Sonntag, 2. Oktober 2022

Sonntag

Schall und Rauch, smoke and mirrors

Ich könnte über Verschiedenes schreiben. Darüber, dass Bolsonaro hoffentlich verliert. Dass ich gestern Gaspar Noés neuen Film gesehen habe, ein schonungsloses Stück über Demenz, mit Dario Argento in einer Hauptrolle (Filmliebhaber können sich darunter was vorstellen). Dass es kalt und dunkel wird, und warte mal, genau da könnte ich einklinken. Wenn es draußen grau und regnerisch ist...

...das hat mich in den Kronshagener Bergen immer etwas runtergezogen. Diese einzigartige Aussicht aus dem fünfzehnten Stock konnte bei grauem Regenwetter ganz schön deprimierend sein. Soll heißen, kein Serotonin, lahm, müde, schlecht drauf. Seitdem ich in Hassee wohne, mache ich das anders: Wenn draußen schönes Wetter ist, lasse ich die Rollos hoch und die Sonne hereinscheinen, aber im Winterhalbjahr sind die Rollos die meiste Zeit unten, nicht nur, um das Grau auszublenden, sondern um hier drinnen etwas Atmosphäre aufzubauen.

Lichtkonzepte und Sandelholzduft bewirken schon eine ganze Menge. Heute habe ich wieder das VR-Headset aufgesetzt, Kopfhörer eingeklinkt, in jeder Hand einen dieser Playstation Move-Controller und bin in das Anwesen des Malers in Layers of Fear gegangen. 

Gestern hatte ich noch geschrieben, wie genial es sei, den Handgelenktimer mit seinem Vibrationsalarm zu haben, denn: In der VR sind die Sinne von der Realität abgeschottet. Ich höre nichts von draußen, ich sehe nichts von draußen. Ich bin in diesem Anwesen, auf das gerade ein Gewitter niedergeht, und lese Briefe, Zeitungsartikel, höre Musik und befinde mich im Kopf des Malers, der mit der Zeit den Verstand verliert. Das wird unglaublich effektiv umgesetzt und ist nichts für zarte Gemüter, das kann motion sickness auslösen (bei mir nicht) und die vielen flackernden Lichter und visuellen Effekte können bei Epileptikern einen Anfall triggern. Ich komme da unbeschadet durch, während mir Klaviermusik durch die Ohren schwirrt, Malfarben vor meinen Augen verlaufen, ich blicke mich um und verliere die Orientierung, die Controller in meiner Hand vibrieren und es fühlt sich tatsächlich phasenweise an, als ob sich das Gefüge der Realität zersetzt.

Falls das schlimm klingt: Keine Sorgen machen. Es ist ein atemberaubendes Erlebnis, und mir geht es gut.

Aber unter all' diesen Effekten habe ich nicht einmal mehr das Vibrieren am Handgelenk wahrgenommen; ich beende das Kapitel im Spiel, steige nach und nach aus dem Equipment heraus und in die Realität hinein und werfe einen Blick auf die Uhr - ! What the...?! Plötzlich ist es Abend.

summa summarum: Ich bin ein begeisterter VR-Spieler. Da drinnen gibt es keine unberechenbaren Menschen, die mich stören, sondern einfach nur schöne Landschaften, Klangschaften, Maschinen, Rätsel und Ausblicke. Eine tolle Beschäftigung für einen freien Tag, wenn man wieder auf den Beinen ist.

post scriptum: Schniefen nervt. Aber in VR ist es nicht so einfach, mal eben schnell die Nase zu putzen...

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