Frage, gern auch noch ein drittes Mal, dabei leicht umformuliert - für Lehrer ist dies ein absolutes No Go. Hat sein Gast nun endlich die Gelegenheit bekommen, sich zu artikulieren, übernimmt Lanz auch hier bei jeder Gelegenheit die Artikulation selbst. Er vervollständigt ungefragt die Sätze seiner Gäste, fällt ihnen mehrfach ins Wort, hört sich die Antworten gar nicht erst an (Sahra Wagenknecht weiß, wovon ich spreche), sondern leitet direkt zur nächsten, dreifach wiederholten Frage über und wird dabei vom Applaus seines Publikums geleitet.

"Absolut!" - "Ja, sagen sie es" - "Wenn es ihnen dann besser geht, lassen sie es raus." - "Ja, ich wiederhole es gern selbst nochmal" - "Ja, mhm, ist richtig"

Und überhaupt, der Applaus: Lanz zeigt eine intensive Affinität, einfach alles mit seiner Rede zu unterbrechen. So spricht er gern mitten in den Applaus des Publikums hinein. Bricht seine Frage ab, wiederholt sie. Noch immer Applaus, er bricht ab, wiederholt nochmals. So kommt es nicht selten vor, dass er eine Frage viermal ansetzt - für mich ist es sehr anstrengend, das im Laufe einer Sendung immer und immer wieder zu erleben.

 "Sagen sie mal...", "sagen sie, wie machen...", "sagen sie mal, wie..." "Sagen sie..." bis der Applaus endlich abebbt.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass der Moderator sich sehr gern reden hört. Viele Interjektionen, Unterbrechungen, Wiederholungen, lange Intermezzi, er bekommt gar nicht genug davon. Vielleicht ist er selbst beim Sex sich selbst der beste Gesprächspartner. Kann ich verstehen, geht mir auch so. Ich rede auch die ganze Zeit mit mir selbst. Würde ich in meiner Talkshow aber hoffentlich nicht machen, sondern meinen Gästen das Wort überlassen. So wie das auch eine Anne Will macht, eine Maischberger und eine Illner (jene lassen übrigens zumindest den Eindruck politischer Neutralität erkennen; Lanz ergreift offen Partei mit einem Studiogast gegen einen anderen).

"Ich muss einmal einhaken" - "Ja, ich frage da nochmal nach?" - "Finden sie das gut?" - "Ja, sagen sie mal, finden sie das gut?" - "Ja, ich frage nochmal nach, finden sie das gut, sagen sie mal!" - "Ich würde die Frage gern nochmal stellen."

Es ist ja nicht nur seine intensive Rederei. Es ist auch die Art und Weise, wie er sich vorbeugt, wenn er sich zu seinen Kandidaten dreht, als wolle er ihnen direkt in den Ausschnitt fallen, klammere sich dabei aber verkrampft an der Lehne seines Sessels fest, als leide er unter massiver Verstopfung. Mit so einer Un-Entspannung ist es kein Wunder, dass er seine Gäste andauernd unterbricht. Ich werde nachgerade wütend, wenn ich das einige Minuten am Stück erleben muss und frage mich, ob Markus Lanz eine Waffe der Japaner anstelle neuer Foltermethoden ist.

"Ich muss nochmal nachhaken..." - "Ja, ich komme nochmal ein Stück näher, das finde ich spannend" - "Ja, sagen sie mir mal, was sie denken" - "Nein, was sie denken" - "Nein, das glaube ich ihnen nicht" - "Geil, jetzt kann ich ihre Titten sehen"

Das hier ist nicht der erste Beitrag im Internet, der mit Spott und Häme ihm gegenüber nicht spart und seine Sendung verreißt. Und es ist ja nicht nur seine Talkshow. Beharrlich hat er als Thomas Gottschalks Nachfolger eine der einst größten Unterhaltungssendungen Europas zu Grabe getragen, indem er unter Anderem seine prominenten Gäste dazu brachte, sich Eiswürfel in die Jeans zu schütten. Entertainment pur, meine Damen und Herren, heute abend sinkt für Sie: Das Niveau.

Markus Lanz ist ein dankbares Ziel für Comedy und unterhaltsame Rezensionen und gehört in jedes Moderations-Ausbildungsprogramm als negatives Beispiel. Es gab bereits eine Online-Petition, die seine Absetzung forderte - schließlich bezahlen wir ihn mit unseren Rundfunkbeiträgen und ich könnte mir Menschen aus meinem Umfeld vorstellen, die das besser machten als er. Besser gesagt: Ich könnte mir niemanden vorstellen, der es nicht besser machen würde.

Es mag ja sein, dass Markus Lanz ein großartiger Moderator ist (sein Untergang mit Wetten Dass...?! sei ihm nicht verziehen), aber in meiner Wahrnehmung ist er nur eines: Ein unverschämter Gastgeber und in der Konsequenz ganz schwer auszuhalten.

Und wer es nicht glaubt - hier der unglaublich tumbe Umgang mit Frau Wagenknecht aus 2014 (Warnung: könnte Fremdschämen auslösen):


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