Damals war besseres Wetter. |
Es gibt einen Tag im Jahr, an dem ich ohne schlechtes Gewissen das Telefon rausziehe und nicht an die Tür gehe, wenn es klingelt und ich niemanden erwarte. Okay, es gibt mehrere Tage, an denen mir das egal ist - aber heute darf ich das. Denn heute ist mein Geburtstag. Ja, heute, am elften August. Nicht am zehnten, nicht gestern, nur weil Facebook Euch das vorgegaukelt hat.
Ich bin der Meinung, dass ein Geburtstag eigentlich wie jeder andere Tag ist. Die Sonne geht auf, abends unter, zwischendurch regnet und stürmt es draußen, es ist kalt, also endlich mal ein typischer Kieler Sommertag. Ich bezahle immer noch eins neunundvierzig für das Brot und fünfundzwanzig Cent Pfand auf die Flaschen aus dem Supermarkt. Er ist immer noch nah und unerreichbar fern, die Wohnung sieht immer noch chaotisch aus, mein Frühstück besteht auch heute aus Vitaminpillen und Koffein. Ich habe meine Freunde heute nicht mehr oder weniger lieb als sonst.
Es könnte auch jeder andere beliebige Tag sein - und das wollte ich einfach einmal bestätigt wissen, also habe ich vor einigen Tagen mein Geburtsdatum bei FB auf den zehnten August umgestellt. Ich habe einen netten Hinweis bekommen, in dem ich mein Alter bestätigen musste und dass ich mein Geburtsdatum nicht beliebig oft ändern kann - das scheinen wohl einige User zu machen. Needy much? Aufmerksamkeitshechte, wie es scheint.
Ich wollte einmal schauen, ob es sich nun tatsächlich so entwickelt, dass alle Menschen, die mir auf Facebook folgen oder dort mit mir verlinkt sind, mir auch einen Tag früher gratulieren. Ob sie die von FB servierte Information, ich hätte Geburtstag, unhinterfragt umsetzen. Da soll ja auch keine Wertung drinliegen: Ich wäre vollkommen aufgeschmissen ohne diese Terminerinnerungen, denn ich merke mir nur sehr wenige Geburtstage. Familie, Sannitanic, Die Große Buba und Er. Oft scheibe ich sie mir trotzdem auf meinen Tischkalender.
Und so bin ich dann gestern Abend bei Facebook von zahlreichen Nachrichten begrüßt worden, die mir zum Geburtstag gratuliert haben. Vor meinem Geburtstag. Manche mit Bildern, oder mit Soundfiles, mit GIFs und wasweißich. Und ich konnte nicht anders, als mich scheckig zu lachen. Ich habe tatsächlich mehrere Minuten herzlich gelacht, und mir ist bewusst geworden, wie unbedeutend der exakte Tag doch eigentlich ist. Könnte jeder andere Tag sein. Ich könnte jedes Datum angeben, und die meisten Menschen würden mir das sofort glauben.
Mit einer Ausnahme, und das fand ich auch cool: Meine Nachbarin, drüben in meinem Heimatdorf, hat unter einen der Glückwunschposts auf meiner Pinnwand geschrieben, dass mein Geburtstag erst morgen sei - das weiß sie sehr gut, weil eine ihrer Töchter am gleichen Tag Geburtstag hat. Ich habe mich riesig über diese "Korrektur" gefreut, danke, Tante Renate!
Kann jeder x-beliebige Tag sein, wen kümmert es? Aber an meinem Geburtstag nehme ich mir Freiheiten heraus und erwarte, dass meine Mitmenschen das ertragen: Ich ziehe das Telefon raus, ich möchte nicht gestört werden, ich mache von Aufstehen bis Schlafengehen nur das, was ich möchte. Einen Tag lang purer Genuss. Ja ja, ich geb' ja zu, das mache ich auch zwischendurch hin und wieder - aber heute muss ich deswegen kein schlechtes Gewissen haben.
Und wie genieße ich so einen Tag? Natürlich im Freizeitpark! Ich liebe Achterbahnen, ich liebe die g-Kräfte, ich liebe Thematisierungen und könnte noch stundenlang Loblieder singen. Nur leider war heute ein recht regenintensiver Tag in unserem Bundesland, zumindest da, wo ich wohne. Und deswegen bin ich auf alternativen Genuss umgestiegen und habe mir mal wieder Fritz Langs Metropolis (1927) angeschaut. Denn das Science-Fiction-Drama ist tatsächlich purer Genuss, es ist toll, die Ohren von der dramatischen Sinfonie umspielen zu lassen, Walter Schultze-Mittendorfs Kreation der Stadt zu betrachten und darüber nachzudenken, wie beharrlich Fritz Lang auf einzelnen Einstellungen bestanden hat. Und seit einigen Jahren restauriert - gnadenlos gut.
Und dann natürlich Meditation, viele Dinge durchdenken, und eventuell nachher noch Das Cabinet des Dr. Caligari (1920) oder ein bisschen eintauchen in Star Ocean; ich wollte an dieser Stelle Shoutouts posten, ein paar persönliche Nachrichten an einzelne Menschen da draußen, aber mit welchem Zweck? Damit der Leser weiß, welche Menschen mir besonders wichtig sind? Dürfte sich aus der bisherigen Lektüre ergeben haben, dass dazu meine Eltern, die Sannitanic, die große Buba und Er gehören. Ohne die Sannitanic hätte ich meinen jetzigen Job nicht, ganz ehrlich. Die große Buba tut einfach gut, weil sie mich Reisen in Videospielwelten neu erleben lässt. Und ich bin immer noch der Meinung, dass Er und ich uns gegenseitig viel geben könnten, und dieses Gefühl für ihn habe ich immer noch und werde ich weiter behalten, auch wenn Er von diesem Post überhaupt nichts mitbekommt.
Liebe Leute, die jetzt hier nicht namentlich genannt wurden: Ich danke Euch für die vielen Glückwünsche, und zwar egal, ob sie gestern oder heute eingetrudelt sind oder noch kommen. Ich freue mich, dass so viele Menschen an mich denken. Auch wenn ich sehr gern allein bin, gibt es ein gutes Gefühl, zu wissen, dass da draußen Menschen sind, denen man nicht ganz egal ist.
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