Freitag, 24. August 2018

Ein neuer Start

Anständig war gestern...?

Montag

Das neue Schuljahr hat begonnen, und damit wünsche ich allen Kollegen und Kolleginnen unter den Lesern erst einmal einen erfolgreichen Start in sechs Wochen Schulbetrieb, bevor dann auch schon wieder in den Herbstferien gelandet wird.
Für mich hat der Tag heute begonnen wie für viele Andere - mit einer Dienstkonferenz (wobei viele andere Schulen das schon am vergangenen Freitag hinter sich gebracht haben). Mein Abteilungsleiter hat viel Wert darauf gelegt, dass wir das letzte Wochenende in den Ferien noch zum Entspannen nutzen, und das habe ich natürlich gern befolgt.

Von einem Kollegium zum nächsten, und nun bin ich wieder in einer kleineren Runde gelandet; wir sind ingesamt einundzwanzig Kollegen, und das Lehrerzimmer erinnert mich von der Größe her an SPO, und auch vom ersten Eindruck hinsichtlich der Atmosphäre.

Dienstag

Meine Schüler sind so etwa zwischen sechzehn und einundzwanzig Jahren alt. Es sind genau die Leute, die ich in SPO mit dem MSA verabschiedet habe, also kenne ich diese Schüler irgendwie. Also ob ich nie an einer anderen Schulart unterrichtet hätte, wobei das nur für die Lernenden gilt.

Meine Abteilung hat durchgeknallte Lehrer, das behaupten sie zumindest selbst. Und sie wirken extrem locker, das freut mich sehr, denn auch das erinnert mich an SPO. Ist einfach etwas Anderes mit einem kleinen Lehrerzimmer und einem Klassenkollegium, das nur aus mir und vier weiteren Kollegen besteht. Once again: SPO-like.

Mittwoch

Ich schreibe mal wieder vollkommen zusammenhanglos - ich liebe es. Die Vorstellungsrunden in den Lerngruppen sind eigentlich wie an jeder anderen Schule; nur eine Frage bringt mitunter sehr spannende Antworten mit sich und viele Schüler geben dort sehr ehrlich Auskunft: "Warum sitzt ihr überhaupt hier? Ihr habt doch jetzt euren MSA in der Tasche, warum tut ihr euch noch mehr Schule an?"

Meistens gehen die Antworten in Richtung größerer Berufsauswahl. Sehr oft haben sie aber auch Angst oder sind unsicher, was sie nach der Schule machen sollen, und so bieten sich für sie noch ein, zwei Jahre zusätzliche Bedenkzeit. Kann ich so gut nachvollziehen, gerade, wenn man mal so eben fünfzehn oder sechzehn Jahre alt ist.

Ganz selten kommt als Antwort auch, dass ihnen die Schulzeit einfach gut gefällt, sie fühlen sich dort wohl. Das finde ich toll; Andere sind eher aus Not hier: "Ich bin aus meiner Ausbildung rausgeflogen und möchte mir hier neue Chancen suchen." - "Ich bin entlassen worden und der Rechtsfall läuft zwei Jahre, und ich hab mir gedacht, dass ich in der Zwischenzeit was aus mir machen kann."

Viele waren schon im Ausland, und das Leistungsspektrum geht extrem weit auseinander. Der Gemeinschaftsschulklassiker halt. Ich finde die jungen Erwachsenen toll. Sie sind endlich wieder richtig authentisch. Man muss sie nicht wie Kleinkinder betüddeln. Manche haben Scheiße gebaut und sind in der Lernphase angekommen. Sie brauchen diesen Abschluss, und ich hoffe, dass ich möglichst viele von ihnen durchbringen kann.

Donnerstag

So ungewöhnlich. Die Klassenräume stehen alle immer offen. Die Pausen sind, abgesehen von der fünfundzwanzigminütigen Frühstückspause, recht kurz - so ist die achte Stunde um halb drei Uhr nachmittags vorbei. Entlassung in die Freiheit. Das Kollegium nicht spießig-konservativ. Es geht um eine angenehme Zeit für alle und einen Lernerfolg für die Schüler, "ohne den Druck vom Gymnasium", wie ich zu hören bekommen habe.

"Und, bist du schon ein bisschen hier angekommen?" fragt mich eine Kollegin. Wieder einmal der HB-Zwiespalt. Soll ich ihr sagen, dass so etwas bei mir sehr lange dauert? Dass es Monate dauern kann, bis ich einmal von mir aus jemanden anspreche, und bevor ich mich in dem kleinen Lehrerzimmer nicht immer automatisch von den anderen Kollegen wegsetze? Oder soll ich ihr das sagen, was sie hören will, irgendwas Positives, damit ich meine Ruhe habe? Ja, das mache ich.

Und erst auf der Heimfahrt wird mir bewusst, dass ich nicht gelogen habe. Denn es waren nur ganz wenige Tage bisher, an dieser neuen Schule. Aber ein Gefühl scheint sich einzustellen, das ich in dieser Form sehr lange nicht mehr hatte. Zum letzten Mal vor viereinhalb Jahren, nachdem ich die erste Nacht in meiner neuen Wohnung in Kiel geschlafen habe. Dieses Gefühl davon, endlich den "richtigen" Ort gefunden zu haben; dieses Gefühl, sich nicht wie ein Fremdkörper zu verhalten.

Klar, es ist nur ein Gefühl, und es sind gerade erst ein paar Tage an diesem neuen Arbeitsplatz. Aber ich glaube, ich scheine mich darauf einlassen zu können, dass dieses endlich meine Schule wird. Ich kann in Kiel wohnen bleiben, ich habe nette, entspannte Kollegen, ich kann mit den Schülern arbeiten, keiner unter fünfzehn, und irgendwie alle nicht perfekt. Ich fühle mich gerade wohl.

Ganz randompömpöm habe ich jetzt Lust auf Lucio Fulcis Sette Note in Nero (1977, fast zeitgleich zu Dario Argentos Suspiria) - wenn ich alte Filme in Ruhe genießen kann, ist das ein gutes Zeichen.

Freitag

Ich habe geschrieben "Als ob ich nie an einer anderen Schulart unterrichtet hätte", aber es gibt noch ganz Vieles, dass ich in meinen Kopf bekommen muss. Weit mehr als nur die Lehrpläne und Prüfungsbestimmungen von BFS III und BOS und was in der Zukunft noch so auf mich zukommt. Da ich in einer kaufmännischen Abteilung arbeite, muss ich selbst mich im Wirtschaftsenglisch auf Vordermann bringen. Ich muss ein Gefühl dafür entwickeln, mit welchem Mindset die Lernenden in den Klassen sitzen. Ich brauche Zeit, um das richtige Niveau für den Unterricht zu finden; ich kenne mich, ich fange wahrscheinlich zu leicht an.

Whatever, schauen wir mal. Jetzt ist erstmal wieder das Bett angesagt, die komische Rumhusterei der letzten Tage hat sich zu irgendwas entwickelt, das ich schnell loswerden möchte. Ich freue mich auf die nächste Schulwoche.

Und ich glaube, das ist ein gutes Zeichen.

Und das muss ich noch loswerden: Ich bin so froh, aus diesem biederen Scheiß raus zu sein. Das geht nicht gegen irgendjemanden persönlich, und es geht auch nicht gegen irgendeine Schule. Es ist einfach nur ein Gefühl von Befreiung, das ich teilen möchte.

post scriptum: Nach fünf Jahren ändert sich nun auch der Meditationstag, der von Donnerstag auf Freitag wandert. Natürlich wieder mit Film, und heute gab es einen ziemlich guten Film über Hexerei im siebzehnten Jahrhundert. Tolles Englisch, authentische Bilder und eine Coming-of-Age-Geschichte gibt es obendrauf: "The Witch" (2016) - schon wieder ein Regiedebüt, das die Kritiker begeistert. Manche Menschen haben wirklich große Talente.

2 Kommentare:

  1. Hallo Tobi!Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du Dich nach und nach in der neuen Schule gut einleben kannst.Ich freue mich mit Dir, dass Dir der Anfang dort schon einmal gut gefallen hat. Toi, toi, toi, dass es so weitergehen möge. Liebe Grüße

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