Ich wache morgens auf und denke als Erstes: Oh Mist, Du hättest früher aufstehen sollen. Du hättest schon so viel erledigt haben können. Du wolltest doch eigentlich aufräumen. Und der Papierstapel auf dem Schreibtisch wird auch immer größer. Und mit genau diesen Gedanken beginnt das Problem - nämlich nicht die Prokrastination an sich, sondern was sie mit dem eigenen Rückgrat anstellt, wie sie sich auf das Selbstbewusstsein auswirkt.
Durch diese ersten morgendlichen Gedanken stellt sich ein schlechtes Bewusstsein ein, und es folgt eine Kettenreaktion:
Der Postbote kommt und wirft Briefe ein. Ich sehe als Absender das Finanzamt, das Arbeitsamt, die Versicherung. Und weil ich ja eigentlich so viel hätte machen können und müssen, bin ich mir absolut sicher, dass es sich bei diesen Briefen und Mahnungen, Vorwürfe und Zurechtweisungen handelt. Das kann ich grad nicht haben, weils mir eh schon ein bisschen mies geht. Also kommen diese Briefe erstmal in die Ablage, um die kümmere ich mich, wenns mir besser geht.
Das schafft für eine kurze Weile Abhilfe, die Briefe geraten in Vergessenheit. Unabhängig davon, was sie tatsächlich enthielten, kann es sein, dass ein paar Wochen später wieder Briefe von denselben Absendern kommen, die im harmlosesten Fall Erinnerungen enthalten, oder erneute Ermahnungen. Ich trau mich gar nicht, sie auch nur aufzuheben, ich kicke sie in die Ecke.
Und dann sehe ich, dass das Licht am Anrufbeantworter blinkt. Jemand hat angerufen? Oh Mist, sicherlich war es mein Sachbearbeiter im Arbeitsamt, ich hab wieder alles falsch gemacht. Am besten lösche ich die Nachricht, ohne sie abzuhören. Das Problem ist (scheinbar) ganz schnell gelöst - nur das schlechte Gewissen wird immer größer, meine Körperhaltung immer kleiner, weil mein beschriebenes Rückgrat immer weiter bröckelt.
Das kann in einem Teufelskreis - oder besser: In einer Spirale nach unten immer so weitergehen. Was hilft dagegen? Was tun?
Arsch in die Hose packen, aufrichten, "face the music", wie der Amerikaner sagt, sich der Verantwortung stellen. Einmal durch die kalte Dusche durch und alle Briefe öffnen und alles abarbeiten. Die Hauptarbeit gegen das Problem beginnt erst danach, nämlich: Anfallende Dinge *sofort* erledigen und nicht erst zulassen, dass sie sich ins eigene Gewissen einklinken. Und sich zu jedem Zeitpunkt über die eigenen Handlungen im Klaren sein, denn für sie muss man irgendwann im Leben Verantwortung übernehmen und die Konsequenzen tragen.
Und es fühlt sich für mich einfach leichter zu schaffen an, wenn ich ehrlich und aufrichtig bin. Dazu ein anderes Mal mehr, ich hefte jetzt erstmal die Versicherungsunterlagen ab.
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