Montag, 11. November 2019

Furz während der Examensprüfung (II)


Ist ja interessant - bei der Englischprüfung weiß ich noch ganz genau, dass die große Buba da war. In Latein bin ich mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube, die Sannitanic hat mich zum Schafott begleitet.

Zweiter Akt: Der Furz

Mein Prüfer, R, wollte mich zu der Examensprüfung unbedingt mal in einem "vernünftigen Outfit" sehen, nicht alles mit Totenköpfen und Skeletten und so, und den Wunsch wollte ich ihm erfüllen. Die Nägel waren zwar immer noch schwarz lackiert, aber ich hatte ein schwarzes Hemd an, schwarze Krawatte, schwarze Hose mit schwarzem Gürtel und eleganter Gürtelschnalle, und die schwarzen Schuhe hatte ich am Vortag extra noch einmal geputzt. Irgendwie sollte das alles meine Panik kaschieren; wenn ich schon untergehe, dann wenigstens mit Stil. In Latein ein Insiderwitz.

Und so saßen wir beiden vor der Tür, glaube ich, nachdem ich meine Ankunft per Klopfen bekannt gegeben hatte, und irgendwann ging die Tür auf, Licht flutete den Korridor des Institut für Klassische Altertumskunde, und ich setzte mein gründlich geübtes Lächeln auf. Hinein in den Prüfungsraum, Rs Büro, da war ich schon öfters, und dort standen dann auch B, der Zweitprüfer, und eine Beisitzerin aus dem Ministerium, deren Namen ich schon wieder vergessen hatte. Sie waren alle sehr freundlich, und so setzten wir uns an den runden Tisch, und irgendwie schwang eine DrH-kann-das-Fröhlichkeit im Raum, seitens der Prüfungskommission, und ich bekam noch mehr Panik - im Studium meine Dauerangst, und auch danach noch: Ich kann den Erwartungen, die an mich gestellt werden, nicht gerecht werden. Und warum erwarten die von mir überhaupt eine gute Leistung? Ich wusste damals nichts von "Hochbegabung", war in Latein immer wieder schwankend zwischen Zwei und Vier. Und das war seitens des nett meinenden R, aber heute musste ich auch B antworten, und der würde klar aufdecken, wie schlecht ich in Latein bin.

"Womit möchten sie denn anfangen?" und ich entschied mich für Prosa - Petron - in der Hoffnung, dass damit das Eis gebrochen werden konnte, denn Petrons Werk hatte ein paar witzige Passagen. "Dann schlagen sie mal Kapitel 47 auf, sie nehmen bitte Oxford, die Tusculum-Ausgabe ist für unsere Beisitzerin, und lesen sie mal vor, bis wir sie stoppen."

Ich schaue auf den Text und merke schnell, dass wir uns mitten in der Cena Trimalchionis befinden, eine der albernsten Episoden - und atme auf. Ich hatte befürchtet, dass es eine der späteren, unbekannteren Passagen wird, aber R hat sich für den Standard entschieden. Warum auch immer. Während ich den lateinischen Text vorlese, komme ich immer wieder in's Kichern, denke mir, das kann doch nicht sein Ernst sein?! DIESE Stelle? Und dann übersetze ich, wie Trimalchio sich bei seinen Gästen entschuldigt, weil er furzen musste. Und erzählt dann ausführlich, wie ihm die Gase im Darm herumfahren, und dass er ja kein Freund davon sei, es zurückzuhalten. Dabei schaut er seine Frau Fortunata an, und die kann das bestätigen. R fragt, wie das gemeint sein könnte, ich bin mir nicht sicher, lese noch ein bisschen weiter, und R und ich ziehen daraus den Schluss, dass Trimalchio und Fortunata nachts keinen Sex mehr haben, sondern - Zitat R - "...die furzen sich wahrscheinlich eh nur noch die ganze Zeit an."

Die Frau vom Ministerium fällt vor Lachen fast vom Stuhl, selbst B kann sich das Grinsen nicht verkneifen, wenn ich Stellen wie venter sonat, putes taurum analysiere. Und so geht der erste Teil der Prüfung dahin, die Sonne scheint, und wir reden darüber, wie rücksichtslos Trimalchio seinen Gästen von seiner Verdauung erzählt, B-Teil ging recht schnell, da über Petron bis auf einen terminus post quem nur wenig gesichert ist, und dann klingt Rs Telefon, mitten in der Examensprüfung. "Wissen sie was, atmen wir einfach einmal kurz durch, ich bin gleich wieder da, dann machen wir weiter." Und wir drei Übriggebliebenen unterhielten uns spaßig über die Satyrica. Entspannt, aufgelockert, halb totgelacht, alle aufgelaufene Angst verloren.

Und auch im Thema Lyrik hat R sich ein Standardthema für mich ausgesucht, keine fiesen, pieksigen Fragen, und plötzlich reden wir über seine Familie, die zufälligerweise in der Region lebt, von der Ovids Gedicht handelt. Es bleibt aufgelockert-persönlich, freundlich, ich komme nach einer Stunde aus dem Raum und kann noch nicht verarbeiten, was da alles gerade im Raum passiert ist. WARUM hat R die Prüfung für mich so einfach gemacht? WARUM diese Textstellen? Ein paar Minuten später erhalte ich meine Note, ein strahlender R, ein strahlender DrH, dennoch verwirrt, dass so etwas eine Examensprüfung sein kann. So abgefahren, so albern... daraus muss sich doch etwas für die Saturnalien schneidern lassen, denke ich mir. Und nehme mir vor, meine mündliche Prüfung zu fiktionalisieren, so viel würde ich gar nicht ändern müssen, damit es witzig und unterhaltsam wird. Jetzt brauche ich nur noch ein Thema...

Fortsetzung folgt...

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