Mittwoch, 27. November 2019

Extreme


"Sehr geehrter Herr Limmer, bitte entschuldigen Sie, dass ich diese Klausur nicht weiter bearbeiten kann. Ich habe einen totalen Blackout, das ist mir so noch nie passiert..." (Klausur: 5, Zeugnis: 2)

Warum musste ich ausgerechnet Herrn Limmer in Chemie bekommen? Limmer war streng, laut, böse (dachte ich), und ich hatte Angst vor ihm. Das ging nicht nur mir so, viele hatten Angst davor, dass er plötzlich mit dem Finger auf sie zeigte und seinen gefürchteten Spruch brachte: "An's Tafelchen!" Klar, dass Limmer ein großartiger Lehrer war, ein bisschen wie Brunkert.

Es geht in diesem Beitrag aber nicht um Lehrer, sondern um einen Leistungsnachweis, der vollkommen den Erwartungen widersprach, die jemand an mich hatte, sei es aus bisherigen Klausuren oder Unterrichtsarbeit. Und es war nicht der einzige Vorfall dieser Art - Proseminar II, Vergils "Aeneis" VII + VIII. Für den Leistungsnachweis musste ich zwei Klausuren bestehen. Sollte doch möglich sein, dachte ich mir, weil es in den Seminaren immer ganz gut gelaufen ist. Klar, hier und da hatte ich kleine Fehler in meinen Übersetzungen, aber eigentlich sollte es klappen. Und dann kam Frau Dr.Bruck nach der ersten Klausur zu mir: "Ist mit ihnen alles in Ordnung, Dr Hilarius? Wenn sie Probleme haben, können sie jederzeit in meine Sprechstunde kommen und darüber reden."

Vier Sieben. Gleich die erste Klausur vollkommen versemmelt; für alle Nicht-Akademiker: "Vier Sieben" bedeutet nicht bestanden. Aber man konnte ja noch mit der zweiten Klausur ausgleichen, das war meine einzige Hoffnung, aber der Druck war gewaltig - und dann wurde die zweite Klausur eine Eins Drei.

Ich neige in Leistungsnachweisen zu Extremen. Zu absolut hervorragend und völlig an der Frage vorbei. Das ging immer so weiter; im ersten Staatsexamen habe ich die mündliche Prüfung in Englisch komplett versaut, und immer bleiben ratlose Köpfe zurück: Die Prüfer, die mich eigentlich anders kennengelernt hatten, konnten sich diese Ausfälle nicht erklären.

Im zweiten Staatsexamen kam es noch drastischer, denn da gab es vier Prüfer (ich hatte den Schulart-Leiter dabei), die sich auf eine Note einigen mussten, und - das weiß ich offiziell natürlich nicht - sie haben sich die Köpfe eingeschlagen. Auf der einen Seite hieß es "Das ist wunderbar, ein Genuss, das muss mit Eins benotet werden", und auf der anderen Seite ging es in Richtung "Da war viel Gerede, aber Dr Hilarius ist kaum auf die Fragen eingegangen, das tendiert eher zu einer Fünf". Es hat eine Dreiviertelstunde gedauert, bis man sich schließlich auf eine Note einigen konnte.

Liebe Hochbegabte da draußen - geht es Euch auch so? Habt Ihr auch manchmal Totalausfälle und manchmal Glanzleistungen, und eher selten etwas dazwischen?

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