Donnerstag, 20. August 2020

Die Ruhe


Aspis brauchen in regelmäßigen Abständen Ruheinseln. Sie nehmen audiovisuelle Impulse sehr intensiv wahr und schaffen es manchmal nicht, sie schnell genug im Kopf "abzuarbeiten" - zu überlegen, woher dieses Geräusch nun kam, oder wie die Antwort auf jene Frage ist, oder warum Klaus heute Hosenträger hat. Es kann ganz schnell zu einer Überforderung kommen, verbunden mit einer Art Erstarrung: Der Kopf denkt überhaupt nicht mehr weiter, weil einfach zu viele Dinge auf ihn einprasseln, auf einmal sind rundherum nur noch Geräusche und Stimmen, die keinen Sinn mehr ergeben. In solchen Phasen ist es für einen Aspi wichtig, eine Möglichkeit zur Ruhe zu finden. Eine Atmosphäre, in der keine neuen Geräusche, Menschen, Wörter et cetera auftreten.

Mir geht das auch so, und das ist ein Aspi-Symptom, was sich nicht mit Hochbegabung übertünchen lässt. Wenn, dann wird es dadurch sogar noch verstärkt, und vielleicht kennen ein paar HBs unter Euch diesen "Zuviel-Input". Oder vielleicht liegt es eben doch nur am Autismus. Jedenfalls bin ich sehr froh, dass meine Schule einen Ruheraum für Lehrkräfte hat. Es ist meine siebte Schule, aber erst die zweite mit einer solchen Einrichtung; das kannte ich zuvor nur aus Neumünster.

Ich finde diesen Ruheraum wunderbar. Er liegt im Keller, wo sich keine Hitze staut, seine Fenster zeigen nach Norden, so dass er nicht durch die Sonne aufgeheizt wird, er hat eine gut isolierte Tür, durch die nicht viele Geräusche dringen. Innen befinden sich verschiedene Sessel und Liegen, sowie ein Berg an Kissen und Decken, und zwei dekorative Paravents für die richtige Atmosphäre. Heute habe ich gemerkt, wie gut es mir tut, an einem Neun-Stunden-Tag in den Freistunden einfach dort hinunter zu gehen, mich hinzulegen, einen Wecker zu stellen und wegzudösen, oder einfach nur zum Lesen dorthin zu gehen. 

Ich dachte immer, ich müsste Freistunden im Stundenplan ganz grausig finden, denn da sei mein Kopf unterfordert, es sei für mich quasi verschwendete Zeit. Jetzt, da ich zwei sechste Klassen unterrichte, bin ich heilfroh, die Ruhe zwischendurch genießen zu können, denn leider geht in diesen Jahrgangsstufen mein Kopf sehr schnell auf overload und Blockade. In St.Peter-Ording hatten wir keinen Ruheraum - zumindest nicht, dass ich wüsste - aber dort waren die Freistunden auch sehr sinnvoll; meistens bin ich in's Sekretariat getingelt und habe ein bisschen durch die Schülerakten gestöbert. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das an meiner jetzigen Schule auch bald wieder losgeht.

Denn egal, wie chaotisch dieser Start in das Schuljahr sein mag - ich fühle mich an der Schule sehr wohl und habe endlich wieder das Gefühl, dass es sich lohnt, Zeit in die Schule zu investieren.

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