Samstag, 25. August 2018

The Last Klopapier

Ähm... das war es dann also.

Kein Mensch geht samstags einkaufen. Niemand!

...würde ich normalerweise sagen. Denn da ist viel los in den Supermärkten, man findet kotzende Kinder, mörderische Scannerkassen oder das Tor zur Hölle tut sich auf. Ich glaube wirklich, dass an keinem anderen Tag das Einkaufen so sehr zu einer sozialen Aktion wird wie am Samstagmittag. Und weil die viel zu vielen Eindrücke der Kotzkinder, ausgelaufenen Waschmittelflaschen und verlorenen EC-Karten mein Gehirn dann gern überfordern - anstatt sich einfach nur auf's Bezahlen zu konzentrieren - kaufe ich zu unauffälligen Zeiten ein. Das klappt auch immer - bis auf heute.

Es ist doch nicht zu glauben: Während der unzähligen Semester meines Studiums hat meine Mutter sich immer sehr um mich gesorgt, Junge, hast du denn auch genug zu essen da, ich habe hier noch Spaghettisoße eingefroren, und hast du genügend Socken, und oben sind noch volle Pakete Klopapier, nimm' reichlich mit! (Der heutige Film hat mir mal wieder vor Augen geführt, warum Mütter so sind, wie sie sind)

Und jedesmal war es mir unangenehm, wenn ich eigentlich nichts in Kronshagen brauchte, und so habe ich dann oft Tiefgefrorenes mitgenommen, damit meine Mutter sich keine Sorgen mehr macht. Aber Klopapier? Jedesmal hat sie bei dem Klopapier nachgefragt - es sei ja schlimm, kein Klopapier im Haus zu haben und das wird ja nicht schlecht. Und jedesmal habe ich mir gedacht: "Ich habe in meiner Wohnung noch unzählige Rollen, ich weiß gar nicht, wohin damit, wenn ich noch ein Paket mitnehme, und außerdem hole ich immer rechtzeitig Nachschub."

Habe ich auch gemacht: Wenn noch zwei, drei Rollen übrig waren, ist der Punkt auf meiner Drogerie-Einkaufsliste gelandet, Ihr kennt das. Aber diese Woche hat mal wieder einen Klassiker hervorgebracht - das Essenvergessen. Nur, dass ich diesmal an das Essen gedacht habe, dafür aber vieles Andere völlig aus dem Blick verloren. Das Video mit den Geburtstagsgrüßen muss noch zurechtgeschnitten werden, Er war ja letztes Wochenende dran. Die Tafelfolie muss an die Wand gepappt werden, damit ich endlich eine gut sichtbare To Do-Liste in der Wohnung habe. Geschirr - wunderbar in der ganzen Wohnung verteilt, und ich bemerke es erst, wenn ich in den Schrank greife und kein sauberes Glas mehr finde.

Die neue Schule, die neuen Schüler, der neue Ort, das ist alles zu aufregend. Mein Gehirn konzentriert sich genau darauf, alles Andere ist irrelevant. Und so kam es dazu, dass ich heute früh mit der auf dem Foto abgebildeten Situation konfrontiert wurde. Mit fünfunddreißig Jahren ist es mir nun zum ersten Mal passiert - kein Toilettenpapier mehr. Werde ich alt? Die fette Schnecke weiß: Ich bin alt.

Also bin ich heute einkaufen gegangen. Zu plaza, um die Mittagszeit, passender geht es nicht: Acht Kassen sind geöffnet und überall stehen sie. Früher hätte ich versucht, anhand der Einkaufswagen und des Alters der Kunden mir zu überlegen, an welcher Kasse ich am schnellsten durch sein dürfte. War immer eine nette Rechnerei, aber heute ticke ich anders, versuche mich mehr auf das Gefühl der Ausgeglichenheit des Buddhismus zu berufen - Nichts ist entspannender als das anzunehmen, was kommt - und stelle mich an der Kasse mit dem hübschesten Kassierer an. Und die Wartezeit habe ich genutzt, um mir diesen Beitrag durch den Kopf gehen zu lassen, denn die ganze Situation hat mir eine Sache ganz klar vor Augen geführt:

Ich bin frei und ungebunden, die einzige Einschränkung in der Flexibilität erlege ich mir selbst auf. Mir wird an diesem Tag erst richtig bewusst, dass ich normalerweise einkaufen gehe, wann ich Lust habe, denn meistens sind die Kassen komplett frei. Diese anderen Menschen, die für einen Samstagsstau sorgen, können womöglich keinen anderen Zeitpunkt zum Einkaufen finden: Unter der Woche sind sie berufstätig, und nach Feierabend müssen sie sich womöglich um ihre kleinen Kinder kümmern. Vielleicht kommen sie von außerhalb, da kann man eben nicht mal schnell zu sky runter - und in ihrer Freizeit möchten diese Menschen sich vielleicht ein bisschen mit ihrem Lebenspartner beschäftigen.

Ich habe keinen festen Partner, ich wohne allein und kann, abgesehen vom Schuldienst, die Dinge dann machen, wann ich sie für richtig erachte. Und das ist ein hohes Gut. Ich sollte mir das immer mal wieder in Erinnerung rufen, wenn ich lange Schlangen an den Kassen sehe.

Und damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich möchte diese Freiheit im Verhältnis zu anderen Lebensskripten nicht bewerten! Ich habe Hochachtung vor den Menschen, die es schaffen, Beruf, Familie, Wohnung und Hobby zu wuppen, mit Augenzwinkern an die Sannitanic. Und ich kann es mir nicht einmal im Ansatz vorstellen, was all' diese Dinge, die sie unflexibel machen, im Austausch geben. Es muss ein tolles Gefühl sein, eine Familie zu haben, und auch aus der Hochbegabtensicht muss es sich gut anfühlen, wenn der Alltag wie ein Uhrwerk läuft. Voll, aber fließend.

Das sind also unterschiedliche Lebensskripte, so wie jeder von uns sein eigenes Skript hat (Terminologie der Transaktionsanalyse). Und keines ist besser oder schlechter, sondern einfach nur anders.

post scriptum: Über den heutigen Film werde ich unbedingt noch einen Artikel schreiben müssen. Science-Fiction - was wäre, wenn wir still sein müssten, um zu überleben? "A Quiet Place", ganz frisch aus diesem Jahr und mittlerweile auch bei Amazon prime verfügbar.

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