Worüber schreibe ich heute?
Ich könnte darüber schreiben, dass ich derzeit den Arsch voll Arbeit habe, dass mein Kopf seit Anfang der Woche nur noch auf Schule eingestellt ist, oszillierend zwischen Schülertests, Impfterminen, VERA, Notensticks und der Erforschung spannender Schüler, und dass alles Andere momentan warten muss - Nachrichten auf dem AB, Mails etc.
Ich könnte darüber schreiben, wie ich heute versucht habe, einen Impftermin zu bekommen, und dass zwanzig Minuten nach Öffnung der Online-Warteschlange noch vierhundertsiebenundneunzigtausend Teilnehmer vor mir warteten, und dass zehn Minuten später alle Termine bereits vergeben waren - wobei ich eh' nicht geglaubt hatte, dass ich heute einen Impftermin bekommen würde.
Darüber schreibe ich aber nicht, sondern ausgerechnet über eine Vertretungsstunde heute, und dabei war die noch nicht einmal besonders kreativ, aber sie hat mir einen ganz bestimmten Moment vor Augen geführt, den ich total toll finde. Klasse Sieben, mittlerer Englischkurs (äußere Differenzierung), kleine Vorstellungsrunde, What's your name, how old are you, tell me about your hobbies, in einem Wechselunterrichtskurs mit sechs Schülern.
Bei der Vorstellungsrunde bekam ich den Eindruck, dass die jungen Leute kein Problem damit haben, Englisch zu sprechen - also habe ich eine Black Story ausgepackt. Ich hab' ein bisschen gestaunt; niemand von ihnen wusste, was eine BS ist, und so habe ich ihnen das Prinzip erklärt und ihnen eine schöne Geschichte auf Englisch serviert. Ich finde das für eine Vertretungsstunde sehr sinnvoll - die Schüler wiederholen, wie man auf Englisch Fragen stellt, im Präsens und Präteritum, sie müssen irgendwie ihre Gedanken versprachlichen, das ist super.
Die besten BS sind total abgefahren und haben Herleitungen zu den jeweiligen Situationen, auf die man von selbst kaum kommen kann (zum Beispiel die Frau, die sich nach Genuss eines Leguansteaks erschießt, oder der Mann, der mit dem Fahrstuhl in den zehnten Stock fährt, dann die Treppen bis zu seiner Wohnung im zwanzigsten Stock nimmt, seine Wohnung betritt und sich dann aus dem Fenster stürzt). Deswegen habe ich kein schlechtes Gewissen, wenn ich den Schülern dabei helfe, indem ich ihnen Tipps gebe, was sie vielleicht herausfinden sollten.
Früher habe ich das anders gemacht - völlig ohne Tipps, und wenn sie am Ende die Lösung nicht hatten, habe ich ihnen die Geschichte komplett erzählt. Ich fand das sinnvoll - aber in hindsight war das blöd. Es ist viel toller, wenn die Schüler selbst auf die Lösung kommen. Klar, dazu muss ich Tipps geben, dazu muss ich ein wenig steuern. Aber die wichtigsten Erkenntnisse und die Lösung, darauf sollen die Schüler dann selbst kommen - denn dieser Aha-Moment, dieses Leuchten in den Augen, als die Schülerin mir heute die richtige Erklärung gegeben hat, das ist Gold wert.
Wenn am Ende der Stunde die Schüler erzählen "Joah, wir haben eine Black Story gemacht, die war total abgedreht, haben wir nicht herausgefunden", dann ist das eine Sache. Wenn die Schüler am Ende aber das Gefühl haben, dass wir alle zusammen ein schwieriges Rätsel gelöst haben, und dass die entscheidenden Hinweise von ihnen selbst kamen, dann ist das Gold, dann ist das etwas, was man mit nach Hause nimmt.
Lehrer-nerdig. Aber ich mag dieses Aha-Leuchten!
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