Samstag, 27. Februar 2016

Tempo! (und Tempuswechsel)

Ich gehe schnell, ich rede schnell, ich denke schnell.

Ich hab in dieser Aussage mal ein paar schöne Stilmittel verpackt. Latinisten sehen hier vielleicht ein asyndetisches Trikolon, eine Anapher, eine Epipher, eventuell gar eine Klimax. Ja, es heißt die Klimax, denn das griechische Wort für Leiter ist femininen grammatikalischen Geschlechts. So, Schluss mit Bildung.

Mir ist dieser Gedanke heute im Sophienhof gekommen. Ich wollte zu einem bestimmten Ziel, also gehe ich mit großen Schritten sehr zügig darauf zu, ich nehme die Umwelt dabei kaum wahr. Wenn mich ein Bekannter in so einer Situation anspricht, bekomme ich das meistens überhaupt nicht mit. Und wenn doch, dann antworte ich kurz angebunden, was von Manchen als arrogant oder abfällig empfunden wird. Und dann sind sie überrascht oder enttäuscht.

Es sei denn, sie kennen mich; dann wissen sie, dass ich in Gedanken schon vier, fünf Schritte weiter bin. Das ist Hochbegabung, und es fühlt sich so an: Der ganze Tagesablauf ist wie ein Drehbuch, das abgespielt wird. Ich versuche dabei, möglichst effizient die Gedanken zu sortieren, Unwichtiges beiseite. Was ich als nächstes mache, ist bereits festgelegt. Mein Körper geht durch den Sophienhof, in Gedanken bin ich aber schon zuhause und überlege, wie ich die Wohnung am besten für die Meditation umräume.

Es läuft also ein Drehbuch "Gedanken" ab, während ein Drehbuch "Action" für Außenstehende sichtbar ist. Das Gedankenbuch wird in einem Mordstempo fortgeschrieben, und manchmal schlägt sich das auch im Actionbuch nieder - so wie heute, dann gehe ich schneller und werde ungehalten, wenn mich jemand bremst.

Das kann ich nicht haben, dass jemand sich in mein Drehbuch einmischt. Ich kann dann zu Wutausbrüchen neigen, oder aber ich blockiere vollständig. Sieht für den Beobachter dann so aus: Ein zwei Meter großer Mann steht kontemplativ bei Edeka vor den Dosensuppen. Lange. Länger. Und wenn dann noch jemand fragt "Kann ich ihnen helfen?", ist der Ofen komplett aus. Drehbuch zerreißen, für eine Tausendste Sekunde alle Leute wegschmeißen, aller Ereignisse, alles. Neustart.

Gerade jetzt ist es auch wieder so. Das Tippen dieses Textes scheint mir lästig. In meinem Kopf ist er doch schon geschrieben, und wesentlich umfangreicher und detaillierter als das Bisschen hier. Kann das mal bitte schneller gehen? In gedanken bin ich schon bei der nächsten Meditation, während ich noch diesen Text tippe.

"Ja, warum schreibst Du das denn überhaupt auf, wenn Dich alles so nervt, Du kannst dann doch alles im Kopf abmachen!" - Berechtigter Einwand. Ich trainiere mich damit. So wie ich mit der Askese und der Meditation meinen Körper unter Kontrolle zu bekommen versuche, so ist auch die "Entschleunigung" eine Methode. Quasi ein Fitnessgerät fürs Gehirn. Aber zur Entschleuigung ein anderes Mal mehr, ich musste heute einfach das mit dem Tempo loswerde. Mann, scheiß Internet, veröffentliche den Post etwas schneller, damit ich endlich einen Film anschauen kann!

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