Ein neuer Mitbewohner |
Mit einem ganz grausigen Wortspiel auf die antike Geschichte von Troilus und Cressida (Homer dürfte sich im Grabe herumdrehen, Chaucer und Shakespeare drehen sich mit) beginnt also eine Nachricht nach einer Woche Funkstille; ich muss diese Beiträge endlich wieder in so etwas wie einen geregelten Tagesablauf integrieren, der auch Tiefkühlessen enthält. Oder überhaupt irgendein Essen.
Vielleicht sogar mit selbstgezüchteter Kresse; die erobert mittlerweile mein Küchenfenster, ist am oberen Rahmen angekommen und wird bald durch die Außenwand brechen (wird dann wieder Zeit für einen Katastrophenthriller mit einer dicken Frau auf einer Parkbank, die Sahnetorten mit Kresse einatmet). Dabei esse ich gar keine Kresse, und obwohl ich mir vor einigen Wochen vorgenommen hatte, Kresse für den eigenen Verzehr zu züchten, hatte das Ganze einen völlig anderen Hintergrund.
Ein Haustier.
Ich schaue zur Zeit endlich etwas konsequenter die Serie Mr. Robot, und die Hauptfigur wird als Mensch mit Sozialphobie beschrieben - gleichzeitig realisiert er aber, dass er sich zuhause nicht mehr allein fühlen will. Das war in meinem Kopf erstmal nur sehr schwer vereinbar - gleichzeitig Menschen um jeden Preis meiden zu wollen, sich aber trotzdem schmerzhaft allein zu fühlen. Liegt möglicherweise einfach nur daran, dass ich selbst als Sozialphobiker (oder Schizoider, who knows?) keine Einsamkeit verspüre. Auch kein Alleinsein.
Und wenn dann einmal ein Mensch hier zu Besuch war, brauchte ich immer wieder eine Pause danach, Ruhe von Kontakten jeglicher Art. War nicht leicht für meinen ersten Freund, dass ich nach einem gemeinsamen Abend jedesmal mehrere Tage Abstand brauchte - und ist mir immer noch unangenehm, wenn jemand auf ein Gespräch vorbeikommen möchte, dass ich dann irgendwann nach einer halben Stunde oder so sagen möchte "Okay, können wir bitte Schluss für heute machen, mir reicht's gerade..."; das gilt auch für die große Buba, die ich zwar hochdosiert ertragen kann, auch täglich, aber auch da gilt, dass ich nach zwei oder drei Stunden lieber allein sein möchte.
Hin und wieder habe ich überlegt, ob ich ein Haustier haben möchte, und wenn ja, was ich dann gern hätte. Ich war immer begeistert von der Idee, eine Katze zu haben, aber ich bin allergisch gegen Katzenhaare - und selbst eine Katze ist mir zu pflegeintensiv, ich kann dafür nicht die Verantwortung übernehmen, ich würde die Katze vernachlässigen und es nicht einmal merken. Und sie rempelt mir meine Sachen in der Wohnung um. Also lieber den Nerdklassiker, ein Goldfisch mit dem Namen Sushi im Glas (die Idee ist noch nicht vom Tisch), oder eine Schlange.
Oder eben doch kein Tier, sondern wieder einmal eine Pflanze. Kaum zu glauben, aber Chuck die Pflanze im Bad lebt immer noch, wuchert mittlerweile um die ganze Waschmaschine herum, und auch das achtarmige Monster, das mir damals in den Kronshagener Bergen die Bücherregale umarmt hat, hat es sehr lange mit mir ausgehalten.
Also Kresse. Tausend winzige Samen in diese Anpflanzerde von IKEA, und wochenlang passiert nichts. Kaum Sonnenlicht. Klar, einer der Hauptgründe gegen eine Pflanze war für mich immer, dass ich es in meiner Wohnung gern dunkel habe - aber auf der Küchenbank konnte ich die Pflanze so arrangieren, dass das Rollo davor heruntergezogen werden kann - Dunkelheit in der Wohnung, Sonne für Troilus und Kresse? Da! (TuKD).
Und nach ein paar Wochen ging es dann auch endlich los, und es haben nur drei Samen gekeimt, einer von denen erinnert mittlerweile allerdings an eine Liane im Urwald. Nur weiter so! Und damit es TuKD nicht langweilig wird, habe ich daneben noch so einen Pflanzerdewürfel gestellt, diesmal mit Zitronenmelisse. Die sollte nach zweiundzwanzig bis dreißig Tagen keimen - nach fünf Tagen war bereits alles grün, und ich bin mal gespannt, was daraus wird, und ob mir dafür auch ein völlig unpassender Name einfällt. Ich nehme auch gern Vorschläge an - ich setze sie zwar selten um, aber "große Buba, dicke Tuba" beweist, dass ich auch mal was von meinen Mitmenschen übernehme, also seid kreativ!
Tja... und irgendwie bin ich nun doch ganz froh, Lebewesen in meiner Wohnung zu haben, die nicht allzu anspruchsvoll sind, bei denen sich aber trotzdem "etwas tut". Hätte ich ein Problem damit, wenn sie alle plötzlich verfaulten und ich sie rauswerfen müsste? Wahrscheinlich würde ich das nicht einmal mitbekommen...
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