Freitag, 24. April 2020
Idiosynkratischer Sprachgebrauch
"Appeldrabsch."
Dieses Wort existiert nicht - aber das hat meine Mutter nicht davon abgehalten, es immer wieder zu benutzen, um etwas zu beschreiben, was komisch, unbeholfen, albern oder ähnliches ist. So ganz ausgedacht hat sie sich das Wort allerdings nicht; es ist eine Abwandlung des niederdeutschen Wortes "appeldwatsch". Woher ich das weiß? Nun, was wäre ich ohne die Sannitanic?
Ich fand appeldrabsch absolut großartig, als Kind, als Jugendlicher, als Erwachsener. Ich werde nie jene Szene vergessen: Hochsommer, an der Front unseres Hauses hatten wir eine große Weinpflanze, alles mit grünem, dichten Laub bedeckt und kleine Weinbeeren sind nach und nach zu Boden gefallen - ein Genuss für Drosseln! Und wenn Weinbeeren lange in der Sonne liegen und gären, dann entsteht Alkohol, und es kam nicht selten vor, dass die Drosseln (wie auch alle anderen Vögel) über den Rasen gehopst sind, diese gärigen Beeren gefressen haben und... naja, wegfliegen ging irgendwann nicht mehr. Irgendwann waren die Drosseln tatsächlich so betrunken, dass sie sich mit ausgebreiteten Flügeln mitten auf den Rasen in die Sonne gelegt haben. Gerade laufen war nicht mehr drin, es war ein taumeliges Gehopse, und ich hätte dieses herrliche Schauspiel verpasst, wenn meine Mutter mir damals nicht Bescheid gesagt hätte: "Schau mal, die Drossel, die hat zu viele Beeren gegessen und jetzt wankt sie total appeldrabsch über den Rasen."
Seitdem fand sich appeldrabsch in meinem eigenen Wortgebrauch wieder. Das Drollige: Selbst nachdem die Sannitanic mich darüber aufgeklärt hat, dass es eigentlich appeldwatsch heißt, bin ich bei "meiner" Version geblieben, und das mit einer solchen Überzeugung und Hingabe, dass selbst die große Buba irgendwann des Wort appeldrabsch benutzt hat (was dann interessanterweise der Moment war, in dem ich aufgehört habe, es zu nutzen).
Das kommt übrigens nicht selten vor: Ich schnappe Wörter auf oder bastele sie in meinem Kopf zurecht, diese Wörter haben nichts mit gewöhnlicher Sprache zu tun, aber ich benutze sie trotzdem, wie zum Beispiel pomplodieren (ein Portmanteau aus dem lautmalerischen pomm und explodieren), oder Kartu (habe ich von Cate Blanchett aufgeschnappt, die große Buba hat es irgendwann übernommen, aber auf der zweiten Silbe betont, und jetzt benutze ich es nicht mehr, warum auch immer). Und über die Autobahn-Sulli hatte ich bereits geschrieben.
Es ist ein klassisches Merkmal von Menschen mit dem Asperger-Syndrom, dass sie einen idiosynkratischen ("eigenartigen") Sprachgebrauch pflegen. Ist mir auch bei dem Aspibuch von Leo M. Kohl aufgefallen, der beharrlich die Form frug benutzt - kein einziges Mal fragte oder hat gefragt. Und seitdem ich das Wort wenngleich kenne, benutze ich es immer wieder in diesem Blog. Manchmal sind es seltene und släsch oder altmodische Wörter, manchmal sind es ganz eigene Erfindungen. Ach ja, släsch ist auch ein Beispiel dafür, ebenso wie der Umstand, dass ich in den Blogartikeln fast immer Zahlen ausschreibe. Und dass ich weiß auf schwarzem Hintergrund schreibe. Jetzt habe ich also vielleicht eine Erklärung dafür.
Das ist immer drollig, wenn ich die Blogartikel zur Korrektur lese und diese seltsamen Wörter betrachte... kann man die überhaupt falsch schreiben? Das Korrekturlesen ist der Moment, in dem ich dann endlich mal die Schreibtischlampe einschalte, ansonsten ist es hier dunkel, mag ich lieber. Das ist übrigens gar nicht so ungewöhnlich... für einen Aspi. Aber darum geht es in dem nächsten Beitrag.
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